Was die Fläche betrifft, wirken die finanziellen Anreize der neuen Agrarpolitik für die Umwelt. So wurden 1998 acht Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als ökologische Ausgleichsflächen (öAF) genutzt. Streueflächen, extensiv genutzte Wiesen, Ackerschonstreifen, Buntbrachen oder Hecken sollen solchen Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten, welche auf landwirtschaftlich intensiv genutztem Land kaum überleben können. 17 verschiedene Formen sind in der Direktzahlungsverordnung vorgesehen. Für den Verzicht auf eine intensive Produktion erhalten die Bauern vom Bund zwischen 300 und 3’000 Franken pro Hektare (siehe Kasten "Extensiviert werden vor allem Wiesen").
Wie viel Artenvielfalt schon erreicht wurde, zeigte Ende Januar eine Tagung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (FAL) in Zürich-Reckenholz. Unter dem Titel "Landschaftsökologie und Artenvielfalt in der Landwirtschaft" wurden auch zukünftige Ziele diskutiert.
Doppelt bis dreimal so viele Arten
Dank der neuen Politik werden zum Beispiel Wiesen extensiviert, die bisher mittel intensiv genutzt wurden. Dies zeigten Untersuchungen der FAL und des Geobotanischen Instituts der ETH Zürich im Schaffhauser Randen. Davon profitierten Pflanzen und Tiere. Ein Vergleich von erst seit 1993 wenig intensiv bewirtschafteten Flächen mit mittel intensiv genutzten deutet bereits an, dass die Artenvielfalt in den wenig intensiv genutzten Wiesen zu-nimmt. So wurden auf sechs Quadratmeter extensiv bewirtschafteter Wiese 48 Pflanzenarten gefunden, auf der gleichen Fläche einer intensiv bewirtschafteten Wiese dagegen nur noch 21 Arten. Bei den untersuchten Wanzen zeigte sich, dass viele Arten in früh und häufig geschnittenen Wiesen kaum überleben können.
Ein weiteres Projekt der FAL zeigte, dass die ökologischen Ausgleichsflächen eine wichtige Nektarquelle für Schmetterlinge sind. Im Vergleich zu intensiv genutzten Wiesen und Weiden können auf extensiv genutzten doppelt bis dreimal so viele Schmetterlingsarten vorkommen.
Extensiviert werden vor allem Wiesen
mo. Den grössten Anteil an den ökologischen Ausgleichsflächen (öAF) stellen die wenig intensiv genutzten und die extensiv genutzten Wiesen mit 85 Prozent. Weiter wurden 2,7 Millionen Hochstamm-Obstbäume angemeldet. Eine extensiv genutzte Wiese darf nicht gedüngt und nicht vor dem 15. Juni geschnitten werden. Dagegen darf eine wenig intensiv genutzte Wiese mit Mist oder Kompost gedüngt werden. Intensiv genutzte Wiesen werden im Mittelland bis zu fünf Mal geschnitten und gedüngt.
Dafür erhält der Bauer seit 1993 vom Bund je nach Höhenlage zwischen 450 und 1’500 Franken pro Hektare extensiv genutzter Wiese bezahlt. Für eine Hektare wenig intensiv genutzter Wiese erhält er zwischen 300 und 650 Franken.
Insgesamt bezahlte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) 1998 Beiträge für 89,000 Hektaren öAF, insgesamt 115 Millionen Franken. Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) und die Kantone setzen ihrerseits zusätzlich 21 bis 23 Millionen Franken ein, um schutzwürdige Gebiete mit meistens artenreichen Lebensgemeinschaften zu erhalten oder zu fördern.
Maschinen können vieles zerstören
Ökologische Ausgleichsflächen alleine garantieren die Artenvielfalt aber nicht, zumal 85 Prozent der Fläche Wiesen sind. Denn nicht jede Tier- oder Pflanzenart kann von jeder Art von Öko-Fläche gleich profitieren.
Für die Artenvielfalt ist zudem auch wichtig, wie eine Fläche bewirtschaftet wird. So zeigte Thomas Walter, Leiter Landschaftsökologie und Biodiversität an der FAL, dass der Zeitpunkt des Mähens darüber entscheidet, ob Raupen in einer Wiese überleben oder nicht. "Die Bedeutung der Mechanisierung der Landwirtschaft für die Artenvielfalt wird nach wie vor unterschätzt", behauptete er. Maschinen auf ökologischen Ausgleichsflächen schonend einzusetzen, könne wesentlich dazu beitragen, dass fragile Tiere erhalten blieben.
Harald Plachter, Professor für wissenschaftlichen Naturschutz an der Universität Marburg, wies weiter darauf hin, dass es nicht genügt, einzelne Flächen zu betrachten. Denn die Umwelt spiele eine grosse Rolle für die Vielfalt der einzelnen Biotope. "Wir müssen beachten, was in ganzen Landschaften abläuft", forderte er. Als Beispiele nannte er Flussläufe, Überschwemmungen und wandernde Schafherden. Das funktionale Gefüge einer Landschaft sei für die Artenvielfalt ebenso wichtig wie die Strukturen.
Qualitative Ziele sind wenig klar
Der Nutzen der heutigen ökologischen Ausgleichsflächen – kurz: öAF – für die Umwelt ist bis jetzt allgemein schwer messbar. Bisher wurde die Qualität dieser Flächen nur in Einzelfällen erforscht, denn die gängigen Methoden sind sehr aufwändig. Jede Menge Pflanzen müssen gezählt, Tiere gefangen und bestimmt werden.
Zudem sind die qualitativen Ziele für öAF ungenügend definiert. Deshalb kann die Qualität je nach Sichtweise verschieden beurteilt werden (siehe Kasten "Wem nützt die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft?"). "Um die Qua-litätssicherung zu gewährleisten ist es deshalb notwendig, dass für die verschiedenen Typen von öAF klare Ziele gegeben sind", forderte FAL-Forscherin Andrea Schwab. Sie sucht zusammen mit andern Forschenden nach einfachen Methoden, um die Qualität von öAF zu beurteilen.
Wem nützt die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft?
mo. 1998 zahlte der Bund über 115 Millionen Franken, um im Landwirtschaftsbereich die Vielfalt an Tieren und Pflanzen zu fördern. Er lässt sich also die Artenvielfalt einiges kosten, obwohl nicht klar definiert ist, was und wem sie nützt und wer sie braucht.
Peter Duelli, Leiter der Abteilung Biodiversität an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, sieht drei Gründe, die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu fördern. Erstens sei eine Vielfalt von Pflanzen und Tieren allgemein erstrebenswert. Weiter wolle man gefährdete Arten erhalten und drittens Nützlinge für die biologische Schädlingsbekämpfung fördern. "Ethische Aspekte sind dabei oft wichtiger als naturwissenschaftliche", stellte er fest. Die Artenvielfalt habe eben nicht nur eine ökologische Bedeutung, sondern sei auch ein kulturelles Phänomen.
"Überall ein Maximum an Arten zu haben, ist nicht das Ziel", betonte Peter Duelli dabei. Das mache es schwierig, die Qualität von ökologischen Ausgleichsflächen zu beurteilen. Es gebe eben, je nach Betrachtungsweise, ganz verschiedene Artenvielfalten. "Auch diese Vielfalt gilt es in unserer Landwirtschaftspolitik zu berücksichtigen", findet er.
Der Biodiversitäts-Fachmann schlug drei Messgrössen vor: den Naturschutz- und den Nützlingswert einer Fläche sowie deren Bedeutung für die ökologische Resilienz. Als ökologische Resilienz bezeichnet man die Fähigkeit einer Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Tieren, auf Veränderungen und Störungen elastisch, also quasi gepuffert, zu reagieren.
Nicht die gleichen Hecken von Polen bis Sizilien
Für klare Naturschutz-Ziele plädierte auch Harald Plachter. Es genüge nicht, von der Ostsee bis nach Sizilien die gleichen Hecken zu pflanzen. Gleiche Naturschutz-Ziele für grosse Flächen würden Natur und Landschaft uniformieren. Natürlichkeit, Stabilität und Nachhaltigkeit müssten je an anderen Orten verwirklicht werden. Im Gegensatz dazu seien die Standards für saubere Luft und sauberes Wasser überall auf der Welt gleich.
Die Frage müsse deshalb lauten: "Was können wir in unserer Region besonders gut tun?". Aufgrund der Antworten sollen regional sinnvolle Naturschutz-Nutzungskonzepte entwickelt werden. Dabei sei es aber unsinnig, einen fixen Soll-Zustand zu definieren. Besser seien Toleranzgrenzen, innerhalb derer sich ein Faktor bewegen kann. "Kulturlandschaften sind dynamische Systeme", hielt er fest. Sie hätten sich immer verändert. Harald Plachter unterstrich zudem die Bedeutung dieser Leistungen für die Landwirtschaft im Hinblick auf zukünftige WTO-Regelungen. "Umwelt- und Naturschutzleistungen werden in Zukunft die einzige Möglichkeit sein, die Landwirtschaft zu subventionieren", glaubt er.
Spagat Ökonomie – Ökologie kann gelingen
Dass Umweltleistungen ein Wachstumssegment sind, fand auch Bauer Hanspeter Hunkeler. Er bewirtschaftet die 18 Hektaren grosse Ronmühle in Schötz LU mit 38 Prozent Öko-Flächen. "Der Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie ist möglich", erklärte er. Der Betrieb müsse aber angepasst werden. So hält er keine Aufzuchtrinder mehr, sondern kauft die Kühe aus dem Berggebiet. Auch managt er seine Herde so, dass die Kühe im Frühling und im Herbst am meisten Milch geben.
Dass klare Ziele fehlen, empfindet auch er als problematisch. Er wünscht sich, dass genauer definiert wird, was man wünscht, dass dafür aber die Beiträge leistungsabhängig ausbezahlt werden. Er bemängelt auch, dass es noch zuwenig gute Beratung gebe. Dabei ist, so Harald Plachter, die betriebliche Beratung der Schlüssel, um Naturschutz-Konzepte in der Praxis umzusetzen.
Damit sinnvolle Naturschutz-Konzepte entstehen, müssen zudem Bauern und Naturschützer zusammenarbeiten. In der Schweiz wurde dafür das Nationale Forum für ökologischen Ausgleich geschaffen, in dem Naturschutz und Landwirtschaft gleich stark vertreten sind. Das Hauptziel des Forums ist, dass die öAF qualitativ besser werden. Dazu hat es zum Beispiel vorgeschlagen, dass extensiv und wenig intensiv genutzte Wiesen verlegt oder neu angesät werden dürfen, wenn damit die Qualität besser wird. Auf Empfehlung des Forums hin hat der Bund etwa die Rotationsbrache eingeführt, und für Ackerschonstreifen zahlt er seit 1999 Beiträge.
Integrierte Forschung
mo. Seit dem 1. Januar 2000 ist die Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau in Zürich-Reckenholz (FAL) in vier Fachbereichen organisiert, welche auch zusammenarbeiten. Nicht mehr neue Weizensorten stehen im Mittelpunkt, sondern eine intakte Umwelt und ein naturnaher Landbau. Dabei soll im Ökobereich nicht Alibiforschung betrieben werden. Jedoch will die FAL der Ansprechpartner für Ackerkulturen bleiben. Nicht nur die Bauern produzieren integriert, in Reckenholz wird auch integriert geforscht.
Die eigentliche Forschung soll in Zukunft noch die Hälfte der vorhandenen Mittel beanspruchen. Ebenso wichtig ist es der FAL, den Bauern konkrete Problemlösungen anzubieten. Sie will zeigen, wie der Boden umweltschonend bewirtschaftet oder Hofdünger besser verwendet werden kann. Die FAL will zudem Konzepte erarbeiten, wie die Landschaft ökologisch aufgewertet werden kann, und überprüfen, wie die getroffenen Massnahmen im Ökobereich wirken. Neu will sie die Methoden der Ökobilanzierung weiter entwickeln und im Auftrag des Bundes übernimmt sie die Begleitforschung bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen.
Die FAL ist eine von fünf Forschungsanstalten des Bundes und versteht sich als nationales Zentrum für Agrarökologie. Ein Leistungsauftrag und ein Globalbudget bilden seit Anfang Jahr den Rahmen ihrer Arbeit.
Details finden sich auf der Homepage der FAL: http://www.admin.ch/sar/fal