
Bergbauer Armin Capaul und seine Mitstreiter der IG Hornkuh haben es geschafft. 120‘859 beglaubigte Unterschriften haben sie 23. März mit Glockengeläut und Jodelgesang der Bundeskanzlei übergeben. Die Initiative verlangt, dass der Bund Tierhalter finanziell entschädigt, wenn diese Kühen und Ziegen ihre Hörner belassen.
Für Capaul ist die Einreichung der Volksinitiative ein erster Erfolg, nachdem er mit seinem Hörnerbeitrag mehrfach abgeblitzt war. 2010 forderte er zusammen mit Bauer Daniel Wismer in einem Brief das Bundesamt für Landwirtschaft auf, für behornte Tiere Direktzahlungen zu entrichten – jedoch vergeblich. Auch das Parlament wollte im Rahmen der Beratung der Agrarpolitik 2014/17 nichts von einem Hörnerbeitrag wissen. Daraufhin lancierte Capaul zusammen mit der 2012 gegründeten IG Hornkuh eine Volksinitiative.
LID: Haben Sie immer daran geglaubt, dass Sie die nötigen 100‘000 Unterschriften zusammenbringen?
Armin Capaul: Ich habe es gehofft. Mitte 2015 hatten wir lediglich 50‘000 Unterschriften zusammen. Ich dachte schon, was für eine Blamage. An Weihnachten waren es dann 89‘000. Danach setzte eine Welle ein, die Initiative wurde zum Selbstläufer. Unsere Website wurde im Januar und Februar 2016 deutlich häufiger aufgerufen. Die Leute haben Unterschriftenbögen heruntergeladen und unterschrieben eingeschickt. Das ist phänomenal.
War es schwierig, die Leute auf der Strasse von Ihrem Anliegen zu überzeugen?
Nein. Die haben meist gleich unterschrieben und mir erklärt, warum Kühe Hörner brauchen.
Nicht alle Bauern haben Freude an Ihrer Initiative.
Ich will die Bauern nicht spalten, das machen andere schon. Ich nehme den Bauern ja nichts weg. Diejenigen, die hornlose Kühe wollen, sollen diese auch weiterhin halten dürfen.
Die Initiative lässt die Höhe der finanziellen Unterstützung offen. Wie viel Geld soll der Bund für eine behornte Kuh bezahlen?
Unsere Idee ist: 500 Franken pro Kuh und 100 Franken pro Ziege.
Angenommen, der Bund führt nun doch einen Hörnerbeitrag ein. Ziehen Sie dann die Initiative zurück?
Nein, die Initiative ziehen wir nicht zurück. Das Bundesamt für Landwirtschaft muss jetzt auch gar nichts einführen, sondern warten, was das Volk dazu sagt. Die städtische Bevölkerung zahlt via Steuern am meisten Direktzahlungen. Wenn diese will, dass Kühe wieder Hörner haben, dann muss der Bund entsprechend handeln.
Kritiker bemängeln, dass Ihr Anliegen nicht in die Verfassung gehört.
Der Bundesrat könnte einen Hörnerbeitrag via Verordnung einführen. Das bedeutet aber auch, dass man einen solchen wieder kippen kann. Steht der Hörnerbeitrag hingegen in der Verfassung, bleibt das auch so.
Woher kommt Ihr unermüdliches Engagement für behornte Kühe und Ziegen?
Ich will diesen Tieren ihre Würde zurückgeben, sie können sich ja selber nicht wehren. Im Tierschutzgesetz steht, dass man Tieren keine Schmerzen zufügen darf, dass man ihre Würde nicht verletzen und ihr Aussehen nicht verändern darf.
Anzahl Hornkühe unbekannt
mw. Rund 700‘000 Kühe gibt es in der Schweiz. Davon sind rund 580‘000 Milchkühe und 120‘000 Mutterkühe. Wie viele davon Hörner tragen, weiss niemand, denn eine offizielle Statistik existiert nicht. Der Schweizer Bauernverband schätzt den Anteil behornter Milchkühe auf 10 Prozent. Eine Umfrage von KagFreiland und der TSM Treuhand GmbH aus dem Jahr 2014 ergab einen “Horn-Anteil“ von 27 Prozent bei Milchkühen. Allerdings beruht diese Zahl auf den Angaben von lediglich 1‘200 der insgesamt über 20‘000 Schweizer Milchbauern. Was die Umfrage weiter zeigt: Je grösser die Kuhherde, desto eher sind die Tiere enthornt. Ausserdem gilt: Bauern mit Laufställen enthornen häufiger als solche mit Anbindeställen. Auch punkto Rindvieh-Rasse gibt es Unterschiede: Holstein-Kühe sind meist hornlos, während der Anteil behornter Fleckvieh-Kühe bei 17 % liegt, beim Braunvieh sind es 30 %.
Chronologie der Horngeld-Idee
Dezember 2010: Die beiden Bauern Armin Capaul und Daniel Wismer lancieren die Idee eines Hornfrankens. In einem offenen Brief an das Bundesamt für Landwirtschaft schlagen sie vor, für Tiere mit Hörnern einen Franken pro Tag und Grossvieheinheit zu bezahlen.
April 2012: Die IG Hornkuh wird gegründet. Sie soll dafür sorgen, dass das Parlament dem Hörnerfranken zustimmt.
Oktober 2013: Der Bundesrat präsentiert die Verordnungen zur Agrarpolitik 2014-17. Direktzahlungen für Hörner tragende Kühe und Ziegen sind nicht enthalten.
Dezember 2013: Die IG Hornkuh reicht eine von über 18‘000 Personen unterzeichnete Petition ein. Damit soll dem Anliegen zum Durchbruch verholfen werden, nachdem es in den Beratungen zur neuen Agrarpolitik gescheitert war. Einen Franken pro Kuh und 20 Rappen pro Ziege werden gefordert.
September 2014: Die Hornkuh-Initiative wird lanciert. Sie verlangt Direktzahlungen für behornte Kühe und Ziegen. Konkrete Zahlen zur Entschädigung sind nicht mehre enthalten.
März 2016: Die 100‘000 beglaubigten Unterschriften sind nach fulminantem Schlussspurt zusammen. Die Initiative wird bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Deshalb werden Kühe enthornt
mw. Gemäss Schweizer Bauernverband hat das Aufkommen von Laufställen das Enthornen von Rindern gefördert. In den traditionellen Anbindeställen hätten Hörner nicht gestört. In Laufställen hingen können sich die Tiere frei bewegen und Rangkämpfe austragen, was zu Verletzungen führen kann. Auch für Bauern kann von behornten Kühen eine Verletzungsgefahr ausgehen. Enthornt wird aber nicht nur wegen der Sicherheit, sondern ebenso aus einem wirtschaftlichen Grund: Hornlose Kühe brauchen weniger Platz im Stall, ein Bauer kann also mehr Tiere auf der gleichen Fläche halten.
Enthornen bedeutet nicht – wie es der Begriff suggeriert -, dass ein bestehendes Horn quasi amputiert wird. Das kann zwar in seltenen Fällen vorkommen, gängige Praxis ist aber eine andere: Kälbern werden im Alter von zwei bis drei Wochen nach vorgängiger Betäubung die Hornanlagen mit einem Brennstab entfernt. Bauern dürfen dies selbst tun, wenn sie einen entsprechenden Kurs absolviert und einen Sachkundenachweis erbracht haben.

