
Kein Abbau des Grenzschutzes: Das ist die Botschaft der "Allianz für eine nachhaltige Landwirtschaft" an die Adresse des Bundesrates. Das Bündnis, das vom Schweizer Bauernverband (SBV) auf die Beine gestellt wurde, verkündete Ende November vor den Medien, was es vom Bericht des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik hält: nichts. Die Landesregierung soll ihre Liberalisierungs-Pläne überdenken. Denn die Landwirtschaft sei auf einen wirksamen Grenzschutz angewiesen.
"Keine Abzocke"
Bauernpräsident Markus Ritter bezeichnete den Bericht des Bundesrates als Affront, zumal die Stimmbevölkerung am 24. September mit grosser Mehrheit einen neuen Verfassungsartikel über die Ernährungssicherheit angenommen hat. Grenzschutz sei für die Schweizer Landwirtschaft essentiell. "Das ist keine Abzocke", wetterte Ritter. Der Bauernpräsident erinnerte daran, dass man hierzulande durchschnittlich lediglich 6,3 Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel ausgebe. «Niemand bezahlt prozentual so wenig von seinem verfügbaren Einkommen für Lebensmittel wie die Schweizerinnen und Schweizer», sagte Ritter. Der CVP-Nationalrat und Bio-Bauer kritisierte, dass der Bundesrat den Strukturwandel massiv beschleunigen wolle. "Drei von vier Betrieben sollen beim Generationenwechsel aufhören." Die Landesregierung wolle künftig nur noch Grossbetriebe, die industriell produzierten, warf der Bauernpräsident dem Bundesrat vor.
Unterstützung erhielt Ritter von Hansuli Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes. Dieser betonte die Notwendigkeit eines funktionierenden Grenzschutzes. Ein schrankenloser weltweiter Handel mit Billigprodukten führe zu vielen Verlieren, betonte Huber. Importe sollten nur getätigt werden, um das einheimische Nahrungsmittelangebot zu ergänzen. Huber sprach sich gegen einen forcierten Strukturwandel aus und forderte: «Es muss deutlich mehr vom Konsumentenfranken bei den Bauern ankommen.» Er erinnerte daran, dass die Bauern immer weniger für ihre Produkte erhielten. Man solle mal die Margen der Verarbeiter und Detailhandels unter die Lupen nehmen.
Landwirtschaft braucht Perspektive
Christian Schönbächler, Präsident der Junglandwirtekommission, mutmasste, dass der Bericht des Bundesrats Teil eines politischen Spiels sei. Mit ihren Aussagen verunsichere die Landesregierung die Jungbauern. "Welcher 14-jährige Jugendliche wird sich so noch für eine Landwirtschaftslehre entscheiden?", fragte Schönbächler rhetorisch und bemerkte: «Was wir brauchen, ist gegenseitiges Vertrauen, Stabilität und eine gewisse Beständigkeit der Rahmenbedingungen.»
Josef Infanger, Bergbauer aus Engelberg OW, warf dem Bundesrat vor, mit seinen Plänen die kleinen und mittleren Betriebe zu gefährden. Ohne Grenzschutz sänken die Preise und damit die Einkommen, die im Berggebiet ohnehin schon tief seien, sagte Infanger.
Auch Verarbeiter wehren sich
Hansjörg Knecht, SVP-Nationalrat und Mitinhaber einer Mühle, betonte, dass ein grenzenloser Freihandel auch Molkereien, Zuckerfabriken und Mühlen treffen würde. "Wir sitzen im gleichen Boot wie die Landwirtschaft", so Knecht. Der Getreidesektor leide besonders unter einer Politik der blinden Öffnung. "Unter EU-Preisbedingungen wird die Brotgetreideproduktion in der Schweiz vollständig verschwinden", betonte Knecht.
Maya Graf, Nationalrätin und Co-Präsidentin Hochstamm Suisse, betonte, dass die Landwirtschaft für den Bundesrat lediglich eine "Verhandlungsmasse" sei, die im Interesse der Industrie und der Banken Opfer erbringen müsse. Graf kritisierte, dass der Bericht des Bundesrates keine Aussagen enthält, wie faire Handelsbeziehungen in der Land- und Ernährungswirtschaft umgesetzt werden könnten.
Tiefere Produzentenpreise
Gemäss Jimmy Mariéthoz, Direktor des Verbands Schweizer Gemüseproduzenten, wäre eine Grenzöffnung eine existenzielle Bedrohung für die hiesige Gemüseproduktion. Er wies darauf hin, dass die Produktionskosten in der Schweiz ungleich höher seien als im Ausland.
Anne Challandes, Vorstandsmitglied des Schweizer Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, forderte, dass die Landwirtschaft nicht in erster Linie nach ihrer Wettbewerbsfähigkeit, sondern an ihrer Ernährungsfähigkeit gemessen werde. „Wir Bauernfamilien arbeiten heute schon viel für bescheidenes Entgelt, was sich auf die Zufriedenheit und den Familienalltag auswirkt. Die Leidensfähigkeit unserer Bauernfamilien ist nicht endlos.“
Francis Egger vom Schweizer Bauernverband zeigte auf, was die Pläne des Bundesrates für die Landwirtschaft bedeuten würden: einen geringeren Selbstversorgungsgrad, tiefere Produzentenpreise sowie mehr Betriebsaufgaben.
