Schon vor Weihnachten hatten sich Milchbauern und Verarbeiter in der Branchenorganisation Milch (BO Milch) nicht auf einen neuen Richtpreis für Molkereimilch einigen können. Und auch in der Sitzung vom 28. Januar gab es keine Einigung, so dass im Milchmarkt weiterhin, nämlich bis Ende März, der Richtpreis von 62 Rappen pro Kilogramm gilt. Gesenkt wurde hingegen der so genannte Mengenindex, mit dem die Milchmengen geregelt werden, von 103,6 auf 100 Prozent. Die regionalen Händler müssen ihre Milchmengen nun von Anfang März bis Ende Juni um 3,6 Prozent reduzieren. Die für das laufende Jahr vertraglich gesicherte Gesamtmilchmenge liegt 3,6 Prozent über der Basismenge von 2009.
Wut auf die BO Milch
Die Enttäuschung der Milchbauern über den Nullentscheid ist gross, die Reaktionen sind massiv (s. Kasten). Sie und ihre Verbände hatten auf eine Erhöhung gehofft, weil in der EU die Milchpreise seit dem Sommer 2009 wieder anziehen und weil auch der vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) errechnete Milchpreisindex ansteigt. Die Verarbeiter hingegen argumentierten, die Butterlager seien immer noch zu gross, eine Erhöhung des Richtpreises setze hier falsche Anreize.
Tatsächlich ist die BO Milch zwar paritätisch mit Vertretern der Milchproduzenten und der Verarbeiter besetzt. Unter den Milchproduzentenvertretern gibt es aber zwei, nämlich Roland Werner von der Thur Milch AG und Walter Arnold, die unter den Milchhandelsorganisationen eine konsequente Konkurrenzstrategie fahren und deren Argumente sich oft mit denen der Verarbeiter decken. Gemeinsam mit René Schwager, dem Geschäftsführer der Nordostmilch AG, haben sie eine Sperrminorität, denn laut den BO Milch-Statuten muss sowohl unter den zehn Produzentenvertretern wie auch unter den zehn Verarbeiter- und Handelsvertretern eine Dreiviertelsmehrheit zustande kommen. Gegen eine Richtpreiserhöhung waren dann aber auch die Vertretern von Migros, des Verarbeiters Hochdorf und der Käser.
Gross ist die Enttäuschung auch bei der Dachorganisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Aus ihrer Sicht ist das Problem, dass die Instrumente, auf die man sich im letzten Jahr geeinigt habe, nicht konsequent angewendet würden. "Den Butterberg von 8‘000 Tonnen kann man nicht mit einem tieferen Milchpreis auf der gesamten Menge abbauen”, sagt SMP-Sprecher Christoph Grosjean-Sommer. "Sondern indem die Vertragsmilchmenge auf die effektive Nachfrage hinunter gekürzt wird, und sämtliche Milch, die darüber hinaus produziert wird, über die Börse verkauft und abgeräumt wird.” Wenn die Vertragsmenge so der effektiven Nachfrage entspreche, dann könne man auch den Richtpreis anhand des BLW-Milchpreisindexes erhöhen. Eine entsprechende Paketlösung mit einer Mengenkürzung auf 98 Prozent und einer Richtpreiserhöhung um 2,5 Rappen wurde aber ebenso abgelehnt wie alle anderen Kompromissvorschläge, sagt Grosjean-Sommer.
Bauern sind von der BO Milch enttäuscht
wy. Im Internetforum des "Schweizer Bauer” werden die Verarbeiter seit dem Entscheid der BO Milch mit Kraftausdrücken eingedeckt, viele regionale und kantonale Bauernverbände reagierten mit scharfen Communiqués auf das Ergebnis der BO Milch-Vorstandssitzung vom 29. Januar. Der Schweizerische Bauernverband schrieb, es könne nicht sein, dass die Bauern von positiven Marktentwicklungen nicht auch profitieren könnten. Die Basisorganisation BIG-M kritisierte, dass die versprochene Bindung des Milchpreises an das Indexsystem sich nun als leere Worthülse entlarve. Die Konsequenz müsse deshalb sein, dass die BO Milch wieder aufgelöst werde. Auch die SVP forderte, dass die Auflösung der BO Milch geprüft werde. Sie sei weder fähig noch willens, die Misere auf dem Milchmarkt zu beenden.Streit um Prozente
"Die Paketlösung der SMP wurde in der BO Milch schon innerhalb der Produzentenvertreter abgelehnt”, stellt Lorenz Hirt, Geschäftsführer der Vereinigung der Schweizer Milchindustrie (VMI), klar. Die Verarbeiter hätten ursprünglich eine noch stärkere Mengenreduktion auf 95 Prozent vorgeschlagen, dann hätte man über eine Richtpreiserhöhung diskutieren können. Das sei von der Produzentenseite aber auch abgelehnt worden. Letztlich sei der BO Milch-Vorstand auch deshalb mit dem Mengenindex nicht unter 100 Prozent gegangen, weil sonst die 80/20-Regel zur Anwendung gekommen wäre: 80 Prozent der gekürzten Menge müssten die regionalen Handelsorganisationen ihren Milchproduzenten so auf den gewährten Mehrmengen kürzen, 20 Prozent bei den angestammten Lieferrechten. Die Umsetzung dieses Mechanismus wäre für die regionalen Händler schwierig und kompliziert. Auf keinen Fall aber könne man bei 100 Prozent noch den Richtpreis um drei Rappen erhöhen, sagt Hirt: "Wir haben ein Mengenproblem. Für den Abbau der Butterlager muss die ganze Branche Mittel bereitstellen.”
In der BO Milch geht so der alte Streit weiter: Soll die Milchmenge möglichst stark nach Wertschöpfungskanälen segmentiert und der Milchpreis dort wo es möglich ist, hochgehalten werden – oder muss ohnehin das ganze Milchpreisniveau noch näher in Richtung EU-Niveau? Für letzteres ist Jacques Gygax, Direktor der Käserverbandes Fromarte: "Eine Erhöhung des Richtpreises wäre ein falsches Signal gewesen. Bei der Umsetzung hätten die Verkaufspreise für Molkereiprodukte und Käse erhöht werden müssen. Für den Käse ist dies nicht möglich, wir verlieren zu den jetzigen Preisen schon Marktanteile.” Für ihn seien die 100 Prozent und der gleich bleibende Richtpreis schon eine Art Kompromiss, der seiner Ansicht nach nicht den Marktrealitäten entspreche. "Die Preise in der EU sind seit Januar schon wieder gesunken.”
SMP lässt nicht locker
Die SMP will mit nun mit den Gegnern von Mengenkürzung und Preiserhöhung das Gespräch suchen, wie Grosjean-Sommer sagt. "Wir werden einmal mehr die Fakten aufzeigen und versuchen, den ‚Knopf‘ zu lösen.” Das Ziel sei, an einer Vorstandssitzung im Februar auf die Entscheide von Ende Januar zurückzukommen. Wenn der Mengenindex nicht um einige Prozente auf unter 100 reduziert werde, dann fielen 2010 wiederum 8‘000 Tonnen Butter an, die niemand wolle. "Wir setzen alles daran, dass die Instrumente der BO Milch ihre Wirkung entfalten können und in erster Linie die Verursacher dieser Überschüsse zur Rechenschaft gezogen werden”, sagt Grosjean-Sommer.
