Viele Konsumenten greifen zu Label-Ware – oft ohne genau zu wissen, was dahintersteckt. Viele Konsumenten nehmen die Vielzahl von Auszeichnungen für besonders tier- oder umweltfreundliche Bewirtschaftungsformen gar als irritierendes Dickicht wahr. Nichtsdestotrotz lanciert der Verein Bioverita in diesen Wochen sein neues Label für biologisch gezüchtetes Saatgut.
Verwirrung beim Konsumenten?
Das ährenförmige Logo in zwei verschiedenen Grüntönen ziert heute schon ein Brot, das beim Grossverteiler Coop zu kaufen ist. Für Bioverita-Geschäftsführer Markus Johann ein Glücksfall. "Das Naturaplan Bio Bauernbrot von Coop trägt das Label der Knospe von BioSuisse. Weil der Weizensamen nicht aus einer konventionellen Züchtung, sondern aus einer biologisch-dynamischen Züchtung stammt, trägt das Brot auch das neue Bioverita-Label und ergänzt damit die Knospe", erklärt Markus Johann. Johann glaubt nicht, dass die neue zweifarbige Ähre die Knospe von Bio Suisse konkurrenziert oder die Konsumentinnen und Konsumenten verunsichert. "Es ist sehr wichtig, dass es der Biolandwirtschaft nun gelungen ist, biologisch gezüchtetes Saatgut zu haben, das von allem Anfang an auf biologischem Boden gewachsen ist."
Unabhängigkeit durch eigenes Saatgut
Für die Entwicklung von biologisch-dynamischen Samen rechnet man mit einem Zeitraum von bis zu 15 Jahren. Damit bleibe der Biolandbau unabhängig von den Saatgutmultis und es sei ihm möglich, von allem Anfang an gesunde Lebensmittel zu produzieren, so Johann. "Mit einem biologisch-dynamischen Samenkorn ist der Grundstein für ein gesundes Produkt gelegt." Zudem erreiche der Biolandbau mit dem biologisch gezüchteten Saatgut die Unabhängigkeit der eigenen Versorgung. "Konventionellem Saatgut sieht man nicht an, woher es kommt." Deshalb sei das neue Label Bioverita für Getreide, Gemüse und Apfelsorten unbedingt notwendig. Nach dem "Bioverita"-Brot sind als nächste Produkte Dinkelcracker und eine Müeslimischung in Abklärung.
Label soll Konsumenten aufklären
Mit im Boot des Trägervereins Bioverita sind Demeter und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK) und die Sativa Rheinau AG. Nach ersten Befürchtungen hat sich nun auch die Dachorganisation Bio Suisse dem neuen Verein angeschlossen. Gemäss Johann habe der Prozess zur Mitgliedschaft wegen der basisdemokratischen Ausrichtung von Bio Suisse und der wichtigen Grundsatzdiskussion zu der Biozüchtung etwas länger gedauert. Coop unterstützt die Entwicklung des Labels personell und finanziell und stärkt die Arbeiten der Peter Kunz GZPK und der Sativa Rheinau AG im Rahmen einer Projektpartnerschaft durch den Coop Fonds für Nachhaltigkeit, wie Sabine Vulic, Mediensprecherin von Coop ausführt. Das Label soll die Konsumenten aufklären, dass Bio-Produkte, welche bereits aus biologisch gezüchteten Samen gewachsen sind, einen Mehrwert für ihre Gesundheit bieten. Vulic kann nachvollziehen, dass sich nicht jeder Konsument gleich stark für die Herkunft des Saatguts interessieren wird. Deshalb müsse informiert und sensibilisiert werden. Sie glaubt nicht, dass der Konsument im Labelwirrwar stecken bleibt. "Der Konsument in der Schweiz hat eine eigenständige Meinung und weiss, was er kaufen will", so Vulic.
Züchtung ist ein wichtiger Teilaspekt
Gemäss Stephan Jaun, Mediensprecher von Bio Suisse ist der biologische Landbau auf Sorten angewiesen, die sich aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften für die ökologische Bewirtschaftung besonders eignen. So sei beispielsweise eine stärkere Krankheitsresistenz wichtig. Die Konsumenten erwarten von der Knospe-Produktion, dass sie umfassend biologisch und nachhaltig produziert wurde. Die Züchtung sei dabei ein Teilaspekt dieses gesamtheitlichen Ansatzes. Deshalb befürwortet Bio Suisse die Förderung der biologischen Züchtung, die nun von Bioverita mitgetragen wird. Jaun kann sich aber vorstellen, dass die wachsende Zahl der Labels für den Konsumenten eine Herausforderung darstellt.
Konsument muss Mehrwert kennen
Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit der Zielsetzung und Definition der ökologischen Pflanzenzüchtung, den Beurteilungskriterien von Züchtungsmethoden und der Förderung der aktiven Programme auf diesem Gebiet. Das Institut stehe hinter dem Grundgedanken von Bioverita, die ökologische Pflanzenzüchtung zu fördern, deren Mehrwert zu kommunizieren und die Öffentlichkeit für die Bedeutung des freien Zugangs zu Saatgut zu sensibilisieren, sagt Monika Messmer vom FiBL. "Wir sind angewiesen auf Lebensmittel, die nur dann nachhaltig produziert werden können, wenn Sorten zur Verfügung stehen, die sich den veränderten Umweltbedingungen anpassen und unter biologischen Bedingungen ohne viele Hilfsstoffe angebaut werden können." Dafür sei eine kontinuierliche Züchtungsarbeit unumgänglich, die finanziell abgesichert sein muss. "Ich glaube, dass der Konsument bereit ist, sich an den Mehrkosten zu beteiligen, wenn er den Mehrwert kennt."
