Bald wird sie wieder geerntet: Die Biokartoffel. Während man noch stolz auf die grosse und qualitativ gute Ernte vom 2004 zurückblickt, sieht es dieses Jahr schlechter aus. "Im März hatten wir noch Minustemperaturen, danach stieg das Thermometer sofort stark an, im April schneite es wieder und in den Monaten Mai und Juni hatten wir einige sehr markante Hitzetage", sagt Bendicht Jaggi, stellvertretender Geschäftsführer von Terraviva, der Vertriebsgenossenschaft der Schweizer Biobauern. Solche meteorologischen Kapriolen haben die Kartoffeln nicht gern. "Wir rechnen dieses Jahr mit einer unterdurchschnittlichen Ernte", erklärt Jaggi.
Das Potenzial ist ausgeschöpft
Doch nicht nur das Wetter macht den Biokartoffeln zu schaffen. Probleme macht auch zunehmend die wirtschaftliche Seite des Anbaus. Die Anbaufläche habe sich in der Schweiz in den letzten Jahren bei ungefähr 500 Hektaren Anbaufläche eingependelt, was bei einer durchschnittlichen Ernte im Moment für die Marktversorgung ausreiche, so Jaggi. Eine weitere Steigerung halten weder Biobauern noch Kartoffelverbände für möglich. Auch Donat Schneider, Geschäftsführer der Branchenorganisation Swisspatat glaubt: "Das Potenzial ist ausgeschöpft."
Gleichzeitig haben die Bioproduzenten mit immer höheren Qualitätsanforderungen der Grossverteiler zu kämpfen. "Der Vertrieb über Coop und Migros ist nicht sehr lukrativ", erklärt der Landwirt Fidel Hämmerle. Er betreibt einen Biohof in Rietberg GR, wo er Biofleisch und -kartoffeln produziert. Um Topqualität zu erreichen, würden die Abnehmer grosse Mengen der Biokartoffeln vernichten oder als Tierfutter verwenden, erklärt Hämmerle und ergänzt: "Dabei wären die meisten davon zum Essen gut genug."
Pflanzenschutz mit Kupfer: Vertretbar?
Der Unterschied zwischen den konventionellen und den biologischen Kartoffeln beginnt beim Anbau: "Den Bioproduzenten ist es nicht erlaubt, chemisch-synthetische Mittel zur Bekämpfung von Kraut- und Knollenfäule oder anderen Schädlingen einzusetzen", so Bendicht Jaggi, Erlaubt sei einzig ein limitierter Einsatz von Kupfer. Doch das Kupfer sei immer wieder ein Grund von Diskussionen, da es als Schwermetall im Boden nur begrenzt abbaubar ist. "Das ist natürlich sehr problematisch, und die Wissenschaft ist damit beschäftigt, eine Alternative zu finden", sagt Jaggi.
Kupfer werde früher oder später im Biolandbau vollständig verschwinden, erklärt Andreas Keiser von der Hochschule für Landwirtschaft (SHL). Als Alternative werden Pflanzenextrakte geprüft, jedoch seien bisher keine praxistauglichen Mittel auf dem Markt. "Ich verspreche mir viel mehr von der Resistenzzüchtung", so Keiser. Zwar gebe es auch jetzt schon Sorten mit guter Krautfäuleresistenz, diese seien jedoch auf dem Markt nicht so gefragt.
Auch beim Dünger müssen sich die Bioproduzenten an eine Richtlinie halten: Nur organisches Material darf auf den Acker, also Hofdünger oder pflanzliche Extrakte.
Grossverteiler sortieren strikte aus
"Aufgrund der schwächeren Schädlingsbekämpfung haben die Bioproduzenten mit mehr äusseren Mängeln auf den Knollen zu kämpfen als ihre Kollegen aus dem IP-Bereich", so Jaggi. Je nachdem, wie die Kartoffeln verkauft werden, habe dies unterschiedliche Auswirkungen auf Konsumenten und Abnehmer, erklärt er weiter. Der Direktverkauf ab Hof locke seit jeher Konsumenten an, die gezielt biologisch einkaufen wollen. Neben der äusseren Qualität sei ihnen auch der umweltschonende Anbau und die innere Qualität der Kartoffeln sehr wichtig. Das bestätigt auch Biobauer Hämmerle: "Der Direktverkauf läuft gut, vor allem Familien mit Kindern kommen auf den Hof, um Bioprodukte zu kaufen." Eine ähnliche Situation zeige sich in den reinen Bioläden, erklärt Jaggi: "Auch hier stören sich die Käufer weniger an äusseren Mängeln, schauen jedoch auf innere Werte."
Anders sei die Situation beim grössten und wichtigsten Verkaufskanal für Biokartoffeln, den Grossverteilern: "Anders als beim Direktverkauf oder im Bioladen haben die Konsumenten hier die Möglichkeit, Qualität und Preise mit den konventionellen Kartoffeln zu vergleichen", so Jaggi. Die Entscheidung des Konsumenten laufe deshalb vermehrt über das Auge und über den Preis. Die neuen Tiefpreislinien würden diesen Konkurrenzdruck zwischen biologischen und konventionell angebauten Produkten noch zusätzlich verstärken.
"Meine Kartoffeln seien zu schlecht"
Der Druck, neben den konventionellen Kartoffeln auch ästhetisch schöne und preislich ansprechende Biokartoffeln anbieten zu können, führt bei den Grossverteilern zu sehr strikten Sortiervorschriften. Mit diesen hat auch Bauer Hämmerle schon Erfahrung gemacht: "Vor zwei Jahren habe ich meine Kartoffeln abgegeben und später erfahren, dass sie zu schlecht sind", erzählt er. Man habe ihm erklärt, dass Ernten mit über 30 Prozent geschädigten Knollen gar nicht erst sortiert werden. "Ich hätte die Kartoffeln zurück haben können, dafür aber Transportkosten von 2,000 Franken bezahlen müssen", sagt Hämmerle. Nach diesem Vorfall habe er beschlossen, seine Kartoffeln nur noch ab Hof zu verkaufen. "Mir ist es verleidet und ich denke, dass es vielen anderen Biobauern auch so geht", meint Hämmerle.
Gemäss einer Qualitätsstudie der Hochschule für Landwirtschaft fallen zurzeit rund 45 Prozent der Biokartoffeln beim Qualitätstest gemäss Schweizerischen Handelsusanzen durch – bei den konventionellen sind es rund 20 Prozent. Dieser Mehraufwand müsse über den Preis realisiert werden können, erklärt Bendicht Jaggi. Der Biokonsument, der beim Grossverteiler einkauft, sei nur bedingt bereit, den von der Produktion gerechtfertigt geforderten Preis zu bezahlen, so Jaggi.
Preisband kam sechs Monate zu spät
Die fehlende Einigkeit in dieser Sache führte dieses Jahr auch dazu, dass das Preisband, also die voraussichtlichen Durchschnittspreise für verschiedene Güteklassen, nicht pünktlich im Dezember des Vorjahres festgelegt werden konnte. Erst Ende Juni publizierten die Verantwortlichen von Swisspatat die vorläufigen Durchschnittspreise. Die Diskussion über die Sortierkosten ist jedoch noch lange nicht beendet. "Dieses Problem wird wohl niemals gelöst werden können", so Jaggi.
Wie sieht also die Zukunft der Biobauern aus? "Auch im Biolandbau wird die Spezialisierung Einzug halten", sagt Bendicht Jaggi. Spezialisierte, professionell geführte Betriebe würden im Markt der Grossverteiler wohl mehrheitlich bestehen können. Wer diese Herausforderung nicht annehme, werde seine Produkte eher über die Direktvermarktung absetzten müssen, ergänzt Jaggi. Bertrand Bollag, Produktmanager bei Biosuisse, rät allen Bauern, die Möglichkeiten beim Direktverkauf zu nutzen. "Hier können die Kunden auf die Feinheiten der Biokartoffel und die Sortenunterschiede aufmerksam gemacht werden", ist sich Bollag sicher. Der Dominanz einiger Sorten bei den Grossverteilern könne durch Vielfalt und Beratung im Direktverkauf entgegengewirkt werden.