120 Franken pro Kuh, 180 Franken pro Schweine- und 240 Franken pro Geflügel-Grossvieheinheit: Soviel erhält ein Bauer heute jährlich vom Bund, wenn er die entsprechenden Tiere nach den Regeln der Kontrollierten Freilandhaltung (KF) hält. Für einen Bestand von beispielsweise 20 Kühen macht der Jahres-Zuschuss aus der Bundeskasse demnach 2,400 Franken aus. Beträge, bei denen kaum jemand ins Schwärmen kommt.
Doch das ist immerhin doppelt soviel als noch 1995, und dieser Unterschied bewirkte innert zwei Jahren eine fast anderthalbfache Zunahme der Beteiligung am KF-Programm. Erfreute sich 1995 nur rund jedes zehnte landwirtschaftliche Nutztier der Vorzüge der kontrollierten Freilandhaltung, so ist es im laufenden Jahr nach Schätzungen des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) bereits jedes vierte Tier. Diese Entwicklung belegt nicht nur die Wirksamkeit der staatlichen Anreizmassnahmen, sondern auch den Willen vieler Bäuerinnen und Bauern, die Anliegen einer tierfreundlichen Haltung ernst zu nehmen, sobald dies für sie wirtschaftlich einigermassen tragbar erscheint, wie BLW-Vertreter anlässlich einer Pressefahrt im Kanton Freiburg meinten.
Laufhöfe und Laufställe kosten Geld
Wichtigstes Hemmnis zur Umstellung auf tierfreundliche Haltungssysteme, die über die Mindesanforderungen des Tierschutzes hinausgehen, sind nämlich nach wie vor die hohen Investitionskosten, die manchen Bauernbetrieb finanziell überfordern. So muss bei KF für Kühe und Kälber ein Laufhof im Freien errichtet werden, in dem die Tiere bei schlechtem Wetter und während des Winters, wenn sie nicht auf die Weide gebracht werden können, an einer bestimmten Anzahl Tage Auslauf haben müssen. Bei der Besonders tierfreundlichen Stallhaltung (BTS), dem zweiten Programm des Bundes zur Förderung der tiergerechten Nutztierhaltung, fällt der Bau eines Laufstalles ins Gewicht, der je nach Ausstattung mit Kosten von 300 bis 400 Franken pro Kuh-Liegeplatz verbunden ist. Der Bund unterstützt die Umstellung unter bestimmten Bedingungen zwar mit Investitionshilfen; doch die Abschreibung solcher Bauten belastet die Betriebsrechnung oft während 10 bis 20 Jahren. Ausserdem bedingen tierfreundliche Haltungssysteme in der Regel auch eine Anpassung der Arbeitsabläufe und einen höheren Arbeitsaufwand. Ohne Unterstützung wären die wirtschaftlichen Nachteile für die meisten Bauern deshalb zu gross, um ihre Produktionsweise nach dem "Glück" der Tiere auszurichten.
Kontrollierte Freilandhaltung (KF)
LID. Beim KF-Programm geht es darum, den Nutztieren möglichst viel Aufenthalt im Freien zu gewähren. Für die Unterbringung im Stall gelten im wesentlichen die Vorschriften der Tierschutzgesetzgebung, die auch bei der herkömmlichen Nutztierhaltung eingehalten werden müssen.
Kühe und Kälber müssen vom Frühjahr bis Herbst täglich (ausser sonntags) auf die Weide, bei schlechtem Wetter in einen Laufhof gelassen werden. Im Winter müssen sie an mindestens 13 Tagen pro Monat in den Laufhof geführt werden. Kälber müssen dann nicht geweidet werden, wenn ihnen während des ganzen Jahres ein permanent zugänglicher Laufhof zur Verfügung steht. Der Liegebereich im Stall muss mit ausreichender und geeigneter Einstreu oder weichem, verformbarem Material ausgestattet sein. Aufzuchtkälber sind ab der 3. Lebenswoche bis zum 4. Monat in Gruppen oder in Iglus mit Sichtkontakt zu ihren Artgenossen zu halten. Für Mastschweine wird ein täglicher Auslauf gefordert. Legehennen müssen vom 43. Lebenstag an jeweils ab Mittag Zugang zu einer Weide mit Zufluchtsmöglichkeiten wie Bäume, Sträucher oder Unterstände haben; bei schlechtem Wetter sind Einschränkungen möglich. Ausserdem muss mindestens 20 Prozent der vorgeschriebenen Mindeststallfläche eingestreut sein.
Die Bundesbeiträge betragen für Rauhfutterverzehrer 120, für Schweine 180 und für Geflügel 240 Franken pro Grossvieheinheit (GVE) und Jahr. Beispiele: Bei 20 Kühen ergibt das 2,400 Franken, bei 60 Legehennen 144 Franken und bei 60 Mastschweinen 1,836 Franken pro Jahr.
Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS)
LID. Beim BTS-Programm gelten insbesondere strengere Vorschriften für die Stallhaltung, die über die Anforderungen der Tierschutzgesetzgebung hinausgehen.
Kühe und Mastkälber dürfen im Stall nicht fixiert (nicht angebunden) sein und müssen über mindestens zwei separate Bereiche zum Liegen bzw. Fressen/Laufen verfügen. Die Liegefläche muss weich und für das Tier gleichwertig zu einer Strohmatratze sein. Mastkälber können anstelle des Mehrflächen-Systems auch auf einer einzigen Fläche gehalten werden; diese muss aber eingestreut sein. Vorgeschrieben ist ferner die Beleuchtung des Stalls durch Tageslicht von mindestens 15 Lux Stärke; nur im Ruhe- oder Rückzugsbereich ist eine geringere Lichtstärke zulässig.
Die Bundesbeiträge betragen für Rauhfutterverzehrer 60, für Schweine 90 und für Geflügel 120 Franken pro Grossvieheinheit (GVE) und Jahr. Beispiele: Für 23 Kühe erhält der Bauer 1,380 Franken, für 80 Mastkälber 480 Franken pro Jahr.
Zwei Förderprogramme
1993 begann der Bund deshalb, die Umstellung auf tierfreundliche Haltungssysteme mit finanziellen Anreizen zu fördern. Inzwischen gibt es zwei Programme, an denen die Landwirte sich beteiligen können und die zum Bezug von Beiträgen aus der Bundeskasse berechtigen: Einerseits das KF-Programm, mit dem seit 1993 der regelmäs-sige Aufenthalt von landwirtschaftlichen Nutztieren im Freien gefördert wird, und andererseits das BTS-Programm, das seit 1996 besondere Leistungen im Stall honoriert. Die beiden Programme können auch kombiniert und die entsprechenden Beiträge kumuliert werden.
Der Umstellungseffekt blieb freilich vorerst bescheiden: Die Beteiligung am KF-Programm stieg in den ersten beiden Jahren nur gerade um 4 Prozent von 6,6 auf 10,6 Prozent aller landwirtschaftlichen Nutztiere. Laut Conrad Widmer, beim BLW für den Bereich Ökologische Direktzahlungen zuständig, waren die Beiträge damals absichtlich niedrig angesetzt. "Wir wollten zuerst Erfahrungen sammeln. Zu hoch angesetzte Beiträge hätten nachher politisch nur schwierig wieder nach unten korrigiert werden können," erklärt er die anfängliche Zurückhaltung des Bundes. Aufgrund der lauen Begeisterung habe das BLW dann aber gehandelt: Eine erste bescheidene Erhöhung der Beiträge wurde schon zwischen 1993 und 1995 vorgenommen - immer noch mit geringem Erfolg. Im vergangenen Jahr erfolgte dann ein markanterer Schub: Für Rinder, Schweine und Geflügel wurden die Zuschüsse verdoppelt, für die übrigen rauhfutterverzehrenden Nutztiere gar vervierfacht. Und dieser zweite Schub zeigte Wirkung. Heute kommen bei Rauhfutterverzehrern und Geflügel immerhin zwischen 21 und 28 Prozent der Tiere in den Genuss der KF; einzig bei den Schweinen bleibt die Beteiligung mit 3,8 Prozent weiterhin tief. In besonders tierfreundlichen Stallhaltungssystemen (BTS), für die seit 1996 Beträge von 60 (Rauhfutterverzehrer), 90 (Schweine) bzw. 120 (Geflügel) Franken pro GVE bezahlt werden, leben 1997 rund 9 Prozent der Nutztiere.
Labelproduktion als weiterer Anreiz
Ob diese finanziellen Anreize jetzt ausreichen, um das Ziel des Bundes zu erreichen (rund 50 Prozent des Tierbestandes in KF oder BTS), bleibt allerdings abzuwarten. Verschiedene Fachleute äussern Skepsis, und der Schweizer Tierschutz (STS) forderte jüngst eine weitere Erhöhung der Beiträge. Fest steht bisher jedoch nur die Absicht des Bundes, die beiden Programme für tierfreundliche Haltung auch in der neuen Agrarpolitik (AP 2002) weiterzuführen. Die Einhaltung der Tierschutzvorschriften wird dann Teil des ökologischen Leistungsnachweises sein, ohne den keine Direktzahlungen bezogen werden können. Wer sich also nicht ans Tierschutzrecht hält, wird inskünftig nicht nur gebüsst, sondern von den Direktzahlungen ausgeschlossen oder mit Abzügen bestraft.
Andererseits stehen den Bauern aber noch andere Wege offen, den Wirtschaftlichkeitsgrad der tierfreundlichen Produktion zu erhöhen: Wenn sie einen Schritt weitergehen und die noch etwas strengeren Tierhaltungsvorschriften eines Label-Programms erfüllen, schlägt sich der entsprechende Mehraufwand in höheren Preisen nieder. "Auch die Konsumentinnen und Konsumenten können einen massgeblichen Beitrag leisten, indem sie den entsprechenden, mit Labeln gekennzeichneten Produkten den Vorzug geben," meinte dazu BLW-Direktor Hans Burger.