Seit dem 1. Juli ist das revidierte Mineralölsteuergesetz in Kraft. Damit sollen Biotreibstoffe, deren Ökobilanz besser ist als beim konventionellen Benzin, steuerlich entlastet und somit gefördert werden. Die Schweiz will damit einen Teil der CO2-Senkung erzielen, die sie sich mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls gesetzt hat.
Doch obwohl der Bundesrat in seiner Botschaft 2006 grosse Hoffnung auf die zu erwartenden CO2-Reduktionen setzte: Ändern wird sich noch ganz lange gar nichts. Das Bioethanol etwa wurde bisher von der Mineralölsteuer befreit, weil seine Produktion aus Abfallholz in der Schweiz immer noch Pilotstatus hat. Künftig wird es von der Steuer befreit, weil es die ökologischen und sozialen Bedingungen im Mineralölsteuergesetz erfüllt (siehe Kasten). Andere Treibstoffe aus Agrarrohstoffen müssen zuerst ein Bewilligungsprodezere durchlaufen, das ihnen die Öko- und Sozialverträglichkeit bescheinigt.
Verschwindend kleine Mengen
Bioethanol wird in der Schweiz dem Benzin in zwei Varianten beigemischt: Als 5-Prozent-Anteil (E-5) für normale Automotoren und als 85-Prozent-Anteil (E-85) für so genannte Flexi-Fuel-Cars mit entsprechend umgerüsteten Motoren. Von denen gibt es hierzulande momentan gut 3'000 Exemplare, das E-85 kann an rund 40 Tankstellen getankt werden. Und obwohl die Promotoren von Bioethanol letzthin medienwirksam von einer "Etablierung" des Treibstoffes sprachen, hat das Bioethanol derzeit im Benzinmarkt einen Anteil von nur gerade 0,3 Promille.
Bioethanol kann aus den unterschiedlichsten Rohstoffen hergestellt werden. In Brasilien wird es aus Zuckerrohr produziert, in den USA aus Mais, in der EU zum Teil auch aus Zuckerrüben. In der Schweiz wird Bioethanol bei der Zellulose-Firma Borregaard in Attisholz SO aus Holzabfällen produziert. Es gehört deshalb für den Bund in die so genannte Positivliste für die steuerbefreiten Treibstoffe. Diese umfasst Treibstoffe aus Abfällen und Rückständen der Land- und Forstwirtschaft. Wer Biotreibstoffe aus anderen Rohstoffen in der Schweiz verkaufen will, muss dem Bund künftig mit einer Ökobilanz für den gesamten Produktions- und Verbrauchsprozess beweisen, dass die ökologischen und sozialen Anforderungen erfüllt werden. Die Details dazu muss der Bund in der Treibstoff-Ökobilanzverordnung festlegen, die derzeit in der Anhörung ist.
Ob Biotreibstoffe in der Schweiz dank dem neuen Gesetz boomen werden, "wird vom Markt abhängen", erklärte Alexandre Schmidt, Direktor der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) an einer Medienkonferenz vom 24.Juni in Bern. Der Bund werde diese Lokomotive nicht anschieben. Tatsächlich sind die strengen Rahmenbedingungen für die Schweiz nicht eben so, dass die Treibstoffhändler sich auf den Biotreibstoffmarkt stürzen würden. Dies etwa im Gegensatz zur Brasilien, den USA oder der EU wo mit Beimischungspflicht und Förderung vom Staat ein Boom herbeigeführt wurde. Und wo eben der "Tank" den "Trog" und den "Teller" konkurrenziert. Genau dies wolle man in der Schweiz vermeiden, erklärte Pierre Schaller in Bern. Er ist Direktor des EAV-Profitcenters Alcosuisse, welches das Schweizer Bioethanol vertreibt.
Anreiz fürs Umsteigen
Grösster Schweizer Anbieter von E-85 ist die Fenaco-Tochterfirma Agrola. Man sei auf Kurs, sagt Hansruedi Henggeler, Leiter Erneuerbare Energie bei der Fenaco. "Wir haben bisher 29 Tankstellen mit E-85, bis Ende Jahr werden noch fünf bis sechs weitere eröffnet." Mit den inzwischen erfolgten Preiserhöhungen beim Benzin könne man beim E-85 eher eine "angemessene Marge" erzielen. Zu Beginn habe man gar keine Marge gehabt. Der Grund dafür seien vor allem höhere Transportkosten wegen mangelnder Tankanlagen.
Bioethanol kostet derzeit 1.52 Franken pro Liter, Benzin kostet um die zwei Franken. Seit dem 1. Juli ist das Benzin noch um 1,4 Rappen teurer. Der Bund holt mit diesem Aufschlag der Mineralölsteuer das Geld herein, das ihm durch die Steuerbefreiungen bei den Biotreibstoffen entgeht. Diese Preisdifferenz soll bis auf sieben Rappen anwachsen. Damit wird der Anreiz, auf ein Flexi-Fuel-Auto umzusteigen, grösser. Das sei eine entscheidende Vorbedingung, meint Toni Lenz, Geschäftsführer der Flamol AG, die auch ins Biodiesel- und Bioethanolgeschäft eingestiegen ist: "Nur gerade aus ökologischem Goodwill steigt in der Schweiz niemand auf Ethanol um."
Weniger Treibhausgas, mehr Regenwald
wy. Damit Biotreibstoffe von der Mineralölsteuer befreit werden, müssen sie soziale und ökologische Kriterien erfüllen. Die Treibhausgasreduktion durch den Einsatz des Treibstoffs muss mindestens 40 Prozent betragen. Die Umweltbelastung darf nicht erheblich grösser sein als bei Benzin, der Regenwald und die biologische Vielfalt dürfen nicht gefährdet sein. Auch soziale Bedingungen müssen erfüllt werden. Für die Produktion müssen die jeweiligen geltenden Sozialgesetze eingehalten werden.
Der Bund hat eine so genannte Positivliste erstellt, auf der Raps und gebrauchte Fritieröle für die Biodiesel-Produktion sind sowie Zuckerrüben, Holz und Gras für die Bioethanolproduktion.
Boom ist nicht zu erwarten
Lenz und Henggeler mögen trotz diesem Anreiz nicht so recht glauben, dass der Biotreibstoffmarkt abheben wird. Nicht nur wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern auch wegen der Verfügbarkeit. "Wenn sich die Nachfrage auf 5'000 bis 6'000 Wagen verdoppeln sollte, dann fehlt es schlicht an der Verarbeitungskapazität", sagt Henggeler. "Und am Rohstoff: Das verwendete Abfallholz könnte in Zukunft auch vermehrt in die Holzpelletsproduktion gehen." Alcosuisse hat zwar verschiedene Projekte für eine Ausweitung der Produktion in der Schublade, dafür bräuchte es aber Investitionen von interessierten Partnern. Schon auf Eis gelegt ist ein Bioethanol-Projekt der Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld.
Und weil die ökologischen Kriterien des Bundes für eine Steuerbefreiung auch für importierte Biotreibstoffe gelten, wird die Schweiz auch nicht von Bioethanol-Importe überschwemmt werden, obwohl per 1. Juli 2008 auch das Importmonopol des Bundes aufgehoben wurde.
Knapper Rohstoff
Auch beim Biodiesel, der in der Schweiz immerhin ein halbes Prozent des verwendeten Diesels ausmacht, ist kein Boom zu erwarten. Beim wichtigsten Rohstoff Raps stellte eine Empa-Studie im letzten Sommer die Nachhaltigkeit in Frage, dazu kommt, dass Biodiesel aus Raps im Prinzip das Nahrungsmittel Rapsöl konkurrenziert, was dem Motto der EAV "Teller, Trog, Tank" widerspricht.
Der andere wichtige Rohstoff, Speiseölreste, ist knapp und deshalb bei den Schweizer Biodieselherstellern heiss begehrt. "Wir können ja nicht mehr Pommes-Frites essen, nur um mehr Biodiesel zu produzieren", sagt Lenz lakonisch. Raps sei der am besten erprobte und bewährte Rohstoff, beim Biodiesel aus Speiseöl sei es schwierig, die verlangten Qualitätsnormen zu erreichen.
Sowohl Lanz wie auch Henggeler sehen Biodiesel aus Raps als Übergangslösung. Die Zukunft werde möglicherweise die Jatropha-Nuss sein oder auch die Verwertung von Algen, doch dazu brauche es Forschung und Erfahrungen aus der Praxis.
Weitere Informationen: www.eav.admin.ch/alcosuisse; www.ezv.admin.ch
