
Der Pflug gehört seit Menschengedenken zur Landwirtschaft. Während der Boden ganz früher von Hand mit Holzgeräten gewendet wurde, waren es später Ochsen oder Pferde, welche die Pflüge zogen. Heute sind es Traktoren mit riesigen Pfluggeräten, die diese Arbeit übernehmen. Mechanische Unkrautvernichtung, bessere Durchlüftung des Bodens, Vorbereiten des Saatbeetes oder Bekämpfen von tierischen Schädlingen: Die Argumente, die für den Pflug sprechen, sind zahlreich. Dennoch gibt es Landwirte, die ganz bewusst auf den Einsatz des Pfluges verzichten. Einer davon ist Reto Minder aus dem freiburgischen Jeuss. Bereits 1997 schlug der damals 23-jährige seinem Vater vor, beim Sommerhafer auf das Pflügen zu verzichten. Angespornt durch den folgenden Erfolg haben sein Vater und er nach und nach auch bei den anderen Dreschfrüchten wie etwa dem Weizen oder dem Mais darauf verzichtet, vor der Saat den Boden zu pflügen.
Sommerserie: Mit Pioniergeist in die Zukunft
Die Porträts in der diesjährigen LID-Sommerserie beweisen, dass die Innovationskraft der Schweizer Bäuerinnen und Bauern keine leere Worthülse ist. Gezeigt werden Bauern, die mehr wollten, nie aufgaben und selbst ein Produkt, eine Maschine oder ein Konzept erfunden und entwickelt haben. All diese Projekte – mögen sie noch so unterschiedlich sein – haben eines gemeinsam: Sie bringen der Schweizer Landwirtschaft Perspektiven für die Zukunft.
Problemlos ohne Pflug
"Bei diesen Kulturen ist der pfluglose Anbau bei einer guten Planung der Fruchtfolge absolut problemlos möglich und ausser mir haben noch zahlreiche andere Landwirte aufgehört vor Mais und Co. zu Pflügen", sagt Reto Minder. Gut 15'000 Hektaren Ackerland werden schweizweit in Direktsaat bewirtschaftet. Doch warum gibt man etwas auf, das seit vielen 100 Jahren gemacht wird? "Nur weil man es immer gemacht hat, heisst es nicht, dass es für den Boden auch wirklich gut ist", ist Reto Minder überzeugt. Pflügen bedeute immer einen massiven Eingriff in das von den Bodenlebewesen aufgebaute Gefüge. Werde nicht mehr gepflügt, stabilisiere sich dieses und die Gefahr von Erosion nehme entscheidend ab. Zudem steige die Zahl der nützlichen Bodenlebewesen, wie der Regenwürmer, stark an. Reto Minder betont, dass dies nicht einfach von ihm aufgestellte Behauptungen seien, sondern Fakten, die durch Feld-Versuche belegt werden konnten. "Ein gutes Beispiel dafür, dass der Boden ohne Pflügen viel stabiler wird, ist Paraguay. Wie in anderen südamerikanischen Ländern auch, war hier Erosion während vielen Jahren ein enormes Problem und Ackerbau war fast ein Ding der Unmöglichkeit geworden." Um den Boden nicht gänzlich zu verlieren, haben sich zahlreiche Landwirte entschieden, auf die intensive Bodenbearbeitung zu verzichten. Heute werde rund drei Viertel der dortigen Flächen mit dem No-Till-Verfahren, also ohne Pflug, bewirtschaftet, sagt Minder. Mit einem eindeutigen Resultat: "Das Problem der Erosion konnte fast eliminiert werden."
Weniger Kosten
Neben den ökologischen Vorteilen, tut der Verzicht auf den Pflug auch dem Portemonnaie gut, wie Reto Minder sagt. "Ich spare mehrere Arbeitsschritte und kann so sowohl Diesel wie auch Zeit einsparen." Wird der Boden nach der Ernte nicht gepflügt, bietet dies Unkräutern eine gute Gelegenheit, um sich zu entwickeln. Daher werden diese vor der Neusaat häufig durch ein Totalherbizid, wie etwa Glyphosat vernichtet. Ein Umstand, welchen die Verfechter des Pfluges immer wieder für ihr Plädoyer für den Pflug nutzen. "Klar ist der Einsatz dieses Unkrautvernichtungsmittels nicht optimal und es ist das erklärte Ziel von No-Till-Landwirten, davon wegzukommen", sagt Reto Minder. Noch sei man aber leider nicht soweit. "Man darf zudem nicht vergessen, dass auch Landwirte, die pflügen, sehr häufig Glyphosat einsetzen." Eines sei aber klar: Biologischer Landbau ohne Pflug sei zwar möglich, aber sehr, sehr schwierig, da chemischen Hilfsmittel nicht erlaubt sind. Man könne es als Königsklasse des No-Till-Landbaus bezeichnen, sagt Minder.
Auch Rosenkohl ohne Pflügen
Auf den 36 Hektaren Landwirtschaftlicher Nutzfläche von Reto Minder wachsen neben Mais, Weizen, Zuckerrüben und Eiweisserbsen auch Tabak und Rosenkohl. Auch bei diesen beiden Kulturen, die nicht gesät, sondern als kleine Pflänzchen gesetzt werden, wird seit rund zehn Jahren auf den Einsatz des Pfluges verzichtet. "Ganz ohne Bodenbearbeitung geht es leider aber noch nicht." Um die Pflänzchen richtig in den Boden pflanzen zu können, wendet er das im Fachjargon Strip-Till-Verfahren an. Bei diesem wird der Boden streifenweise gelockert aber weder gewendet noch sonst wie verfrachtet. Auf diesem Gebiet ist Reto Minder ein Pionier. Denn beim Gemüse will kaum jemand auf die vermeintlichen Vorteile des Pflügens, wie etwa dem feinen Saatbeet oder keinen Ernterückstände, verzichten. "Ich kann aber versichern, dass wir auch ohne Pflügen sehr gute Erträge erzielen", sagt er und schmunzelt. Ganz einfach waren die Anfänge aber nicht, denn weit und breit gab es keine Setzmaschine, die mit dem nicht-gepflügten Boden zu Recht kam. Im nur minimal bearbeiteten Boden muss die Maschine mehr Druck aufbringen können, damit die Pflänzchen in der gewünschten Tiefe platziert werden können. In langer Arbeit hat Reto Minder eine handelsübliche Setzmaschine No-Till-tauglich gemacht - mit Teilen, die er in den USA bestellt hat. Vorbilder für seine Self-Made-Maschine fand er im Internet. "Bemühungen, ohne Pflügen Landwirtschaft betreiben zu können, gibt es auf der ganzen Welt. Deshalb findet man auch viele Informationen dazu." Heute ist seine Maschine den Kinderschuhen entwachsen und pflanzt problemlos, auch ohne vorher zu pflügen.

