Mit den automatischen Melksystemen, im Volksmund Melkroboter genannt, werden die letzten Arbeiten beim Melken vom Menschen unabhängig: Der Roboter kann auch die Zitzen putzen und das Aggregat anhängen. Die Folge: Die Kühe können sich vom Roboter jederzeit melken lassen - ohne dass Bäuerin oder Bauer im Stall sind.
Begonnen hat die Rationalisierung des Melkens in der Schweiz in den 1950er-Jahren mit der Melkmaschine, die das eigentliche Melken erledigte. Der Bauer musste aber immer noch die Zitzen reinigen, das Melkaggregat ansetzen, den Zeitpunkt erwischen, wann keine Milch mehr aus dem Euter fliesst, das Aggregat abhängen und die gemolkene Milch aus dem Stall tragen. Alle diese Schritte wurden ab 1980 nach und nach automatisiert. Mit der Rohrmelkanlage floss die Milch direkt von der Kuh in den Tank und in modernen Melkständen überwacht die Maschine den Melkfluss und hängt das Aggregat selbständig ab.
Nur mit Hochleistungskühen genug Milchmenge
Die neue Technik hat aber ihren Preis: Wirtschaftlich lohnt sich der Melkroboter erst bei einem Milchkontingent von rund einer halben Millionen Kilogramm pro Jahr. Das zeigt eine Untersuchung der Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT) in Tänikon TG. Ein so hohes Kontingent hatten im Milchjahr 2000/2001 lediglich 16 Bauern, dazu hatten 67 Betriebe ein Kontingent zwischen 350,000 und 500,000 Kilogramm Milch.
Rund eine halbe Million Kilogramm Milch braucht es, weil der Roboter - eine zirka ein Meter breite und drei Meter lange Box - rund eine Viertel Million Franken kostet, so viel wie ein mittlerer Mähdrescher. Das Resultat hat Robert Kaufmann, Leiter der Agrartechnik an der FAT und Mitautor der Studie nicht überrascht: „Neue Techniken sind immer teuer.“ Beim Melkroboter müssten zum einen über vorerst kleine Serien die hohen Entwicklungskosten wieder hereingeholt werden. Weltweit sind heute schätzungsweise zwischen 1,000 und 1,700 Roboter in Betrieb, davon rund 20 in der Schweiz. Zum anderen stecke in den Melkrobotern eine ausgeklügelte Sensorik. Denn der Roboter muss ja einen Teil der Beobachtungsgabe des Melkers übernehmen. „Auch muss die Maschine rund um die Uhr betriebsbereit sein und ein qualitativ hochstehendes Lebensmittel gewinnen“, ergänzt Kaufmann. Und das in einem nicht gerade technikfreundlichen Umfeld: in einem relativ feuchten, staubigen Stallklima mit Ammoniak in der Luft. Diese Anforderungen wirken sich auch im Betrieb aus: Der Roboter braucht fünf- bis zehnmal so viel Spülwasser wie ein Melkstand, drei- bis fünfmal so viel Strom und doppelt bis viermal so viel Reinigungsmittel.
Eine halbe Million Kilogramm Milch pro Jahr kann der Roboter jedoch nur melken, wenn die Kühe eine entsprechend hohe Milchleistung haben. Geben die Kühe im Durchschnitt 6,000 Kilogramm Milch pro Jahr, kann der Roboter laut FAT pro Jahr nicht mehr als 400,000 Kilogramm melken. Neben den Hochleistungskühen braucht es ein ausgeklügeltes Management. So muss zum Beispiel das Kraftfutter noch gezielter der Milchleistung angepasst und bei der Zucht berücksichtigt werden, dass die Kuheuter Melkroboter-tauglich sind. Will man die Kühe zudem weiden, muss der Weg zur Weide kurz sein und die Kühe müssen mit Futter zum Melken gelockt werden. Sonst ist der Roboter zu wenig ausgelastet und noch weniger rentabel.
Die hohen Anschaffungskosten schlagen sich in den Melkkosten nieder: Diese sind nach Berechnungen der FAT zwei- bis dreimal so hoch wie bei konventionellen Systemen. Bei nur 200,000 Kilogramm Milchkontingent steigen die Melkkosten auf 22 Franken pro 100 Kilogramm Milch, bei 500,000 Kilogramm Kontingent liegen sie bei neun Franken pro 100 Kilogramm.
Tier&Technik zum zweiten
LID. Vom 28. Februar bis zum 3. März öffnet zum zweiten Mal die „Tier&Technik“, die Internationale Fachmesse für Nutztierhaltung, landwirtschaftliche Produktion, Spezialkulturen und Landtechnik auf dem OLMA-Gelände in St. Gallen ihre Tore. Die Messeleitung verspricht „einen umfassenden Überblick über neue Techniken und Trends in der Tierzucht, der Milch- und Fleischproduktion und für Spezialkulturen“. 240 Aussteller präsentieren Maschinen und Einrichtungen. Dazu sind alle wichtigen Rinderrassen (Milchkühe und Fleischrassen) der Schweiz während der ganzen Messedauer ausgestellt. Schwerpunkt bildet dabei die 10. Internationale Ausstellung und Auktion der Interessengemeinschaft der Brown-Swiss-Züchter (IGBS) mit 120 Kühen. Ferner sind Schweine und Schafe zu sehen, spezielle die französische Schafrasse „Ile de France“.
Parallel zu Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm mit Vorträgen, jeweils um 10.30 Uhr. Die Wirtschaftlichkeit des Melkroboters wird am Samstag diskutiert. Am Freitag stehen die Schweine im Mittelpunkt und am Sonntag der Obstbau. Die Schweizer Eierproduktion ist Thema am Samstag Nachmittag um 14 Uhr.
Die Tier&Technik ist vom 28. Februar bis zum 3. März täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Der Schauwettbewerb der IGBS findet am Freitag, 1. März von 20 bis 22 Uhr in der Halle 9.0 statt. Weitere Infos im Internet unter www.olma-messen.ch/tt_ind.html
Mehr Freiheit wird höher gewichtet
Mit wirtschaftlichen Vorteilen ist heute der Kauf eines Melkroboters deshalb kaum zu erklären. „Der Komfortaspekt wird stärker gewichtet“, meint Kaufmann dazu und auch das erstaunt ihn nicht. So hätten heute auch Bauern mit zehn Kühen eine Melkmaschine, obwohl es vielleicht wirtschaftlicher wäre, die Kühe von Hand zu melken. Auch die starke Verbreitung selbstfahrender Zweiachsmäher im Berggebiet lasse sich mit wirtschaftlichen Argumenten kaum erklären.
Konkret fallen dank dem Melkroboter die fixen Melkzeiten weg. Der Bauer kann zum Beispiel das Heu noch fertig einbringen, den Acker zu Ende pflügen und am Abend im Stall vorbeischauen oder am Sonntag morgen einmal ausschlafen. Vorteilhaft ist auch, dass kaum mehr Arbeit anfällt, wenn die Bauernfamilie den Betrieb vergrössert und mehr Milchkühe hält.
Nicht zuletzt muss die Bauernfamilie weniger Zeit im Stall verbringen. Die Einsparung hält sich aber in Grenzen: Gut ein Viertel der Arbeitszeit lässt sich mit dem Roboter einsparen, aber erst bei mehr als 35 Kühen. Denn auch wenn das Melken automatisch erledigt wird, der Bauern muss dennoch regelmässig in den Stall, die Kühe beobachten und vor allem die Datenmenge bewältigen, die der Computer aufzeichnet. „Es gibt nicht nur Einsparungen, sondern eine Verlagerung der Arbeit“, fasst Kaufmann zusammen - und das stelle neue Anforderungen an die Bauern. Und nicht zuletzt: Pannen sind nicht auszuschliessen und diese müssen unmittelbar behoben werden, auch wenn es mitten in der Nacht ist.
Gesparte Arbeitszeit müsste vergoldet werden
Hier schliesst sich der Kreis zur Wirtschaftlichkeit: Diese hängt entscheidend davon ab, was die Bauernfamilie in den eingesparten Stunden verdient. Laut FAT müssten es rund 50 Franken sein, wenn 400,000 Kilogramm Milch gemolken werden bei einer Leistung von 6,000 Kilogramm pro Kuh. Bei einer Leistung von 8,000 Kilogramm müsste die Familie pro gesparte Stunde sogar 100 Franken verdienen. Bleibt aber noch ein entscheidender Vorteil: Die Entlastung durch den Roboter lässt sich mit genügend Geld kaufen. Einen Melker zu finden, gestaltet sich dagegen schwieriger.
Reportage von einem Hof mit Melkroboter in „Melkroboter: „Die Kühe haben sich rascher daran gewöhnt als wir“ im LID-Mediendienst Nr. 2524 vom 12. Juli 2001.
Forschungsresultate der FAT im FAT-Bericht Nr. 579/2001, „Automatisches Melken“.