LID: Am 18. Juni wird die Qualitätscharta der Land- und Ernährungswirtschaft unterzeichnet. Was bringt die Charta der Schweizer Landwirtschaft?
Urs Schneider: Ein gemeinsames Bekenntnis eines grossen Teils der Land- und Ernährungswirtschaft zu einer Qualitätsstrategie ist aussergewöhnlich und stellt einen speziellen Wert dar. Wenn daraus ein Ausbau der laufenden Projekte resultiert und neue gemeinsame Initiativen entstehen, kann das den Produzenten sowie Handel und Verarbeitern helfen, den Absatz zu sichern oder gar auszubauen und ihnen einen Mehrwert für ihre Erzeugnisse bringen.
Einige Akteure betrachteten die Charta als Hilfestellung im Falle einer Marktöffnung. Die Verhandlungen über den Agrarfreihandel mit der EU sind derzeit gestoppt, eine WTO-Einigung in weiter Ferne. Wieso braucht es dennoch eine Qualitätscharta?
Die Charta ist nach unserer Auffassung kein Freipass für eine Grenzöffnung. Dem SBV und der AMS geht es vor allem darum, die Land- und Ernährungswirtschaft umfassend auf künftige Herausforderungen zu rüsten und Schweizer Qualitätsprodukte national und international besser positionieren zu können. Dies ist mit oder ohne zusätzliche Marktöffnung wichtig. Relativ offene Grenzen sind schon heute eine Realität und wenn es – gewollt oder ungewollt – weitere Öffnungsschritte gibt, ist die Charta hilfreich.
Wichtige Schweizer Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé unterzeichnen die Charta nicht. Ist die Charta zum Scheitern verurteilt, wenn wichtige Player fehlen und andere wie die Migros nur halbherzig mitmachen?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben nie erwartet, dass alle von Beginn weg bei gemeinsamen Strategien mitmachen. Die Türe steht aber offen. Wer später noch dazu stossen will, kann dies tun. Bei einem international tätigen Unternehmen wie Nestlé kann ich eine gewisse Zurückhaltung verstehen. Bei Teilen der Lebensmittelindustrie wirken Differenzen betreffend Swissness nach. Das wird sich legen. Die Migros war im ganzen Prozess involviert und unterzeichnet die Charta.
Unterzeichnung in Bern
Die "Charta zur Qualitätsstrategie der Schweizerischen Land- und Ernährungswirtschaft" wird am 18. Juni in Bern im Beisein von Bundesrat Johann Schneider-Ammann unterzeichnet. Die Unterzeichnung steht allen Unternehmen und Organisationen offen, auch eine nachträgliche Unterzeichnung ist jederzeit möglich. Verantwortlich für die Schlussredaktion der Charta war eine Kerngruppe mit AMS, Coop, Bio Suisse, SBV, Agrarallianz, Fromarte, Migros Genossenschafts-Bund, und der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz. Die Arbeiten an der Charta dauerten rund zwei Jahre. Belastet hat den Ausgestaltungsprozess unter anderem die Swissnessdebatte. Auch ob die Charta nur im Falle von zusätzlichen Marktöffnungen benötigt wird, war und ist umstritten.
Die Charta kann unter www.qualitaetsstrategie.ch eingesehen werden.
Die Schweiz hat das Image als Land mit hohen Qualitätsstandards bei Lebensmitteln. Braucht der Konsument noch zusätzlich eine Charta, die das bekräftigt?
Der Schweizer Konsument legt einen sehr hohen Wert auf Qualität und Sicherheit. Es ist wertvoll, dass die Konsumentenorganisationen mit der Unterzeichnung der Charta ihre Erwartungen an die Schweizer Produktion zum Ausdruck bringen und damit auch die Bereitschaft zeigen, einheimische Qualitätsprodukte zu bevorzugen.
Einige Punkte wie die Verwendung einer gemeinsamen Dachmarke sind noch offen. Wie geht es in diesem Bereich weiter?
Das ist als Ziel formuliert. Da wartet noch Arbeit und der Strategische Ausschuss und alle Beteiligten sind in diesem Bereich gefordert. Für uns ist wichtig, dass eine allfällige Dachmarke bis zum Verkaufspunkt eingesetzt wird. Vielleicht kann man auf Bestehendem aufbauen.
Zur Person
Urs Schneider ist Präsident von Agro-Marketing Suisse (AMS) und stellvertretender Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV). AMS und der SBV gehören beide der Kerngruppe an, die für die Schlussredaktion der Qualitätscharta verantwortlich war.
Als Dachmarken sind das Edelweiss von Schweiz Tourismus und Suisse Garantie im Gespräch. Was spricht für die AMS-Herkunftsmarke Suisse Garantie?
Suisse Garantie könnte – muss aber nicht – dieses "Bestehende" sein. Suisse Garantie ist ein Herkunftszeichen und eine Dachmarke. Das Zeichen hat sich gut etabliert, steigert die Bekanntheit permanent und entwickelt sich positiv. Wir wollen aber nicht vorprellen und andere Bedürfnisse übergehen, zudem gäbe es rechtliche Aspekte zu klären.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
