Der Berner SVP-Nationalrat Rudolf Joder brauchte deutliche Worte: „Ein Agrarfreihandel ist der Anfang vom Ende der Schweizer Landwirtschaft.“ Wohin ein liberalisierter Markt führe, zeige sich beim Käse. Weil die Importe stärker zunehmen als die Exporte, verliere man laufend Marktanteile. Ein Agrarfreihandel würde aber vor allem mit den in der Bundesverfassung verankerten Aufgaben der Landwirtschaft kollidieren. Eine sichere Versorgung der Bevölkerung mit einheimischen Nahrungsmitteln, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, die Pflege der Kulturlandschaft und eine dezentrale Besiedlung sieht Joder durch den Agrarfreihandel bedroht. Dass der Bundesrat ohne breit abgestütztes Mandat Verhandlungen mit der EU führe, sei ein Ärgernis.
Kritisch äusserte sich auch Hans Bieri, Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft (SVIL). Ein liberalisierter Markt bringe für die Schweiz in Bezug auf die Industrie grosse Vorteile. Wende man die Freihandelslogik aber auf die Landwirtschaft an, rentiere es sich nicht mehr, hierzulande Nahrungsmittel zu produzieren. Stattdessen würde die Schweiz diese importieren. Damit vergrössere sich die Abhängigkeit, was die Gefahr von Versorgungskrisen berge.
Laut Maya Graf, Bio-Bäuerin und Nationalrätin der Grünen, gibt es mit der Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems und der schleichenden Grenzöffnung in Form des Cassis-de-Dijon-Prinzips dringendere Baustellen als ein Agrarfreihandelsabkommen. Besser wäre es, sich mit Herausforderungen wie der Ressourcenknappheit oder dem Klimawandel zu beschäftigen.
Umdenken gefordert
Auch der Sozialethiker Thomas Gröbly sprach sich gegen einen Agrarfreihandel aus. Stattdessen machte er sich für das Konzept der Ernährungssouveränität stark. Diese dürfe nicht mit nationaler Selbstversorgung verwechselt werden. Vielmehr umfasse diese das Recht der Bevölkerung, die Agrarpolitik selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stehe zudem für den Vorrang regional hergestellter Nahrungsmittel, für kostendeckende Produzentenpreise und für eine Unabhängigkeit von Märkten und Nahrungsmittelmultis. Gröbly forderte ein Umdenken. Es gelte, sich von der heutigen Ökonomisierung, die sich in Markt, Wachstum, Wettbewerb, Abhängigkeit und Ausbeutung ausdrücke, zu verabschieden.
Rudolf Haudenschild, Chefredaktor Schweizer Bauer, bemerkte, dass gemäss Ex-Landwirtschftsministerin Doris Leuthard Lebensmittel 20 Prozent billiger werden mit einem Freihandel. Begrüsst wird dies von Muriel Uebelhart, Geschäftsführerin des Konsumentenforums. Zwar sei der Preis ein wichtiges Kriterium. „An erster Stelle kommt bei den Konsumenten aber die Qualität.“ Diese wollen zudem wissen, woher und wie die Nahrungsmittel produziert würden.
Befürwortet wurde ein Agrarfreihandel auch von Christian Hofer, Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft. Auch nach Abschluss eines solchen Abkommens könne die Schweiz eine eigenständige Agrarpolitik betreiben. „Wir müssen die Gemeinsame Agrarpolitik der EU nicht übernehmen.“ Laut Hofer war die Schweizer Landwirtschaft noch nie so wettbewerbsfähig wie heute.
