Für Andreas Stämpfli ist Bauer sein mehr als ein Beruf. Im bernischen Meikirch führt der Ingenieur-Agronom einen Betrieb mit 17 Hektaren Land, 16 Kühen und 6,5 Hektaren Wald. Auf seinen Feldern findet man Weizen, Mais, Eiweisserbsen, Futtergras und Triticale, ein Futtergetreide. Stämpfli ist auch Forscher. Er arbeitet 50 Prozent an der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft (SHL), wo er auch studiert hat, als Projektmitarbeiter und untersucht anhand eines an der Hochschule entwickelten Modelles, wie nachhaltig Bauernbetrieb sind. Sein eigener zum Beispiel. Und deshalb weiss er auch ziemlich genau, wie es um seinen Betrieb steht. "Also die Nachhaltigkeit hat ja drei Dimensionen: Die ökologische, die ökonomische und die soziale", fängt er an. "Bei der Ökologie bin ich im Vergleich zu anderen Betrieben in der Umgebung über dem Durchschnitt. Weil mir das auch wichtig ist. Das heisst, beim Ökoausgleich, beim integrierten Pestizideinsatz, bei der Düngung und der Bodenbearbeitung gebe ich mir besonders Mühe." Stämpfli hält seine Kühe nach den Richtlinien der IP-Suisse, und auch der Ackerbau erfüllt die IP-Suisse-Anforderungen.
Stämpfli ist auch der einzige im Dorf, der eine Buntbrache angelegt hat. Bei der Dorfbevölkerung kämen die Blumen im Feld gut an, sagt er. Bei den Bauernkollegen allerdings gar nicht. Für die sei das immer noch "Blüemlizeug", mit dem man keine Arbeit habe und trotzdem Geld verdiene – Direktzahlungen vom Staat nämlich.
Mit den Kartoffeln aufgehört
Um wieder zur Nachhaltigkeit zu kommen: "Wirtschaftlich sieht es schlechter aus als bei der Ökologie", sagt er. Die Hofstrukturen sind auf einen Ein-Mann-Betrieb ausgelegt, derzeit sei man eine Generationengemeinschaft, sein Vater Alexander Stämpfli ist über 70-jährig. "Im Moment ist das Problem, dass der Betrieb relativ viele Leute bezahlen muss, der Bruder des Vaters arbeitet auch noch mit", sagt Stämpfli. Und es sei praktisch nur die Milch, die noch ein Einkommen bringe. Wirtschaftlich gesehen gebe es in der Gegend sicher nachhaltigere Betriebe.
Früher baute Stämpfli noch Kartoffeln an. Damit hat er 2001 aufgehört. "Wir hatten zwei Hektaren, relativ viel Arbeitsaufwand und keinen verbindlichen Abnahmevertrag. Uns wurden Kartoffeln abgewiesen, die nicht qualitative Mängel aufwiesen, sondern nur optische." Statt des Geldes, das er früher mit den Kartoffeln hereingeholt hat, verdient er heute etwa doppelt so viel an der SHL.
Weil die Kartoffeln aus der Fruchtfolge gefallen sind, ist die Fruchtfolge nun getreidelastiger, mit Folgen für die Bewirtschaftung: Wenn er Triticale nach Weizen anbaut, braucht es entweder mehr chemischen Pflanzenschutz oder mehr Arbeit mit dem Pflug, um Krankheiten zu vermeiden. Stämpfli bevorzugt letzteres.
Fruchtfolge
wy. Bei einer Fruchtfolge werden verschiedenen Kulturpflanzen nacheinander auf ein und demselben Feld angebaut. Die Fruchtfolge ist somit das Gegenteil einer Monokultur, bei welcher ständig dieselbe Kultur auf demselben Feld angebaut wird. Durch eine geregelte Fruchtfolge wird das Risiko von Schäden vermindert, die bei Monokulturen typisch sind: sehr starke Verunkrautung, Aushungern des Bodens durch übermässigen Verlust bestimmter Nährstoffe sowie die explosionsartige Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen. Damit eine Fruchtfolge den gewünschten Effekt erzielt, müssen bestimmte Dinge beachtet werden. So sollte die Fruchtfolge eine möglichst grosse Vielseitigkeit aufweisen, zwischen Kulturen, die sich nicht gut vertragen, sollten möglichst viele Jahre dazwischen liegen und die Brachezeit sollte so kurz wie irgend möglich sein.
Zusammengehen mit dem Nachbar
Die Kartoffeln aufzugeben war ein Schritt, bei dem Stämpfli dem wirtschaftlichen Druck nachgegeben hat. Der nächste Schritt könnte eine Betriebsgemeinschaft mit dem Nachbar sein. "Da sind wir jetzt am Abklären. Wir hoffen so, die wirtschaftliche Seite verbessern zu können."
Die Vorteile: Die beiden Betriebe würden gut zueinander passen. Der Nachbar hat eine neue Scheune, einen Laufstall, ist gut eingerichtet, hat seine Ackerflächen nahe beieinander. Bei Stämpflis ist es gerade umgekehrt: Die Einrichtungen sind abgeschrieben, der Hof ist im Dorf eingezwängt, es fehlen die Entwicklungsmöglichkeiten. "Der andere Betrieb hat gutes Ackerland. Unser Land ist etwas steiler und eher geeignet für Futterbau. Wenn man beide Betriebe zusammenlegen könnte, ergäbe sich nicht nur ein Betrieb mit 40 Hektaren, man könnte auch standortgerechter produzieren." Das heisst, das flache Land könnte für die Ackerkulturen genutzt werden, das steilere für die Ökoflächen.
Die Nachteile: Es müsste genau geregelt werden, wer was macht und wie viel Geld er dafür erhält. "Dies bedingt eine gute Planung und gibt der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit mehr Gewicht.", sagt er. Und: Stämpfli hat reinrassige Simmentalkühe mit Hörnern, der Stolz des Vaters, eines passionierten Simmental-Züchters. Die sind zwar im Dorf eine Attraktion, aber in Nachbars Laufstall würden sie nicht so recht passen – sie brauchten zu viel Platz. Und sie enthornen, "das würde mir weh tun" meint Stämpfli.
Insgesamt würde mit der Betriebsgemeinschaft der Ackerbau wieder interessanter. Für Stämpfli ist das wichtig. "Es braucht den Ackerbau. Gemischte Betriebe sind für diese Gegend ideal." Auch ökologisch wäre eine Betriebsgemeinschaft kein Rückschritt, glaubt Stämpfli.
Mehr Pflanzenschutz wegen kürzerer Fruchtfolge
Hans Ramseier, Dozent für praktischen Pflanzenschutz und Ökoausgleich an der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft, sagt gegenüber dem LID: "Wenn der Ackerbau im Nebenerwerb oder von den Lohnunternehmern betrieben wird, dann sind vielfach die Zeitpunkte für die Bodenbearbeitung, die Saat oder für den Pflanzenschutz nicht mehr optimal." Damit werde dann auch mehr Spritzmittel benötigt, als wenn man die Arbeiten im optimalen Zeitpunkt machen würde. Was hält Stämpfli davon?
Er ist nur halb einverstanden. Es stimme wohl schon, dass auf einem Nebenerwerbsbetrieb die Bodenbearbeitung einfach dann gemacht werde, wenn man nicht auswärts arbeite, und der Zeitpunkt vielleicht nicht ganz optimal sei. Das sei auch mit Lohnunternehmern zum Teil so. "Andererseits ist ein Bauer im Nebenerwerb wirtschaftlich weniger unter Druck." Das führe zu anderen Spielräumen auf dem Hof. Ferner seien im Dorf die Haupterwerbsbetriebe eher noch die Betriebe mit Intensiv-Produktion. "Gerade beim Getreide braucht die ökologischere Extenso-Variante auch weniger Arbeit. Von den Umweltschäden her sehe ich deshalb nicht generell ein Problem."
Problematisch sei eher, dass Kartoffeln und Zuckerrüben mit den sinkenden Preisen immer mehr verschwinden könnten und in den getreidebetonten Fruchtfolgen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wieder höher werde. Diese Tendenz sei zum Teil heute schon erkennbar.
Zur Selbstversorgung stehen
Auf die Frage, wie stark denn die Preise noch sinken dürften, bevor auch er mit dem Ackerbau aufhören würden, weicht Stämpfli aus. "Der Bund muss entscheiden, ob er die Selbstversorgung als Auftrag für die Landwirtschaft noch will oder nicht. Und wenn er sie noch will, dann muss er auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen." Ohne staatliche Hilfe sei Ackerbau in der Schweiz nicht machbar. Im Gegensatz zum Käse seien die Ackerfrüchte keine Exportprodukte. Deshalb müsse im Inland diese Produktion explizit geschützt werden. "Sonst haben wir gegen die Produkte aus dem Ausland absolut keine Chance."
Bilder von Andreas Stämpfli sind bei der Redaktion erhältlich. redaktion@lid.ch
Bild 1: "Ich hoffe, die wirtschaftliche Situation mit einer
Betriebsgemeinschaft verbessern zu können", sagt Andreas Stämpfli. (wy)
Bild 2: "Die Kühe enthornen, das würde mir wehtun",
meint Andreas Stämpfli. (wy)