In einem Aquaponik-System ernähren sich Nutzpflanzen von den Exkrementen der Fische. Die Pflanzen ihrerseits reinigen das Wasser, in dem die Fische schwimmen. Das ist ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Prinzip, das sich in der Natur seit langem bewährt. Bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren befassten sich weltweit verschiedene Forscher mit der integrierten Fisch- und Gemüseproduktion. So auch Bernhard Rennert vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, damals noch in der DDR. Die Genossen von damals hatten aber schliesslich wenig Interesse am umweltfreundlichen System. „Die Umwelt spielte bei denen keine Rolle“, sagt der Fisch-Forscher.
600 Kilogramm Tomaten und 200 Kilogramm Fisch
Die Zeiten haben sich geändert. Bevölkerungsexplosion, knappe Nahrungsmittel und Klimawandel drücken auf das Gewissen der Menschheit. Die Fischerei spielt dabei keine allzu gute Rolle: Die durch Fischzuchten verursachten Gewässerverschmutzungen nehmen weltweit zu. Somit war der Zeitpunkt gekommen, das Projekt von damals wieder aus der Schublade zu holen. So entstand am Ufer des Berliner Müggelsees ein High-Tech-Gewächshaus, in dem nicht nur afrikanische Buntbarsche in ihren Becken herumschwimmen, sondern gleich nebenan auch noch Tomaten wachsen. Die Fische scheiden über ihre Kiemen Ammoniak aus, dazu kommen Phosphat, Kalzium und Spurenelemente – alles also, was Tomaten an Nährstoffen brauchen. Bevor die Nährstoffe in die Pflanzrinnen zu den Tomaten fliessen, durchlaufen sie ein ausgeklügeltes Filtersystem. „Dabei wird Ammoniak in für Pflanzen verfügbares Nitrat umgewandelt“, erklärt Rennert. Die Wurzelballen der Tomaten stehen direkt im mit Nährstoffen gesättigten Wasser aus den Fischbecken, ganz ohne Erde. 600 Kilogramm Tomaten der Sorte „Ferrari“ wurden im ersten Jahr geerntet, daneben wurden 200 Kilogramm Fisch produziert.
Tropische Temperaturen
Die Temperaturen im Gewächshaus sind angenehm, fast schon tropisch. Das ist nötig, denn die Buntbarsche stammen ursprünglich aus Afrika und brauchen entsprechende Temperaturen, im Wasser 25 Grad. Die Fischsorte verwenden Fischzüchter gerne, weil die Fische schnell wachsen und viel Eiweiss enthalten.
Fast kein Wasserverlust
Die Jungfische im Berliner Projekt stammen aus der eigenen Zucht. Die Energie für Steuerung, Heizanlage, Klimaanlage und Filteranlagen liefern Solarzellen von einem Nebengebäude und zwei Wärmepumpen ins Gewächshaus. Energieautark ist die Anlage zwar nicht ganz, effizient aber schon. Die Berliner Forscher haben sich zum Ziel gesetzt, den täglichen Wasserverlust des ganzen Systems auf maximal drei Prozent zu beschränken. Selbst das Wasser, das die Pflanzen als Wasserdampf abgeben, wird über einen Kondensationsfilter aufgefangen und gelangt ins System zurück.
Minimaler Wasser- und Energieverbrauch in einem nahezu geschlossenen Kreislauf, das sind die Hauptziele des Projektes. Ins System rein kommen Fischfutter, Sonnenenergie und sehr wenig Wasser. Raus gehen Tomaten, Speisefische und Schlammabfälle. „In der Praxis sehe ich eine solche Aquaponik-Anlage vor allem in ariden Gebieten mit knappen Wasservorräten“, sagt Rennert.
Die Praxistauglichkeit soll in diesem Jahr erreicht und Kinderkrankheiten ausgemerzt werden. Die Anlage in Berlin kostete umgerechnet rund 1,2 Millionen Franken, für eine Fläche von knapp 160 Quadratmeter. Obwohl es sich um eine Art Prototyp handelt, stellt sich die Frage, ob das System für die Praxis nicht zu teuer ist? „Es sind auch abgespeckte Varianten denkbar“, sagt der Forscher dazu. Ein Student befasse sich im Rahmen einer Masterarbeit mit der betriebwirtschaftlichen Seite des Projektes.
Schwachpunkt Futter
Die Vorteile des Systems sind zwar vielfältig: wenig Emissionen, Düngereinsparung bei der Gemüseproduktion sowie die Doppelnutzung von Wasser, Heizenergie und Bauhülle. Aber bei der Zusammensetzung des Fischfutters gibt es noch einen Schwachpunkt. Zurzeit besteht das Fischfutter vor allem aus Fischmehl, dessen Ruf in punkto Nachhaltigkeit und Ökologie nicht der beste ist. Deshalb suchen die Forscher nach Alternativen.


