Am 5. September geht die Vernehmlassungsfrist für die Verordnungen zur Agrarpolitik 2007 zu Ende. Das Landwirtschaftsgesetz steht, so wie es das Parlament verabschiedet hat. Der Teufel liegt aber bekanntlich im Detail. In den insgesamt 38 Verordnungen zum neuen Gesetz gibt es auch einige Vorschläge des Bundesrates, die bei betroffenen Verbänden und Kantonen für Kopfzerbrechen sorgen oder auf pure Ablehnung stossen.
Ausbildung: Ausnahmeregelung ist erwünscht
Ein solcher Punkt ist die Umsetzung des Gesetzesartikels, dass Personen, die einen Betrieb neu übernehmen, eine landwirtschaftliche Ausbildung haben müssen, damit sie vom Bund Direktzahlungen erhalten. Diese Forderung des Bauernverbandes wurde vom Parlament aufgenommen und sorgt seither in den Bergkantonen für heisse Köpfe. In den Berggebieten haben aktuell nur 39 Prozent der Personen, die einen Betrieb bewirtschaften, eine landwirtschaftliche Lehre oder die Ausbildung zur Bäuerin abgeschlossen. Mittelfristig wäre deshalb mit der neuen Auflage in einigen Regionen im Berggebiet die dezentrale Besiedlung gefährdet, die als Auftrag der Landwirtschaft in der Verfassung verankert ist.
Der Bund schlägt im Verordnungsentwurf deshalb vor, neu eingestiegenen Betriebsleitern auch dann Direktzahlungen auszuzahlen, wenn sie drei Jahren lang erfolgreich wirtschaften, das heisst, ohne rote Zahlen zu schreiben. Ferner seien für Gebiete, in denen die Bewirtschaftung oder eine genügende Siedlungsdichte gefährdet ist, auch andere abgeschlossene Berufsausbildungen zu anerkennen.
Der Schweizerische Bauernverband hat schon früh signalisiert, dass diese Vorschläge nicht geeignet seien, das Problem – die Förderung einer professionellen Landwirtschaft, ohne die dezentrale Besiedlung zu gefährden – zu lösen. Er verlangt zusätzlich zu einem anderen Berufsabschluss einen Kurs für Nebenerwerbslandwirte. Auch die Kantone sind nicht glücklich. Für viele davon stehen berggebietverträgliche und im Vollzug nicht zu aufwendige Lösungen im Vordergrund.
Generelle Ausnahme oder Zusatzkurs
Die Regierung des Kantons Bern etwa – des grössten Bauernkantons der Schweiz – hat grundsätzlich Mühe mit der Gesetzesänderung. "Ein einheitlicher Vollzug dieser Regelung ist aufwendig und nur schwer möglich", sagt Hans Peter Baumann, Stabschef im Landwirtschaftsamt. So sei der Vorschlag des Bundesamtes, einzelne Regionen als "bedroht" auszunehmen, zu aufwendig. Für das Berggebiet sei die vorgeschlagene Lösung sozial unverträglich. Der Kanton Bern verlangt deshalb eine generelle Ausnahme: Betriebe im Berggebiet, die nicht als landwirtschaftliches Gewerbe gemäss Bodenrecht gelten – das sind Betriebe, deren Arbeitsaufwand unter 0,75 so genannten Standardarbeitskräfte (SAK) liegt – sollen von der Anforderung einer landwirtschaftlichen Ausbildung ausgeschlossen werden. Der Kanton Bern schlägt ferner vor, auch eine zweijährige Berufsausbildung mit Attest als Voraussetzung für Direktzahlungen zuzulassen. Es bestehe sonst die Gefahr, dass in der regulären dreijährigen Ausbildung die Qualität leide.
Auch Luzern, ein anderer grosser Landwirtschaftskanton, ist mit den Vorschlägen des Bundes nicht glücklich, wie Landwirtschaftssekretär Josef Häfliger sagt. Der luzernische Vorschlag geht in die Richtung, dass auch andere Berufsabschlüsse akzeptiert werden, wenn zusätzlich ein Kurs für Nebenerwerbslandwirte absolviert wird. Der Kanton Luzern biete solche Kurse bereits an, die über 15 Monate liefen und 250 bis 280 Lektionen umfassten. In Gebieten, die von Abwanderung bedroht seien, sollte es möglich sein, auch ohne Ausbildung zu Direktzahlungen zu kommen, falls der Kurs absolviert wird.
Der Kanton St. Gallen hat ähnliche Vorstellungen. Als Bedingung für den Bezug von Direktzahlungen solle neben einer anderen abgeschlossenen Berufsausbildung ein Kurs mit mindestens 150 Lektionen absolviert werden, erklärt Amtsdirektor Hansueli Nef.
Differenzieren nach grösseren und kleineren Betrieben
Das Wallis, als Bergkanton von der Frage "Ausbildung für Direktzahlungen" besonders betroffen, differenziert: Leiter von Betrieben im Talgebiet mit weniger als einer SAK sollen als Bedingung einen Zusatzkurs absolvieren. Für grössere Betriebe soll ausserdem ein anderer Berufsabschluss vorliegen, wie Gérald Dayer, Leiter des Landwirtschaftsamtes, erklärt. Im Berggebiet soll für diese grösseren Betriebe nur der Zusatzkurs verlangt werden und für kleinere im Sinne einer Ausnahme vom Gesetz gar nichts.
Der Kanton Zürich will gar keine Auskunft geben. Zürich sei erfahrungsgemäss reformfreudiger als andere Kantone, man gebe aber vor Ende der Vernehmlassungsfrist keine Details bekannt, heisst es aus dem zürcherischen Landwirtschaftsamt.
Wieviel Arbeit ist nötig, damit es Direktzahlungen gibt?
Ein weiteres heisses Eisen ist die untere Grenze der Standardarbeitskräfte (SAK), ab der ein Betrieb Direktzahlungen erhält. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat die Standardarbeitskraft neu berechnet. Mit dieser neuen SAK würde eine Beibehaltung der SAK-Grenze auf dem bisherigen Niveau von 0,3 SAK laut BLW bedeuten, dass rund 2’300 Betriebe keine Direktzahlungen mehr erhalten würden. Mit der vorgeschlagenen Senkung auf 0,25 SAK wären es noch 600 Betriebe.
Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Der Kanton Bern möchte die Grenze bei 0,3 SAK belassen, dafür aber die Faktoren für die Berechnung der SAK ändern. So sollen auch Sömmerungsweiden und Waldflächen direktzahlungswirksam werden – mit 0,025 SAK pro Normalstoss beziehungsweise 0,015 SAK pro Hektare. Eine Forderung zugunsten der Berggebiete, wie sie auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Berggebiet und der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verein stellen. Auch die Selbstkelterung von Weinen soll nach dem Willen des Kantons Bern direktzahlungsberechtigt sein.
Der Kanton Luzern akzeptiert die vom BLW vorgeschlagene Senkung auf 0,25 SAK. "Dies muss aber im Verlauf der nächsten vier Jahre überprüft werden, im Sinne einer Anhebung", erklärt Häfliger. Klar für eine Beibehaltung auf 0,3 SAK ist hingegen der Kanton St.Gallen, obwohl im Kanton auch Bauern davon betroffen seien. Eine Senkung würde das falsche Signal setzen, die Leistungsfähigkeit solle weiterhin eine Rolle spielen, sagt Amtsdirektor Nef. Über die einzelnen Faktoren bei der Definition der SAK habe sich der sanktgallische Regierungsrat nicht geäussert, diese müssten einfach "nahe an der Realität" sein.
Milchkuhprämie findet Anklang
Im Verlauf der Vernehmlassung wurde auch der Raufutterbeitrag für Milchkühe ein Thema. Der Dachverband der Schweizer Milchproduzenten und der Schweizerische Bauernverband verlangen, dass die Milchproduzenten als Kompensation für den vorgesehenen weiteren Stützungsabbau im Milchmarkt eine Milchkuhprämie von 200 Franken pro Tier erhalten.
Einige der grossen Bauernkantone bestätigen, dass die Milchproduktion besonders unter Druck ist und befürworten diese Massnahme. Sowohl der Kanton Bern als auch der Kanton Luzern sprechen sich für eine Milchkuhprämie aus, sobald die Verkäsungszulage gesenkt werde. Der Bund plant, letztere bereits auf 2004 zu senken und stösst dabei auf harten Widerstand bei der Branche. Aus sanktgallischer Sicht dagegen fällt diese Frage in die Kompetenz des Bundes. Man gehe davon aus, dass nicht mehr Geld für diese Massnahme zur Verfügung stehe, erklärt Nef. Der Bund müsse hier wissen, ob und wo er umverteilen wolle.
Siehe: "Direktzahlungen nur für ausgebildete Bauern: Eine Forderung mit Folgen" im LID-Mediendienst Nr. 2615 vom 17. Juli 2003.