Bis vor kurzem hat es kaum jemanden interessiert, wenn irgendwo in der Schweiz ein Huhn oder ein Güggeli leblos von seinem Stängeli fiel. Doch nun richten sich alle Augen auf die Geflügelhalter und ihre Tiere. Kommt es künftig in einem Stall zu einem Massensterben von Legehühnern oder Mastpoulets und wird dies publik, so muss davon ausgegangen werden, dass die Spekulationen wild um sich greifen werden und sogleich ein Horrorszenario heraufbeschworen wird. Doch nicht immer muss es das Vogelgrippevirus H5N1 sein, welches die Tiere dahinrafft, gibt es doch noch etliche andere Krankheiten, die sich in den Hühnerställen ausbreiten können.
Hobbyhalter sind die grösste Gefahr
Eine dieser Krankheiten ist die "Infektiöse Laryngotracheitis" (ILT). Hinter dem kaum aussprechbaren Namen verbirgt sich eine schwere Virusinfektion der oberen Atemwege, die sowohl das Hausgeflügel wie auch Fasane, Truthähne und Pfauen befallen kann. Die für den Menschen völlig ungefährliche Krankheit hat in den vergangenen Tagen hierzulande für Schlagzeilen gesorgt. Musste doch die Migros-Tochterfirma Optigal am 20. Februar in einem ihrer Betriebe im Unterwallis 35’000 Hühner notschlachten. "Dies ist das erste Mal seit 20 Jahren, dass das Virus in einem professionellen Geflügelbetrieb auftritt", erklärt Alois Mettler, Geschäftsführer des Nationalen Geflügelzentrums. In den vergangen Jahren sei die Krankheit nur auf Hobbybetrieben vereinzelt vorgekommen. Warum aber tritt die Krankheit vermehrt in Beständen mit weniger Tieren auf? "Dies liegt am Handel mit ausländischen Hühnern", ist Mettler überzeugt. Bei den professionellen Betrieben stammten die Tiere bis auf die zweite Generation zurück aus der Schweiz. Hobbybetriebe hingegen importierten ihre Tiere gelegentlich aus dem Ausland, wo gegen Laryngotracheitis geimpft wird. "Solch geimpftes Geflügel sieht zwar gesund aus, was aber nicht heisst, dass es nicht infiziert ist. Kommt nun ein geimpfter Virusträger mit nichtgeimpften Artgenossen in Kontakt, verbreitet sich das Virus." Und in einem solchen Fall von geimpften und "echt" infizierten Tieren zu unterscheiden, sei kaum noch möglich: bildeten doch beide Antikörper gegen das Virus.
Aus demselben Grund wäre es laut Mettler eine Katastrophe, wenn das Federvieh gegen die Vogelgrippe geimpft würde. Zudem heisst Impfen für den Experten kapitulieren und mit einer Seuche leben, statt sie zu bekämpfen. "Und wenn wir mit dem Vogelgrippe-Virus leben, geben wird ihm die Chance, so zu mutieren, dass es eines Tages auch den Weg direkt von Mensch zu Mensch findet!" Und dieses Szenario wäre der endgültige Horror.
Amtlich anerkannt frei von Newcastle Krankheit
Eine andere Krankheit, die dem Geflügel den Garaus machen kann, ist die "Newcastle Krankheit". Die hochansteckende Viruskrankheit kann sowohl Hühner wie auch Gänse, Enten oder Tauben befallen. In seltenen Fällen verursacht sie bei Menschen, die in engem Kontakt mit erkrankten Tieren stehen, eine Bindehautentzündung. Dass diese Krankheit in näherer Zukunft der Todesengel für Hunderte oder gar Tausende von Schweizer Hühnern sein wird, ist eher unwahrscheinlich, ist doch die Schweiz laut dem Bundesamt für Veterinärwesen "amtlich anerkannt frei von der Newcastle Krankheit". "Das letzte Mal trat die Krankheit im Jahr 1998 in einheimischen Geflügelbeständen auf", so Alois Mettler. Und auch damals seien es nur zwei Fälle in Hobbybetrieben gewesen.
Sowohl gegen die Laryngotracheitis wie auch gegen die Newcastle Krankheit sind in der Schweiz keine vorbeugenden Behandlungen erlaubt. Gegen die Krankheiten "Infektiöse Bronchitis" und "Mareksche Geflügellähme" hingegen schon: "Rund 80 bis 90 Prozent aller Hühner werden gegen diese beiden Krankheiten geimpft", sagt Mettler.
Keine Salmonellen im Teller
ki. Salmonellen sind Bakterien, die beim Menschen leichte bis schwere Erkrankungen mit Bauchschmerzen, Durchfall, Fieber und Erbrechen verursachen. Man nennt diese infektiösen Darmerkrankungen Salmonellosen. Das Gefährliche an der Krankheit ist die Entwässerung des Körpers durch die starken Durchfälle und die Belastung des Organismus durch das hohe Fieber. Am häufigsten erkranken ältere Leute, Säuglinge oder Kleinkinder. Damit bei einem Mensch die Salmonellose ausbricht, braucht es eine grosse Anzahl an Salmonellenbakterien, so ungefähr 100,000.
Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit sind in mehr als die Hälfte aller Erkrankungsfälle auf Roheierspeisen – wie etwa Tiramisu oder Speiseeis – zurückzuführen. Dabei ist nicht das Ei per se für die Erkrankung verantwortlich, sondern der unsachgemässe Umgang damit. Denn die Salmonellen kommen zumeist nicht im Ei selbst, sondern auf der Eierschale vor. Achten man nun bei der Herstellung der Esswaren zuwenig auf die Hygiene, kann es vorkommen, dass die Bakterien in die Speisen gelangen.
Im Umgang mit tierischen Produkten insbesondere aber mit Eiern und Geflügelfleisch sollte deshalb besonders auf Hygiene geachtet werden. Völlig beseitigt werden kann die Salmonellen-Gefahr durch Erhitzen der Speisen wie Braten, Backen, Kochen oder Grillen. Wenn im Inneren der Nahrungsmittel mindestens 75° Celsius erreicht werden, werden die Salmonellen abgetötet.
Salmonellen verursachen die höchsten Kosten
Aus wirtschaftlicher Sicht verursacht die Infektionskrankheit "Salmonella enteritidis" die grössten Schäden. Pro Jahr gibt es gesamtschweizerisch rund fünf bis zehn Fälle von Enteritidis. Dabei erkranke das Geflügel selbst nicht an den Bakterien, sondern übertrage sie lediglich. Ge-fährlich wird es, wenn die Salmonellen ihren Weg in die Küche finden und sich dort wegen mangelnder Hygiene ausbreiten können (siehe Kasten). "Wenn ein Salmonellen-Fall auftritt, müssen die Hühner des betroffenen Betriebes geschlachtet werden." Denn hätten sich die Salmonellen erst einmal in einem Bestand eingenistet, seien sie nicht mehr gänzlich fort zu kriegen, auch nicht mit Antibiotika. "Zwar sterben die Hühner nicht daran, doch der Geflügelhalter darf die Eier nicht mehr verkaufen."
Die Geflügelhalter scheuen keine Arbeit und keinen finanziellen Aufwand, damit Herr und Frau Schweizer auch in Zukunft ohne Bedenken Pouletfleisch und Hühnereier verspeisen können. So geben sie für eine Legehenne pro Jahr 1.35 Franken aus. Darin sind die Impfungen gegen die "Infektiöse Bronchitis" und die "Mareksche Geflügellähme" enthalten. Zudem werden die Tiere in regelmässigen Abständen auf Salmonellen und andere Krankheiten hin untersucht. Den grössten Anteil an den Kosten macht die Versicherung aus. Der Bauer kann seine gefiederten Tiere nämlich gegen Epidemien versichern lassen bei der Winterthurer Versicherung. Doch wer sein Geflügel bis anhin nicht versichert hat und dies nun in Anbetracht der drohenden Vogelgrippe-Gefahr tun will, hat Pech. Wie bei den Versicherungen für Menschen gilt: Risikogruppen werden nicht mehr aufgenommen. "Wer jetzt nicht versichert ist, muss warten, bis die Gefahr vorüber ist", sagt Mettler.