"Konsumentinnen und Konsumenten von biologischen Lebensmitteln legen vor allem Wert auf den Geschmack. Wie das Produkt aussieht, ist ihnen weniger wichtig", sagt Gabriela Wyss, Leiterin der Fachgruppe Lebensmittelqualität am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Dies sei einer der positiven Qualitätsaspekte, die Kunden mit biologischen Lebensmitteln verbinden, sagt die promovierte Biologin. Sie hat als Vertreterin der Schweiz am Forschungsprojekt "Organic HACCP" (siehe Kasten) teilgenommen. Ziel des Forschungsprojekts war es, herauszufinden, was Konsumentinnen und Konsumenten von biologischen Lebensmitteln erwarten und mit welchen Massnahmen Produzenten, verarbeitende Industrie und Handel diesen Kundenwünschen gerecht werden. An der Tagung "Aktuelles aus der Biolandbauforschung" hat Wyss die Resultate des Forschungsprojekts vorgestellt. Das FiBL und die Agroscope FAL Reckenholz haben die Tagung am 6. März gemeinsam in Zürich-Affoltern durchgeführt.
Positive Qualitätsaspekte einbeziehen
Beim Forschungsprojekt "Organic HACCP" ging es nach Wyss nicht um Gesundheitsrisiken sondern darum, über die Sicherheit von Lebensmitteln hinaus, die positiven Qualitätsaspekte von Bioprodukten sichtbar zu machen. Die Auswertung der vorhandenen Literatur zu den Konsumentenerwartungen habe gezeigt, dass neben dem Geschmack auch die Frische eines Produkts ein wichtiges Kriterium beim Kaufentscheid für ein biologisches Produkt sei. Ferner lege der Konsument auch Wert auf ethische Aspekte: "Der Konsument möchte wissen ob das Bio-Lebensmittel von Leuten produziert worden ist, die unter fairen Löhnen und Anstellungsbedingungen arbeiten". Er will zudem sicher sein, dass das Produkt, für das er einen Mehrpreis bezahlt, auch tatsächlich nach den Richtlinien des Labels hergestellt worden ist, mit dem es gekennzeichnet ist. Der Konsument erwartet auch, dass biologische Lebensmittel sicher produziert und verarbeitet werden.
Die Informationen auf der Verpackung müssen klar und einfach sein. Diese Aussage steht nach Wyss in Widerspruch zum zusätzlichen Wunsch des Kunden, umfassend über alle Aspekte der Produktion und Verarbeitung informiert zu werden. Es werden im Rahmen des Projekts Überlegungen angestellt, wie die Konsumentinnen undKonsumenten verbessert über Produkte aus dem Biolandbau informiert werden können.
Forschungsprojekt "Organic HACCP"
HACCP steht für "Hazard Analysis and Critical Control Points". Wörtlich übersetzt heisst dies "Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte". Man versteht darunter ein seit langem in der Lebensmittelbranche anerkanntes Konzept das hilft, Gesundheitsrisiken zu vermindern. Dies geschieht anhand kritischer Kontrollpunkte. Im Rahmen des Forschungsprojekts "Organic HACCP" wurde dieses Konzept der kritischen Kontrollpunkte übernommen. Dies aber nicht allein im Sinne von Gesundheitsrisiken, sondern auch bezüglich positiver Qualitätsaspekte von Bioprodukten wie Frische, Nährstoffgehalte oder soziale Aspekte. Diese zusätzlichen kritischen Kontrollpunkte identifizierten die Forscher mit Hilfe von Befragungen aller Akteure einer Lebensmittelkette. Ziel war es, die gängige Praxis im Umgang mit biologischen Lebensmitteln zu beschreiben und zu erkennen, wo sich Abläufe noch optimieren lassen.
Sieben Lebensmittelketten analysiert
Am Forschungsprojekt "Organic HACCP" mitgemacht haben Partner aus Dänemark, Grossbritannien, Italien sowie den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Portugal und der Schweiz. In Deutschland und Ungarn waren keine Partnerinstitute beteiligt, hingegen befragten die Forscher wie in den anderen Ländern Akteure ausgewählter Lebensmittelketten. Sie wählten folgende Produkte aus, die sie bezüglich sieben Qualitäts- und Sicherheitsaspekten innerhalb der Lebensmittelketten analysierten: Weizenbrot, Wein, Weisskohl, Äpfel, Tomaten, Milch und Eier. Es ging auch darum, Akteure in den typischen Anbauregionen der bestimmten Lebensmittelketten einzubeziehen.
An der Tagung erläuterte Wyss anhand eines Beispiels aus Dänemark einen Ausschnitt der möglichen kritischen Punkte, die es bei der "Lebensmittelkette Milch" zu beachten gilt. In Bezug auf die Kriterien "Nährstoffe/Zusatzstoffe" hat auf der Stufe der Produktion beispielsweise die Art des Futters, das der Bauer seinen Kühen gibt, einen Einfluss auf den Nährstoffgehalt. Füttert er sie in erster Linie mit Gräsern und Kräutern oder ist da auch Kraftfutter im Spiel? Dies äussert sich unter anderem in einer unterschiedlichen Zusammensetzung des Milchfetts. Was die Kriterien "Frische und Geschmack" betrifft, sind die Transportwege vom Bauer zur Molkerei ein kritischer Kontrollpunkt. Soll Biomilch homogenisiert werden? Hier besteht in den verschiedenen Ländern keine einheitliche Regelung. Ohne Zweifel hat dies aber einen Einfluss auf Aussehen und Geschmack der Milch. Auch die Kennzeichnung der Verpackung ist wichtig: "Der Konsument erwartet, dass er über die Art und Weise der Verarbeitung der Milch informiert wird", sagt Wyss. Beim Kontrollpunkt "Verkauf" sei es wichtig, wie lange die Milch unterwegs ist, weil sich dies auf deren Frische auswirke. Beim Kriterium Betrug geht es auf der Stufe Produktion beispielsweise um die Frage, ob der Bauer nichtkonforme Zusatzstoffe oder Tierarzneimittel verwendet hat.
Erkenntnisse umsetzen
Die gewonnenen Erkenntnisse kommen den Produzenten, verarbeitenden Betrieben, dem Handel und den Konsumenten zugute. Die in der Form von Empfehlungen abgegebenen Informationen werden in 14 Merkblättern enthalten sein, die zur Zeit erarbeitet werden. Einige in Englisch abgefasste Merkblätter liegen bereits vor. Auf Deutsch werden nächstens die Merkblätter auf der Projekthomepage gratis abrufbar sein. Für die Konsumenten sind Merkblätter bezüglich der Kriterien "Nährstoffe/Geschmack/Frische", "Betrug/Authentizität" und " Sicherheit/Kontamination" geplant. Ab einer Datenbank können Experten Angaben über kritische Kontrollpunkte bei den untersuchten Lebensmittelketten abrufen. Laut Wyss ist dies aber nur ein Anfang: Es ist mit diesem Projekt lediglich eine Basis für weitere Projekte gelegt worden.
Geht das im Rahmen des Forschungsprojekts "Organic HACCP" erarbeitete Konzept über das hinaus, was im Rahmen der staatlichen Lebensmittelkontrolle oder im Rahmen der Tätigkeit der Bio Inspecta geschieht? Diese zertifizert Betriebe und kontrolliert, ob die Produzenten die Richtlinien einhalten. "Zum Teil", sagt Wyss. "Es kann sein, dass einer oder mehrere der im Rahmen des Forschungsprojekts identifizierten kritischen Punkte auch für den Lebensmittelinspektor oder den Kontrolleur der Bio Inspecta relevant sind". Wenn man aber beispielsweise im Rahmen der Prüfung des kritischen Kontrollpunkts Frische und Geschmack für das Produkt Biomilch Aussagen darüber machen könne, wie lange die Milch unterwegs war, so sei dies ein Punkt, der den Kundennutzen von Biomilch verdeutliche. Solche positiven Aspekte seien bisher zu wenig sichtbar gemacht worden.
Weitere Informationen: http://orgprints.org/view/projects/eu-organic-haccp.html