LID: Herr Norer, Sie haben die Agrar-Gesetzgebung mehrerer Länder verglichen. Wie sieht es denn beim Vollzug, beispielsweise vom Agrarumweltrecht, in anderen Ländern aus?
Roland Norer: Um es vorsichtig auszudrücken: Der Vollzug ist in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU extrem unterschiedlich. Die Italiener vollziehen z.B. die EU-Nitratrichtlinie völlig anders als die Deutschen. Das ist halt eine ganz andere Kultur. Das Problem beim Agrarumweltrecht ist ja sehr oft die Kontrolle. Es gibt schliesslich kaum Umweltschutzkontrolleure, die nichts anderes zu tun haben als Gesetzesverstösse zu beobachten. Erst wenn die Gülle über den Schnee runterrinnt und der Nachbar eine Anzeige macht, wird das Gesetz vollzogen. Die EU hat deshalb einige gesetzliche Standards in die Cross Compliance hineingepackt, und den Bezug von Direktzahlungen an deren Einhaltung geknüpft. Die Kontrolleure kommen ja sowieso auf den Betrieb. Sie müssen nun halt noch das Umweltrecht mit prüfen, auch wenn sie in der Regel nur landwirtschaftlich ausgebildet sind und nicht allzu lange für die Kontrolle brauchen dürfen.
In der EU muss nur ein Prozent der Betriebe jährlich kontrolliert werden.
Norer: Dafür hat die EU sehr strenge Sanktionen. Beim kleinsten Verstoss gibt es bis zu fünf Prozent Kürzungen. Und bei vorsätzlichen Verstössen kann jemand für ein oder mehrere Jahre von einer oder mehreren Direktzahlungsregelungen ausgeschlossen werden.
Aber bei einem Prozent Kontrollquote trifft das rein theoretisch nur jede vierte Generation. In der Schweiz werden dagegen jedes Jahr etwa vierzig Prozent der Betriebe kontrolliert. Woher stammen diese Unterschiede?
Norer: Die EU zählt eher auf Abschreckung, die Schweiz macht mehr Kontrollen. Und sie setzt auf Beweislastumkehr: Der Landwirt muss selber nachweisen, dass er die Düngebilanz einhält und die Fruchtfolge macht, ganz anders als in der EU. In der Schweiz gibt es eher einen beratenden Ansatz, in der EU kommt dagegen einfach eine Verfügung und dann wird gezahlt, und zwar unabhängig vom Verschulden. Beinhart. Natürlich ist der Schweizer Ansatz der sympathischere. In Luxemburg würde er wohl auch noch sehr gut funktionieren – in Frankreich dagegen kaum. Denn da bräuchte man ja X-Leute, die nur für die Kontrolle unterwegs sind.