Nach langer Fahrt vom Muotathaler Talboden fast tausend Meter bergan durch teilweise wilde, üppige Vegetation entlang der Bachbette und Steinbrüche flacht die Strasse ab und unvermittelt ist da die Alp Tröligen. Ein friedliches Bild: Das Gebäude mit der Käserei und dem Wohnteil links sowie der Stall rechts von der Strasse liegen sanft eingebettet in die sattgrünen Alpweiden, auf denen Geissen weiden.
Alp-Grossfamilie
Der Empfang auf Alp Tröligen ist herzlich, die Stimmung bei Käser Oski Pfyl, seiner Frau Marianne und den beiden Töchtern Franziska und Sonja gut. Das jüngste Familienmitglied, Dominik, erst fünf Wochen alt, liegt in der Babyschale auf dem Stubentisch. Man merkt: Pfyls sind auf Besucher eingestellt und finden Zeit für Besucher.
Dies auch deshalb, weil sie nicht allein auf der Alp sind: Oskis Eltern Josef und Margrit sowie der Lehrling Dominik und als Aushilfe Neffe Zeno helfen auf der Alp mit. Nur so lassen sich die vielfältigen Arbeiten bewältigen: Käsen, Buttern, Jogurt machen, Kühe und Geissen melken, Tiere von der Weide holen, Schweine füttern, Zäune reparieren und am Wochenende Gäste bewirten. Dazu kommen zwei saisonale Arbeitskräfte: Annette hat ihren Bürojob für zwei Monate an den Nagel gehängt, um endlich das zu machen, was sie schon immer wollte - Alpenluft schnuppern und auf einer Alp arbeiten. Annette hilft vor allem Oski in der Käserei. Auch Rolf aus Deutschland arbeitet zum ersten Mal auf einer Alp. Er war lange Jahre Matrose auf einem Schiff und ist nun von der See auf die Alp gestiegen.
Die Familie Pfyl ist jeden Sommer
auf der Alp Tröligen. (bw)
Grösstes Alpchessi im Kanton
In der topmodernen Käserei auf Alp Tröligen läuft etwas am Montagmorgen: zuerst werden Mutschli gemacht, dann die Butter zu 250-Gramm-Mödeli portioniert, anschliessend der Alpkäse in die Formen gepresst und am Schluss noch der Rahm aus der Sirte des Alpkäses zentrifugiert. Doch schön der Reihe nach. Wie kam es dazu, dass auf Alp Tröligen das grösste Alpchessi im Kanton Schwyz steht und 1‘800 Liter fasst?
Bis 1980 hat Oskis Grossonkel die Alp Tröligen bewirtschaftet. Der Grossonkel hatte einige Rinder und Kühe, auch Geissen, aber er machte keinen Käse. Käse hatte die Urgrossmutter noch hergestellt. Von 1980 bis 1987 bewirtschafteten die Nachbarälpler die Alp. 1987 ging Oski, erst 13-jährig, zum ersten Mal mit dem 10 Jahre älteren Bruder Theo z,Alp. 1989 begann Oski mit der landwirtschaftlichen Lehre. Zuerst produzierten die beiden Brüder auf der Alp Rahm und brachten nur ihre eigenen Tiere mit, 9 Kühe und 25 Rinder.
Drinnen wird der Alpkäse hergestellt...
...draussen tollen die Alpschweine herum. (bw)
Neuanfang mit Käse
Am 20. Oktober 2001 brannte die alte Hütte vollständig ab. Es bot sich die Gelegenheit, ein neues Projekt zu lancieren: einen Käsereibetrieb. Bis dahin hatten die Pfyls die Milch ins Tal gebracht und Kälber gemästet. Sie hatten erst von einem Alpbetrieb Milch zugekauft.
Als den Nachbarälplern die Projektpläne für einen neuen Käsereibetrieb unterbreitet wurden, bekundeten diese ihr Interesse, Milch an die Pfyls zu liefern. Für den Stallneubau gab es Unterstützung vom Staat, für den Bau des Wohnteils Entschädigung von der Feuerversicherung und für den Bau der Käserei Investitionskredite. Ein Käser mit grosser Erfahrung beim Neubau von Käsereien plante und richtete die neue Käserei ein. Den Strom für den gesamten Alpbetrieb liefert einer Wasserturbine, die im Bach hinten auf Alp Tröligen installiert ist. Das Land der Tröliger Alp gehört der Oberallmendkorperation Schwyz. Die Gebäude, die Pfyls gehören, konnten sie im unentgeltlichen Baurecht erstellen.
Alp Tröligen
Höhe: 1,450 m.ü.M.
Grösse: 57 Normalstösse. Ein Normalstoss entspricht dem Futterbedarf einer Kuh während 100 Tagen
Alpsaison: erste Woche Juni bis Mitte September
Tiere: 20 Milchkühe (14 eigene, 6 fremde), 70 Rinder (20 eigene, 50 fremde), 98 Schweine, 18 Pfauenziegen.
Produktion pro Alpsaison: 12 Tonnen Muotathaler Alpkäse, 2 Tonnen Alpmutschli, 950 Kilogramm Alpgeisskäse, 2,000 Liter Alpjogurt, 900 bis 1‘000 Kilogramm Alpbutter, 80 bis 90 Liter Alprahm
Die Kundschaft hat gerne Abwechslung
Etwa 20 Prozent der Alpprodukte werden über Direktvermarktung abgesetzt: Auf der Alp oder in Theos Verkaufsladen im Dorf Ried unten im Muotathal. Oski beliefert auch Läden, etwa eine Bäckerei in Altendorf, Restaurants und Privatpersonen. Hier im Muotathal wird der Alpkäse als "Tröliger Alpkäse" vermarktet, ausserhalb des Tals wird aller Muotathaler Alpkäse mit einer einheitlichen Etikette vermarktet als "Muotitaler Alpkäse". Der Alpkäse muss mindestens zwei Monate reifen.
Oski erzählt: "Der Tourist fragt jeweils: habt ihr schon Alpkäse? Dann ist es gut, wenn wir Mutschlis haben, die weniger lange reifen müssen, um sie an die Touristen zu verkaufen". Auch der Chnobli-Käse läuft gut. Und Tüftler Oski würde es reizen, auch im Bereich Schimmel-Weichkäse etwas zu entwickeln, denn er meint: "Die Kundschaft hat gerne Abwechslung". Nebst dem Geisskäse könnte sich Oski gut vorstellen, auch noch Formaggini zu produzieren.
Grundsätzlich sieht Oski die Zukunft sehr positiv: "Z‘Alp gehen im Frühling ist für mich eine Leidenschaft." Bloss eine Befürchtung steht im Raum: dass seine Milchlieferanten nach der Aufhebung der Milchkontingentierung im Jahr 2009 ihm weniger Milch liefern könnten. Dann hätte Oski ein Problem.
Schade um den Weltrekord
An der OLMA gewann Oski letztes Jahr mit seinem Alpgeisskäse den ersten Preis. Ebenfalls prämiert wurde letztes Jahr im Muotatal das Alpmutschli. "Da war viel Glück dabei", kommentierte Oski seine Preise. Hingegen wurmte ihn, dass sein Eintrag mit dem grössten Alpkäse aller Zeiten, einem 174-Kilogramm-Käse mit 4 Monaten, ins Guiness-Buch der Weltrekorde nicht geklappt hatte. Der Grund: Die Engländer führen in ihrem Guiness-Buch die Kategorie "Alpen" gar nicht! Dieses Jahr sind die Urschweizer Kantone Gastkanton an der OLMA. Für diese Gelegenheit hat sich Oski wieder mächtig ins Zeug gelegt und aus 2007 Liter Milch einen Alpkäse gemacht, der jetzt im Käsekeller reift für den OLMA-Auftritt.
Alpen sind gefragt im Kanton Schwyz
bw. Der Kanton Schwyz zählt 430 Alpen mit 30 Normalstössen im Schnitt. Die durchschnittliche Schweizer Alp hat 40-45 Normalstösse. Die Schwyzer Alpwirtschaft ist kleinstrukturiert, die Alpbetriebe sind Familienbetriebe. Fast jedes Heimetli hat seine Alp. Schwyzer Alpen sind gefragt. Wird eine frei, so bewerben sich mehrere Interessenten.
Die Gemeinde Muotathal hat 100 Alpbetriebe. Darunter sind 20 Alpkäsereien, die für den Markt produzieren. Auf einigen Alpen wird für den Eigenbedarf Käse gemacht. Auf Alp Tröligen befindet sich zur Zeit die grösste Alpkäserei im Kanton Schwyz. Auf dem Pragelpass ist ein neues Projekt mit einer Alpkäserei auf genossenschaftlicher Basis in Planung, die noch grösser werden soll.
80 bis 90 Prozent der Alpen im Kanton Schwyz gehören Korporationen. Davon befinden sich 70 Prozent der Gebäude in Privatbesitz, 30 Prozent gehören Korporationen.
Im Wägital existiert noch heute ein uraltes Alpsystem, die "Chlöbealpe": Fünf Chlöbe entsprechen einer Kuh. Chlöbe sind handelbar, rein privatwirtschaftlich und stellen einen Besitzanspruch an eine Alp dar.
Ein Abschied der unheimlichen Art
Zum Abschied erzählte Oski von einem anderen Abschied: "Der Grossonkel war zusammen mit Gülli, einem Bekannten, auf der Alp. Sie waren abends oben im Gaden in der Stube, die Türe hatten sie unten geschlossen. Da hörten sie, wie jemand unten herein kam, obwohl die Türe verriegelt war. Sie hörten deutlich, wie sich Schritte in ihre Richtung näherten. Sie konnten aber niemanden sehen. Am nächsten Morgen war die Türe immer noch verriegelt. Zwei Tage später vernahmen sie, dass jemand auf der Nachbaralp gestorben war. Der Verstorbene hatte sich noch von seinen Nachbarn verabschieden wollen."