Seit dem 1. Januar wirbt Coop mit ansprechenden Plakaten für sein neues Logo und für die neue zentralisierte Firmenstruktur. Und trotzdem hat Coop im Moment ein Imageproblem: Die bäuerliche Protestwelle, die im November in der Romandie begann und inzwischen die ganze Deutschschweiz erfasst hat, hat Sympathien für die gebeutelten Bauern geweckt und Coop auf die Anklagebank gesetzt. Glaubt man Coop, ist der Anlass für die Mahnblockaden der letzten Tage bloss ein Missverständnis. Coop-Chef Hansueli Loosli habe eine Prognose für die Preise der Frischprodukte gemacht. Dabei sei es nicht um konkrete Pläne von Coop bezüglich der Produzentenpreise gegangen, sondern umd die Detailhandelspreise", stellt Karl Weisskopf, Pressesprecher von Coop, ungefragt und wohl zum x-ten Mal in diesen Tagen klar. Die Aussage, die Coop-Chef Hansueli Loosli in einem Cash-Interview im Oktober machte, war aber doch eher eine Forderung als eine Prognose, sie lautete wörtlich: "Meine Aussage, dass die Preise für Frischprodukte innert fünf Jahren um 20 Prozent sinken müssen, gilt nach wie vor." Sie wurde so umgedeutet, dass die Produzentenpreise in den nächsten Jahren um 20 Prozent fallen müssten.
Westschweizer Bauern haben schon erfolglos verhandelt
Die Aussage in dieser Form stammt von der Union Sekretär Gérard Vuffray in einem Interview mit der Berner Zeitung darlegte: Die UPS sass schon im November mit Coop am Verhandlungstisch, ohne Ergebnis. Man habe, so Vuffray, die Verantwortlichen von Coop gefragt, ob sie die besagten 20 Prozent bei den Margen oder bei den Löhnen einsparen wollten, und die Antwort sei "weder noch" gewesen. Da sei klar gewesen, "dass die Bauern gemeint waren", sagte Vuffray. des Producteurs Suisses UPS, die damit im Dezember ihre Blockaden vor den Coop-Verteillagern in Freiburg begründet hat. Die UPS hat aber auch nicht einfach nur gelogen, wie ihr
Bäuerliche Entrüstung
Diese Interpretation der Äusserungen von Coop wurde in der Folge von den Medien aufgegriffen und von Bauern auch in der Deutschschweiz entsprechend erbost zur Kenntnis genommen. Sie war einer der Auslöser für die Bauernproteste, wie sie seit dem Montag, 8. Januar in den Coop-Verteilzentren in Gossau, Wallisellen, Bern-Brünnen und auch in Genf stattfanden. Die Proteste sollten aber auch ein Zeichen setzen für die Bundesratsbeschlüsse vom Mittwoch, 10. Januar zu Milchpreis und Kontingentserhöhungen und für die geplanten Gespräche zwischen Bauernvertretern und Coop am 27. Januar. In Wallisellen wurde an einer Versammlung der protestierenden Bauern auf den Rat von SBV-Präsident Hansjörg Walter hin beschlossen, die Traktoren abzuziehen. Das Festzelt bleibt vorerst stehen, damit nötigenfalls mit Protesten wieder begonnen werden kann.
Bei Coop fühlt man sich in der ganzen Sache offenbar gründlich missverstanden: Looslis Prognose zu den Preissenkungen sei im Zusammenhang mit dem "Coop forte"-Programm gemacht worden. Die Restrukturierung des Konzerns sei der Beitrag von Coop zu den erwartenden Preisanpassungen, erklärt Coop-Sprecher Weisskopf. Je-denfalls sei bei Coop die Gewinnrate mit 2 Prozent des Umsatz kleiner als etwa bei Néstlé oder vergleichbaren Unternehmen. Die Frage, wer wie stark bluten muss, bleibt für die Bauern aber trotzdem im Raum. "Verlangen sie von uns keinen Kostenverteiler", sagt Weisskopf dazu, "wir prüfen, was wir dazu beitragen können. Die Bauern und der Zwischenhandel müssen auch prüfen, was sie beitragen können. Beim Zwischenhandel, etwa im Milchbereich, gibt es auch noch einiges zu tun."
René Bucher, Sprecher der Berner Bauernorganisation LOBAG, bezeichnet diese Haltung als "sehr einfach". Die Marktmacht der Grossverteiler wirke sich fast wie ein Preisdiktat aus und verringere auch den Spielraum beim Zwischenhandel. "Die Zentralisierung des Einkaufs bei Coop auf zwei bis drei Anlaufstellen stärkt diese Marktmacht noch", sagt er. Das heisst: Wenn Coop effizienter wird, steigt automatisch auch der Druck auf die Produzentenpreise.
80 Portionen Zuckerhut für ein Café crème
Für die Bauern jetzt schon ärgerlich sind etwa zusätzliche Kosten für die Verpackung. "Coop verwendet Mietgebinde und verlangt dafür 65 Rappen", erklärt Gemüsebauer Charles Aebersold aus dem seeländischen Treiten. "Für die vier Kilogramm Kohl, die in ein solches Gebinde kommen, erhalten wir im Moment zwei Franken. Das ist völlig unverhältnismässig." Die Migros verwendet demgegenüber eigene Gebinde und akzeptiert auch Gebinde der Bauern. Die Preise seien jetzt schon sehr tief, aber das sei bei der Migros grundsätzlich auch so, meint Aebersold weiter: "Für 80 Portionen Zuckerhut bekomme ich ein Café crème." Der Preis für ein Kilogramm Zuckerhut ist 80 Rappen, und ein Kilogramm ergibt 20 Portionen. Mal vier ergibt 3.20 Franken, also den Preis eines Café crème.
Rückzug aus den Branchenorganisationen
Die Produzenten sind nicht nur wegen der vermeintlichen oder tatsächlichen Preispolitik von Coop verärgert. Ein weiterer Grund dafür, dass Coop bei den Bauern in Ungnade gefallen ist, ist der Rückzug aus den Branchenorganisationen vor zwei Jahren. In den Branchenorganisationen sind die Produktions- und Handelsstufen für die verschiedenen Produktbereiche zusammengefasst. Sie nehmen unter der Agrarpolitik 2002 zu einem kleinen Teil noch Aufgaben der Marktregelung wahr, die früher vom Bund übernommen wurde. Dazu kommen Aufgaben im Bereich von Kommunikation und Marketing.
Die Branchenorganisation Proviande etwa zieht einen freiwilligen Beitrag ein, um den Fleischverkauf zu fördern. Dieser wird zur Hälfte von den Produzenten, zur Hälfte von den Schlachtbetrieben bezahlt. Die Coop-Tochter Bell bezahlt diesen Beitrag nicht. Einzelne Coop-Genossenschaften weichen allerdings von der Regel ab und bezahlen den Beitrag.
Coop hat keine Lust auf Politik
Von den bäuerlichen Organisationen wird die Nichtteilnahme von Coop an den Branchenorganisationen als Zeichen dafür gewertet, dass Coop von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit nicht viel wissen will und eine umso unbekümmertere Preispolitik betreiben kann. Bei Coop dagegen betrachtet man die Branchenorganisationen als Debattierklub mit mangelnder Marktverantwortung. "Da wurde häufig Politik gemacht. Wir sind aber ein Marktunternehmen", meint Weisskopf dazu. Die Branchenorganisationen werden an der geplanten Diskussionsrunde vom 27. Januar zwischen Coop und bäuerlichen Vertretern ein wichtiges Thema sein. Weisskopf möchte zumindest die Strukturen der Branchenorganisationen diskutieren, bevor ein Wiedereinstieg überhaupt in Frage komme.
Nachdem die Beschlüsse des Bundesrates zur weitgehenden Zufriedenheit der Bauern ausgefallen sind, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Diskussionsrunde vom 27. Januar. An den Gesprächen werden laut Bucher von der LOBAG auch Leute aus den bäuerlichen Komitees als Repräsentanten der Basis dabei sein. Bucher erwartet "kein Superresultat", hofft aber, dass in diesem Jahr noch weitere Diskussionsrunden folgen werden. Wichtig sei, dass man bis dahin die Meinungen etwas kanalisiere und dann mit einer kleinen Delegation gut verhandle. Dass der Druck noch nicht ganz weg, demonstriert das Festzelt in Wallisellen, das immer noch steht.
Zu den Margen von Verarbeitern und Handel siehe Mediendienst Nr. 2494 vom 30. November 2000 "Warum das Fleisch nicht billiger wird"