"Landwirte ohne Pachtland gibt es in der Schweiz kaum mehr", ist Alfred Nussbaumer, Geschäftsführer des Schweizerischen Pächterverbandes, überzeugt. Kein Wunder also, dass rund die Hälfte des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens – auch Landwirtschaftliche Nutzfläche genannt – in Pachtverhältnissen bewirtschaftet wird. Sei es, dass einzelne Flächen gepachtet werden – auch Parzellenpacht genannt – oder ganze Landwirtschaftsbetriebe, inklusive Wohnhaus und Ökonomiegebäude – die so genannte Gewerbepacht. Ihr prozentualer Anteil an allen Landwirtschaftsbetrieben sei heute im einstelligen Bereich, sagt Nussbaumer. "Dass es nur noch so wenige Gewerbepachten gibt, liegt nicht etwa daran, dass es keine interessierten Pächter gäbe, sondern dass viele Verpächter es aus finanziellen Überlegungen vorziehen, den Betrieb parzellenweise zu verpachten oder ihn ganz zu verkaufen."
Agrarpolitik verstärkt den Druck
Bei den noch bestehenden Gewerbepachten sei zudem die Zukunft ungewiss, sagt Nussbaumer. "Die vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) vorgeschlagene Agrarpolitik 2011 beinhaltet verschiedene Punkte, welche die Gewerbepächter arg in Bedrängnis bringen könnten". Zum einen sei dies die vom BLW vorgeschlagene Aufhebung der Pachtzinskontrolle: "Zurzeit werden die Gewerbepachtverträge durch die kantonalen Landwirtschaftsämter auf die Höhe der Pachtzinse kontrolliert", sagt Alfred Nussbaumer. Dies schütze den Pächter vor Willkür und Wucherei. Ebenfalls vor Preistreiberei sind die Landwirte bis zum heutigen Zeitpunkt durch die Bodenpreisbegrenzung geschützt. Doch auch daran will das BLW nicht länger festhalten, sehr zum Missfallen von Nussbaumer und den restlichen Verbandsmitgliedern: "Fällt die seit 1994 bestehende Preisbegrenzung weg, ist zu befürchten, dass die Landpreise ins Unendliche steigen werden". Somit hätten Vollerwerbslandwirte bei Landverkäufen kaum mehr eine Chance. "Welcher Bauer, der weder Bauland besitzt noch einem lukrativen Nebenjob nachgeht, ist schon in der Lage, sehr viel Geld für ein Stück Land auszugeben?" Aus all diesen Gründen dürfe weder am Boden- noch am Pachtrecht gerüttelt werden. Ansonsten könne es für viele Pächter heissen: Vogel friss oder stirb. "Oder ein wenig konkreter: Wer nicht bezahlen kann, muss gehen".
Eine weitere vom BLW geplante Massnahme, die bei Nussbaumer und den anderen Verbandsmitgliedern auf wenig Gegenliebe stösst, ist die Erhöhung der so genannten Gewerbegrenze. Ein Betrieb gilt dann als Gewerbe – und kann somit von bestimmten Privilegien im Boden- und Pachtrecht profitieren – wenn zu seiner Bewirtschaftung 0,75 so genannte Standardarbeitskräfte (SAK) notwendig sind. Eine SAK kommt etwa einer Vollzeitstelle gleich. Bei einer Erhöhung der SAK auf 1,5 – wie vom Bundesamt geplant – würden laut Nussbaumer zahlreiche Pachtbetriebe nicht mehr unter die Kategorie "Gewerbe" fallen, weil häufig nicht mehr als 1,2 SAK zur Bewirtschaftung notwendig seien. Daher habe der Pächterverband in seiner Stellungnahme festgehalten, dass diese massive Erhöhung der SAK nur in mindestens zwei Schritten über einen Zeitraum von rund zehn Jahren zumutbar sei.
Verpachten oftmals unrentabel
Warum es für Pachtbetriebe wichtig ist, der Kategorie Gewerbe anzugehören, erklärt Eduard Hofer, Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW): "Wenn es sich beim Pachtobjekt nicht um ein Gewerbe handelt, kann der Pachtzins deutlich höher angesetzt werden. Zudem dauert der erste Pachtvertrag nur sechs anstelle von neun Jahren". Und wie wichtig die Vertragsdauer ist, weiss Nussbaumer, selbst Pächter, aus eigener Erfahrung: "Als Pächter ist man nie ganz sicher, ob man auch in Zukunft noch auf dem Betrieb bleiben kann oder ob der Vertrag nach Ablauf gekündigt wird". Daher sei eine möglichst lange Vertragsdauer für die Pächter von Vorteil. Die Unsicherheit in Zusammenhang mit der Zukunft habe aber nicht nur negative Seiten. "Ein Pächter ist motiviert, seine Arbeit gut und rentabel zu verrichten, damit er auch weiterhin auf dem Betrieb bleiben kann". Doch auch wenn der Pächter seine Arbeit aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht einwandfrei verrichtet, eine Vertragsverlängerung ist in der heutigen Zeit keinesfalls mehr eine Selbstverständlichkeit.
Der Grund dafür ist laut Walter Herzig, Leiter der Sektion Hochbau, Start und Betriebshilfe beim BLW, die für den Verpächter oft tiefe Rentabilität einer Gewerbepacht. "Dadurch, dass der Pächter zwar die Gebäude nutzen darf, diese aber noch immer Eigentum des Verpächters sind, muss Letzterer alle grösseren Unterhaltsarbeiten ausführen oder bezahlen", konkretisiert er. Und weil es sich beim Eigentümer häufig um Gemeinden, Institutionen oder juristische Personen handle, bestehe kein Anrecht auf Zuschüsse aus der öffentlichen Hand. "Der Pachtzins reicht häufig nicht einmal, um die Auslagen für Um- oder Neubauten zu decken". Daher würden sich immer mehr Eigentümer dazu entschliessen, den Betrieb parzellenweise zu verpachten.
Soziale Spannungen sind häufig
Ulrich Ryser, Leiter der Sektion Treuhand und Schätzungen beim Schweizerischen Bauernverband sieht in der Parzellenpacht weitere Vorteile für den Verpächter: "Durch eine Verpachtung im Gesamtpaket ist der Eigentümer, etwa ein ins Pensionsalter gekommener Bauer, häufig dazu gezwungen, sein Wohnhaus zu verlassen oder aber er lebt mit seinem Nachfolger Tür an Tür". Beides seien soziale Spannungsfelder. "Ein Wegzug ist für den Landwirt häufig schwierig zu verkraften und das Zusammenleben von altem und neuem Bewirtschafter führt sehr oft zu erheblichen Problemen".
"Unstimmigkeiten und Streitereien gibt es bei Pachtverhältnissen leider wirklich sehr oft", bedauert Nussbaumer. Die persönlichen Differenzen zwischen den beiden Parteien seien oftmals so immens, dass nicht die Änderungen in der Agrarpolitik die grösste Herausforderung für die Zukunft darstelle, sondern die zwischenmenschlichen Probleme. "Ich muss in meiner Arbeit als Geschäftsführer des Pächterverbandes immer häufiger feststellen, dass Pächter und Verpächter nicht oder zu wenig miteinander sprechen". Allzu oft würden bei Meinungsverschiedenheiten Anwälte eingeschaltet. Dabei würde es oft reichen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Doch weil zwischenmenschliche Klüfte oftmals nur schwer überwindbar sind, ist für Walter Herzig vor allem eines wichtig: "Egal ob Verwandte oder Fremde ein Pachtverhältnis eingehen. Eines bleibt sich gleich: Ein guter, detaillierter Vertrag ist das A und O".