Schneller als ein Rasenmäher: Der schnellste Teilnehmer an der Ostschweizer Handmähmeisterschaft brauchte nur 1,006 Sekunden um einen Quadratmeter Gras zu Fall zu bringen. Trotzdem wurde Alexander Schmidt am 17.Juli in Herisau nicht zum Tagessieger gekürt. Denn beim Handmähen zählt nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch Sauberkeit, Durchschlag und Anwand; kurz gesagt all das, was es ausmacht, ob eine Wiese auch noch gut aussieht, wenn das Gras ab ist. Und in dieser Hinsicht überzeugte der schnelle deutsche Schnitter weniger als Lokalmatador Stefan Tobler, der mit einer Schnittgeschwindigkeit von 1,086 Sekunden pro Quadratmeter den Tagessieg ermähte.
Serie: Wettkampffieber in der Landwirtschaft
Der FC Basel ist es im Fussball, der HC Davos im Eishockey und Fabian Cancellara im Radfahren: Schweizer Meister. Schweizer Meister gibt es auch in der Landwirtschaft, nur sind diese ausserhalb der Branche kaum bekannt. Wir stellen ihnen diesen Sommer sportliche Wettkämpfe der besonderen Art vor, wo viel Herzblut, aber keine Millionen fliessen.
Handmähen ist Kult
Die Handsense lebt, der Brauchtumsport feiert ein Revival. Männer, Frauen, Kinder, junge und alte: In Herisau gingen 202 Teilnehmer an den Start und liessen 17 Pläuschler das Gras ebenfalls flott über die Klinge springen. Die jüngste war mit sechs Jahren Melanie Tanner aus Herisau. Und der älteste Teilnehmer, Ernst Stoller aus Kandergrund, kam mit 81 Lenzen sogar zum 42. Mal an einer Mähmeisterschaft in die Kränze! Sein Geheimnis: "Ich trainiere täglich." Und wenn er einmal nicht genug Gras zum mähen hat, macht er einfach vierzig bis sechzig Liegestützen.
Ganz so ernsthaft gehen nicht alle diese Sportart an. Da und dort gibt jemand zu, erst in den letzten Tagen mit dem Training angefangen zu haben. Doch nur mit der richtigen Technik, voller Konzentration, genügend Kraft und optimalem Werkzeug kommt man in die Ränge. Eine grosse Rolle spielt dabei naturgemäss die Sense: Sie muss in erster Linie scharf sein. Deshalb steht am Wettkampftag der Wetzstein rege im Einsatz. Er wird nicht nur mit Wasser feucht, sondern auch mit einem Schuss Essig geschmeidig gehalten. Und das auf der ganzen Länge: Das Wettkampf-Sensenblatt ist meistens einen Meter und mehr lang. Sogar ein 1,5 Meter langes Blatt war in Herisau im Einsatz – und zeigte, wie anspruchsvoll es ist, so ein langes Blatt sauber zu führen.
Handmähen ist international
Den Umgang mit der Sense beherrscht man nicht nur in der Schweiz. Auch deutsche Teilnehmer wetzten letzten Sonntag die Klingen und aus Slowenien waren ebenfalls einige Sensenmänner und -frauen angereist. Sie machten sich fit für die Europameisterschaft, die dieses Jahr in Oberkrain, Slowenien stattfindet. Dort wird der amtierende Europameister, Armin Reichen aus Achseten, auf eine scharfe Konkurrenz aus Österreich, Südtirol, Deutschland, Slowenien, Frankreich und dem Baskenland treffen. Von seinen Schweizer Kollegen wird ihm ebenfalls nichts geschenkt: Sechs Schweizer liegen in der Qualifikation noch vor ihm.
Technik lässt sich trainieren. Material kann man kaufen. Doch das Gras wächst, wie es wächst. In Herisau wächst es besonders dicht. "Hier hat es mindestens ein Drittel mehr Halme pro Fläche als bei uns in Oberland", erklärte Berchtold Reichen. Wer das nicht weiss, beisst deshalb in der Ostschweiz beinahe ins Gras. Die Schwäbin Bernadette Weiler kam jedenfalls ins Staunen: "Solches Gras gibt es bei uns gar nicht. Das ist ja wie Rasen." Die Region ist für ihre Futterwüchsigkeit bekannt: Die Böden in Herisau sind fett, das Klima feucht, dementsprechend dicht und kleereich wächst das Gras. Ganz andere Verhältnisse werden die Wettkämpfer am 3./4. September bei der Innerschweizer Handmähmeisterschaft in Rothenthurm antreffen. Denn dort geht es trockener Streue an den Halm: "Das ist zwar viel leichter, aber dafür sind die Stängel hart", klärt Röbi Kunzen auf. So hart, dass es schon manchem Mäher ein Stück vom Sensenblatt umlitzte, wenn er dieses nicht nur rasiermesserscharf gewetzt, sondern auch rasiermesserdünn gedengelt hatte.
Die Schnittstellen zum Sieg
ed. Primär geht es beim Handmähwettkampf um Geschwindigkeit, konkret um Sekunden pro Quadratmeter. Für Anwand, Sauberkeit und Durchschlag können Strafpunkte verteilt werden, das Maximum liegt bei 100 Strafpunkten pro Kriterium. Daneben gibt es auch Bonuspunkte. Zum Beispiel werden 15 Bonuspunkte gut geschrieben, wenn ein Maushaufen in der Schnittlinie liegt und der Kampfrichter deshalb "Wetzen" angesagt hat. Damit die Älteren gegenüber den Jüngeren nicht benachteiligt sind, werden in der höchsten Alterskategorie pro fünf Jahre zusätzlicher Lebenserfahrung jeweils zehn Bonuspunkte gut geschrieben. Bei der Gesamtwertung wird dann die Geschwindigkeit (Sekunde pro Quadratmeter) mit hundert multipliziert, die Strafpunkte dazugezählt und die Bonuspunkte abgezogen. Je tiefer die Zahl, desto höher ist der Rang. An der Ostschweizer Handmähmeisterschaft erreichten dieses Jahr die Siegenden eine rekordverdächtig tiefe Punktzahl: Regula Frehner aus Urnäsch bot mit 162,667 Punkten einen Rekord der 20-jährigen Vereinsgeschichte. Und Stefan Tobler, Herisau, glänzte mit 123,642 Punkten, was man ebenfalls als Sens(en)sationell bezeichnen darf! Die Rangliste und weitere Infos sind im Internet unter www.handmaehen.ch zu finden.
Handmähen ist speziell
Weil es keinen internationalen Dachverband gibt, gibt es auch keine einheitlichen Wettkampfregeln. In Herisau konnte jeder Teilnehmer seine Mähbreite selbst wählen, nur die Länge war vorgegeben. Während die Herren für die Doppelmahd zwischen 4,00 und 5,40 Meter Breite wählten, bevorzugten die Frauen für die einfache Mahd Breiten zwischen 1,70 und 2,50 Meter. In anderen Ländern ist oftmals die Fläche definiert, da müssen die Männer z.B. 100 Quadratmeter und die Frauen 35 Quadratmeter niedermachen.
Beim Mannschaftswettbewerb am Nachmittag war die Breite fix. Dort kämpften Teams aus je vier Männern und einer Frau um die Schnitterehre ihres Kantons, bzw. Landes. Dabei musste jedes Teammitglied auf der 100 Meter langen und 2,50 Meter breiten Bahn wenigstens einmal Sense angelegt haben. Für einmal waren beim Mannschaftswettkampf die Schnellsten auch die Saubersten: Die Appenzeller Ausserrhödler schnitten sogar besser ab als die Innerrhödler.

