Obwohl immer mehr und oft billigere Lebensmitteln aus aller Welt in Schweizer Geschäften erhältlich sind, erfreuen sich einheimische Produkte in den letzten Jahren wieder zunehmender Beliebtheit. Die geographische Nähe allein macht’s jedoch nicht aus: Schweizer Produkte müssen sich durch Qualität und ideelle Güter wie Erlebniswert und "ethische" Produktion von der ausländischen Konkurrenz abheben, damit die Konsumenten den höheren Preis dafür zu zahlen bereit sind. Und vor allem: Diese Werte wie auch die Herkunft müssen kontrollierbar sein. So lautet das Fazit einer von der AMS Agro-Marketing Suisse unter dem Motto "Alles Gute wächst so nah – Schweizer Agrarprodukte im Trend" durchgeführten Tagung an der Berner Frühjahrsmesse BEA. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und werden sie klar kommuniziert, stehen die Chancen für Schweizer Landwirtschaftsprodukte aber auch bei offeneren Märkten durchaus gut, waren die anwesenden Fachleute sich einig.
Der Befund des in diesem Jahr zum zweiten Mal durchgeführten BEA Agrarforums ist für die Schweizer Bauern von besonders aktueller Bedeutung, weil sie seit Jahresbeginn – und im Milchbereich ab dem 1. Mai – nicht mehr im bisherigen Ausmass auf staatliche Unterstützung am Markt zählen können. Durch die neue Agrarpolitik AP 2002, die keine Preis- und Absatzgarantien mehr kennt und die finanzielle Preisstützung sukzessive abbaut, sind sie stärker als bisher selbst verantwortlich für die Vermarktung ihrer Produkte. Gleichzeitig sehen sie sich im Zuge des Gatt/WTO-Abkommens und voraussichtlich des bilateralen Agrarabkommens mit der EU einer von Jahr zu Jahr wachsenden Konkurrenz durch Importprodukte ausgesetzt, die oft billiger sind und teilweise mit geringeren Anforderungen an Ökologie und Tierhaltung erzeugt werden. Um sich in diesem Umfeld zu behaupten, suchen sie nach Wegen, der Konsumentenschaft die auf ihren Höfen und Äckern produzierten Lebensmittel schmackhaft zu machen.
Frische Produkte und geringer Energieverbrauch
Der Hinweis auf die Herkunft ist eine der Strategien, welche die Landwirte und ihre gemeinsame Marketing-organisation AMS dabei verfolgen. Die geographische Nähe von Produktions- und Verkaufsort verspricht Frische und aufgrund der kurzen Transportwege ökologische Vorteile. Beides wird von den Konsumentinnen und Konsumenten auch tatsächlich nachgefragt. So hat Gyula Sövegjarto vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut DemoScope einen starken Trend zu eigentlichen Frischprodukten und zu sogenannten frischen Fertiggerichten ausgemacht. Aus diesem Grund zeigte er sich am BEA Agrarforum überzeugt: "Ein Grossteil der Bevölkerung bevorzugt einheimische Erzeugnisse." Dass der Energieverbrauch beim Einkaufsentscheid eine Rolle spielen kann, bestätigte Katharina Hasler: "Kritische Konsumentinnen und Konsumenten wollen energiebewusst einkaufen," hielt die Präsidentin des Konsumentenforums (kf) fest. Und weil es leicht einzusehen sei, dass die Ökobilanz eines Produktes um so schlechter ausfalle, je weiter und damit energieaufwendiger der Transport sei, "ist die Herkunftsdeklaration der Produkte ein wichtiges Kriterium, das den ökologischen Einkauf erleichtert," meinte Hasler.
Nur Mehrwert rechtfertigt Mehrpreis
Frische und günstige Energiebilanz allein motivieren die Konsumentenschaft jedoch noch nicht zu herkunftsorientiertem Einkaufen. "Das Argument ‚aus der Region‘ als alleiniges Qualitätsmerkmal reicht oft nicht mehr aus", meinte Hasler. Hauptgrund dafür sind die oft höheren Preise der Schweizer Produkte. Und weil Lebensmittel heute einer der wenigen flexiblen Posten in den Haushaltsbudgets sind und die angebotenen Produkte sich auf den ersten Blick oft nur durch den Preis unterscheiden, verhalten sich viele Konsumenten beim Einkaufen "äus-serst preisbewusst," wie Katharina Hasler zu bedenken gab. Die Konsequenz für Anbieter von Schweizer Agrarprodukten: Die höheren Preise müssen durch Mehrwerte gerechtfertigt sein. Diese können sowohl in der Qualität als auch in ideell-emotionalen Werten liegen. Der Konsument will emotional angesprochen werden, Einkaufen muss – etwa am Marktstand oder auf dem Hof – ein Erlebnis sein, die Produktionsweise muss gewissen "ethischen" Anforderungen bezüglich Ökologie und Tierhaltung genügen. Kurz: "Um sich wirkungsvoll von der Konkurrenz abzugrenzen," so die kf-Präsidentin, "muss sich das Produkt durch Zusatzleistungen ein eigenständiges und unverwechselbares Profil geben."
Labels müssen glaubwürdig sein
Mit Labels können der Konsumentenschaft solche Zusatzleistungen vermittelt werden. Allerdings: Labels müssen glaubwürdig sein. Katharina Hasler verdeutlichte dies am Beispiel des Bio-Booms: "Viele Konsumenten sind bereit, einen Mehrpreis zum Beispiel für biologische Lebensmittel zu zahlen. Sie wollen sich aber darauf verlassen können, dass diese Produkte nach strengen, anerkannten Richtlinien erzeugt werden." Nicht anders sei dies bei regionalen Produkten: Die Herkunft müsse kontrolliert sein. "Nur so weiss der Konsument, dass er ein frisches, authentisches und gesundes Lebensmittel kauft, einheimisches Schaffen unterstützt und widersinnige Transporte vermeidet."
Bei Fällen von Missbrauch oder Falschinformation schwinde das Vertrauen des Konsumenten in das entsprechende Label. Die Konsumenten fühlten sich getäuscht, wenn es sich etwa bei "Bündnerfleisch" um Binden aus Argentinien oder beim "Basler Kirsch" um Kirschen aus Ungarn handle. Dabei sind die verschiedenen Labels punkto Glaubwürdigkeit sogar voneinander abhängig, wie Hasler andeutete: Misstrauen, das gegenüber einem bestimmten Label bestehe, werde möglicherweise auf alle andern übertragen. Das kf sähe es deshalb lieber, die etablierten Labels würden klar definiert und kontrolliert, statt dass immer neue Labels geschaffen werden. Bei ver- oder bearbeiteten Lebensmitteln beispielsweise, die als Schweizer Produkt verkauft werden, müsse der Konsument sich darauf verlassen können, dass mindestens 75 % der Bestandteile aus Schweizer Produktion stammen.
Es gibt keinen Einheitskonsumenten
Doch auch wenn diese Anforderungen erfüllt sind: Unbeschränkt werden die Bäume für deklarierte und kontrollierte Schweizer Produkte nicht in den Himmel wachsen. Denn der moderne Konsument ist ein widersprüchliches Wesen, der Trend zu einheimischen Produkten ist nur einer unter vielen. So ist laut dem Marktforscher Gyula Sövegjarto auch das Interesse an ausländischen Produkten nach wie vor stark, und immer mehr sind Fertiggerichte und Functional Food gefragt. Paul Kaelin vom SV-Service beschrieb den heutigen Konsumenten so: "Er bewegt sich zwischen der anonymen Schnellverpflegung am Mittag und einem genussvollen Essen am Abend. Am Mittag legt er Wert auf ein schnelles Take-away-Angebot, und am Abend verlangt er vermehrt ausführliche Informationen zum Angebot auf dem Teller". Bis im Jahr 2005, so glaubt Kaelin, wird sich eine Esskultur unter dem Motto "sowohl als auch" etabliert haben.
Dabei verhalten sich die einzelnen Konsumenten immer unterschiedlicher. Die technologische Entwicklung sowie wirtschaftliche und soziale Veränderungen wie wechselnde Arbeitszeiten, neue Familienformen und die starke Zunahme der Einpersonenhaushalte führen zu einer Aufsplittung der Bevölkerung in immer mehr und immer kleinere Gruppen. "Den Einheitskonsumenten gibt es nicht," brachte Katharina Hasler das Phänomen auf den Punkt.
Differenziertes Marketing
Für Sövegjarto bedeutet dies, dass die verschiedenen Käuferschichten mit einem differenzierten Marketing – je nach Zielgruppe auch mit einer anderen Terminologie – für einheimische Produkte "gewonnen" werden müssen. Zum Beispiel: Ist für die einen der Begriff "einheimisch" grundsätzlich gleichbedeutend mit Frische, verstehen andere darunter vor allem eine natürliche oder naturgerechte Produktion. Und eine dritte Gruppe denkt dabei eher an kurze Transportwege.
100 Rezepte aus dem "Schlaraffenland Schweiz"
rp. Heimische Lebensmittel geniessen und gleichzeitig Wissenswertes über die Schweizer Landwirtschaft erfahren: Dies ist jetzt in der eigenen Küche möglich. Unter dem Titel "Schlaraffenland Schweiz" ist erstmals ein Kochbuch erschienen, das nicht nur Rezepte mit Schweizer Produkten enthält, sondern durch Fotoreportagen auch Einblicke in ihre Herkunft und Produktion gewährt.
Der grossformatige Band enthält 100 einfallsreiche Kochideen rund um Gemüse, Milchprodukte, Fleisch, Geflügel, Käse, Eier, Kartoffeln, Getreide, Pilze, Rapsöl, Obst und Beeren aus einheimischer Produktion. Auf den 288 Seiten findet sich zu jedem Produktbereich eine spannende Reportage über Hintergründe, Herstellung und das, was die hohe Qualität der Schweizer Spezialitäten ausmacht. Detaillierte Produktinformationen vermittelt die daran anschliessende Warenkunde. Herausgegeben wird das Buch durch die AMS Agro-Marketing Suisse, einem Zusammenschluss von landwirtschaftlichen Organisationen der Schweiz. Die Autoren der vielfältigen Rezepte sind Armin Zogbaum aus Zürich und Bruno Wüthrich aus Spiez; die Reportagen stammen von Peter Mosimann (Bern), und die Grafik von Polyconsult (Bern). Fotografiert wurden die Rezepte von Jules Moser (Bern).
Das umfangreiche Kochbuch "Schlaraffenland Schweiz" bildet jedes Rezept ab und ist sorgfältig gestaltet. Das Buch gibt es in Deutsch und Französisch im Buchhandel oder direkt bei den Schweizer Milchproduzenten SMP, einer Organisation der AMS Agro-Marketing Suisse.
"Schlaraffenland Schweiz". 100 Rezepte auf 288 bebilderten Seiten. Herausgegeben von AMS Agro-Marketing Suisse. Bis zum 21. Oktober 1999 ist es zum Subskriptionspreis von 29 Franken (inkl. MwSt) erhältlich, anschliessend kostet es 35 Franken; dazu kommen jeweils noch 4.50 Versandkostenanteil Bestelladresse: Schweizer Milchproduzenten SMP, Buchverlag, 3024 Bern. Tel. 031/359 57 28, Fax 031/359 58 55.