
Der Boden wurde und wird in der Bevölkerung und der Politik weniger intensiv wahrgenommen als andere Umweltbereiche, entsprechend langsamer wird gehandelt. Verunreinigte Luft riecht man, schmutziges Wasser sieht oder schmeckt man, aber ein kranker Boden liegt einfach da und sagt nichts. Die wenigsten Menschen können eine Minderung der Bodenqualität mit ihren Sinnen wahrnehmen. Kein Wunder wurde der Boden erst lange nach anderen Bereichen in der Gesetzgebung der Schweiz geschützt.
Zuerst wurde Ende des 19.Jahrhunderts der Wald – und damit die Waldböden – geschützt. Auslöser war das massive Abholzen von Wäldern im 19. Jahrhundert, welche zu Erosions-Schäden, Hangrutschungen und Überschwemmungen führte. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte eine eigentliche wirtschaftliche Wachstums-Euphorie und Fortschritts-Gläubigkeit ein. Das führte in Industrie, Gewerbe, Haushalt und im Verkehr zu einem immer grösseren Bodenverbrauch und zu stärkeren Emissionen und Umweltbelastungen.
Die Landwirtschaft war daran nicht ganz unbeteiligt, der Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln erfolgte im grossen Stil. Zum Schutz von Gewässern, Luft und Böden wurde 1971 das Gewässerschutzgesetz (GSchG) erlassen. Der quantitative Bodenschutz wurde erstmals mit dem Raumplanungsgesetz (RPG) von 1980 zum Thema. Im Umweltschutzgesetz war der Boden erst ab 1985 ein Thema, die Verordnung über die Schadstoffe im Boden (VSBo) trat 1986 in Kraft.
Im Landwirtschaftsgesetz (LwG, SR 910.1) finden sich mehrere Punkte, die Einfluss auf den Boden oder die Bodenqualität haben. Da ist das Einhalten des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) als Voraussetzung für den Bezug von Direktzahlungen (ausgeglichene Düngerbilanz, geregelte Fruchtfolge, geeigneter Bodenschutz, gezielte Auswahl und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln). Daneben gibt es Ressourceneffizienzbeiträge einschliesslich der Beiträge für schonende Bodenbearbeitung. Auch die Beiträge für Produktionssysteme (Bio- und Extenso-Produktion) beeinflussen die Bodennutzung. Dazu kommen Programme für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen Art. 77a im Landwirtschaftsgesetz.
Boden-Politik
In der Bundesverfassung und im Raumplanungsgesetz ist das Ziel einer haushälterischen Nutzung des Bodens und einer geordneten Besiedlung des Landes definiert. Diese Ziele sind nicht nur mengenmässig, sondern auch qualitativ von Bedeutung. Gute Böden sollten besser geschützt werden als weniger gute. Die qualitative Dimension wird jedoch bei der Umsetzung der Raumplanungspolitik wenig – bis gar nicht – berücksichtigt. Bislang hat die Politik keine Grenzwerte hinsichtlich der Bodenqualität festgelegt, die eingehalten werden müssten, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Vor 3 Jahren hat das Parlament der Schaffung eines Nationalen Bodenkompetenzzentrums zugestimmt. Diese zentrale Verwaltungs- und Koordinationsstelle für Bodeninformationen gibt es noch immer nicht. Bis heute werden auf nationaler Ebene keine Bodendaten erhoben und verfügbar gemacht die für die wichtigsten anstehenden Herausforderungen in Bezug auf Ernährungssicherheit, Raumplanung und Klimawandel wichtig wären. Seit der Aufhebung der einzigen bundesweiten Anlaufstelle für Bodenkartierung im Jahr 1996 gibt es keine Institution mehr, die Standards für eine gesamtschweizerisch einheitliche Bodendatenerhebung unterhält und aktualisiert. Dass eine nationale Fachstelle fehlt, welche die aufkommenden Fragen bezüglich Bodennutzung und Bodenschutz beantworten kann, war im Parlament unbestritten. Folgen hatte die Annahme der Motion bislang aber noch keine. Nebst den fehlenden Bodendaten bleiben weitere Wissensluücken bestehen: Beispielsweise wurden im nfp 68 zahlreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen nicht bearbeitet. Auch gilt es, den Zusammenhang zwischen Bodengesundheit und Lebensmittelqualität weiter zu vertiefen. Hier wäre die Forschung gefordert.
Mögliche Bodenschutzinstrumente
Damit in der Raumplanung vermehrt auch die Bodenqualität berücksichtigt werden kann, wurden im Forschungsprogramm NFP 68 Grundlagen für das Erstellen eines Bodenindikators (BI) erarbeitet. Um den Bodenverbrauch zu vermindern und zu begrenzen, werden drei mögliche Instrumente vorgeschlagen: die Bodennutzungsabgabe, die Kontingentierung der Bodenindexpunkte und die Erweiterung des Sachplans Fruchtfolgeflächen auf alle ökologischen Bodenfunktionen. Alle Instrumente bieten Chancen, aber auch einige Herausforderungen in der Umsetzung. Soll der Bodenverbrauch absolut begrenzt werden, führt nichts an einer Kompensationspflicht vorbei, bei der die Bodenqualität zusammen mit der Fläche den zu kompensierenden Boden bestimmt.
Bodennutzungsabgabe
Die Bodennutzungsabgabe ist ein marktwirtschaftliches, anreizorientiertes Instrument. Für das Überbauen einer Fläche wird eine einmalige Abgabe fällig, wobei die Abgabenhöhe nicht nur von der Fläche, sondern auch von der Bodenqualität der überbauten Fläche abhängig ist: je höher die Qualität, desto höher die Abgabe. Damit könnte ein finanzieller Ansatz geschaffen werden, die Überbauung qualitativ hochwertiger Flächen zu vermeiden.
Kontingentierung der Boden-Indexpunkte
Dabei wird das Gesamtkapital an Bodenqualität (z.B. über Bodenindexpunkte) berechnet. Anschliessend wird ein Kontingent an Bodenindexpunkten festgelegt, das künftig noch verbraucht werden darf. Die Kontingente könnten verteilt und gehandelt werden. Da die Überbauung von Böden mit hoher Qualität einen grossen Anteil des Kontingentes beanspruchen würden, würden neue Bauten auf vergleichsweise schlechteren Böden erstellt und die Innentwicklung gefördert. Allerdings besteht die Gefahr, dass den Kantonen oder den Gemeinden neue Indexpunkte zugewiesen werden, wenn die alten aufgebraucht sind. Deshalb müsste ein schweizweiter Grenzwert für den Verbrauch an Bodenqualität festgelegt werden.
Global betrachtet bleibt ein grundsätzliches Problem bestehen: Wenn der Bodenverbrauch in der Schweiz begrenzt, erschwert oder auch nur verteuert wird, nimmt er im Ausland zu.
Erweiterung des Sachplans Fruchtfolgeflächen
Es sollte ein Mindestumfang der zu erhaltenden «guten Böden» festgelegt werden. Der heutige Sachplan bezeichnet Böden mit einem hohen landwirtschaftlichen Produktionspotenzial als Fruchtfolgeflächen. Mit der Erweiterung könnten künftig weitere Bodenfunktionen, wie die Regulierungsfunktion, die Lebensraumfunktion, die Ökosystemleistungen etc. bei der Festlegung der «gute Böden» mitberücksichtigt werden.

Bodenqualität als grosse Unbekannte
Eine zentrale Herausforderung bei den drei vorgeschlagenen Instrumenten sind die fehlenden Bodeninformationen. Für die Akzeptanz von Raumplanungsinstrumenten, bei denen die Bodenqualität berücksichtigt wird, ist ein guter Bodenindikator zentral. Damit wären wir wieder beim Kompetenzzentrum Boden, welches wie erwähnt schon vor 3 Jahren vom Parlament gutgeheissen, vom Bund bislang aber noch nicht umgesetzt worden ist.
Bei der Raumplanung könnten verschiedene Instrumente zum Zug kommen. Zum Beispiel Bodenindexpunkte und ein Bestandsschutz für besonders fruchtbaren und ökologisch wertvollen Boden. Böden mit hoher Bodenqualität könnten so von Einzonungen ausgenommen werden. Auch ein Finanzausgleich bei Siedlungsausweitungsverzicht wurde im NFP 68 angedacht. Dabei würde der Verzicht auf eine Ausweitung der Siedlungsfläche im Rahmen eines innerkantonalen Finanzausgleichs abgegolten.
Im NFP-68-Projekt standen drei neue Instrumente im Fokus:
- Die Einführung einer Flächennutzungsabgabe mit Berücksichtigung der Bodenqualität und der Zersiedelung.
- Eine Kontingentierung der Bodenindexpunkte: Dabei würde der maximale Verbrauch von Bodenindexpunkten festgelegt.
- Eine Kontingentierung der Böden mit hoher Qualität: Von den besten Böden mit einem hohen Bodenindex dürfte nur noch ein bestimmter Anteil eingezont beziehungsweise überbaut werden.
Die Ressource Boden würde mit diesen Instrumenten grundsätzlich besser geschützt. Davon würde die Landwirtschaft profitieren. Es würden aber auch einige Landwirtschaftsbetriebe zu den Verlierern zählen, weil sie weniger gute Flächen bewirtschaften. Denn diese Flächen würden dann als erstes versiegelt oder überbaut.
Anpassung bestehender Instrumente
Mindestens so nötig wie den Bodenschutz zu verbessern wäre es, Fehlanreize zu beheben. Mit der Steuerpolitik werden beispielsweise nach wie vor Anreize für grosse Pendlerdistanzen und damit dezentralisiertes Wohnen gesetzt. Auch das Wohneigentum wird stark gefördert. Zudem werden weder für den Verkehr noch für andere Infrastrukturen verursachergerechte und kostendeckende Preise bezahlt. Das macht das Verbauen von Land auf dem Land attraktiv.
Ein grosses Problem ist auch das Bauen ausserhalb der Bauzone. Obwohl das eigentlich nur eingeschränkt möglich sein sollte, lagen 2016 ungefähr 38 Prozent der Siedlungsflächen ausserhalb der Bauzonen, obwohl nur ein Teil davon der landwirtschaftlichen Nutzung im engeren Sinn dient. Und was einmal gebaut worden ist, wird kaum je wieder "rückgebaut", sondern höchstens umgenutzt. Zum fortschreitenden Fläschenverbrauch ausserhalb der Bauzone trägt auch die Landwirtschaft bei: Der Strukturwandel führt zu grösseren Betrieben, die verschärften Tierschutzverordnungen zu flächenintensiveren und voluminöseren Betriebsgebäuden.
Auch der Schutzstatus des Waldes könnte überprüft werden. Der Wald geniesst heute absoluten Schutz, weshalb das Siedlungswachstum bisher hauptsächlich auf Kosten der Landwirtschaft ging. Welche Folgen eine Lockerung des Waldschutzes hätte, wurde in einer Modellierung im Kanton Zürich untersucht: Rund 27 Prozent der neu überbauten Fläche würden dann auf Waldfäche anstatt auf Kulturland realisiert. Aus Sicht des Kulturlandes wäre das natürlich von Vorteil, allerdings würden die Erholungsfunktionen und Ökosystemleistungen des Waldes eingeschränkt, was von der Bevölkerung als negativ wahrgenommen werden könnte.
Eine Bodenagenda für die Raumplanung
Der Druck auf qualitativ hochwertige Böden wird in Zukunft kaum nachlassen. Um zu verhindern, dass weiterhin wertvolle Böden durch bauliche Nutzungen zerstört werden, ist das Element der Bodenqualität zentral. Die NFP-Forscher schlagen eine Agenda für die Raumplanung mit folgenden Punkten vor:
- Beim Abwägen der Nutzungsinteressen müssen die qualitativ hochwertigsten Böden besser geschützt werden. Das Raumplanungsgesetz soll explizit um das Kriterium der Bodenqualität ergänzt werden.
- Um der grossen Bedeutung der Interessenabwägung gerecht zu werden, ist ein eigener Abstimmungs- und Abwägungsartikel ins Raumplanungsgesetz aufzunehmen. Damit würde die Interessenabwägung in der Praxis gestärkt und deren Qualität erhöht.
- Die Interessenabwägungen müssen möglichst frühzeitig erfolgen, das heisst bereits im Rahmen von Sach- und Richtplanungen und nicht erst im Baubewilligungsverfahren. So können wichtige Weichenstellungen vorgenommen werden.
- Die Raumplanung ist zudem um Bodenindexpunkte zu ergänzen. Dazu bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Bodenqualität wird im Rahmen der raumplanerischen Interessenabwägung berücksichtigt (siehe oben) oder es würde alternativ und anstelle des heutigen Sachplans FFF das Instrument der Bodenindexpunkte in einem eigenständigen Gesetzesartikel verankert. Dazu könnte im Raumplanungsgesetz ein Artikel mit dem Titel "Erhalt der wertvollen Böden" geschaffen werden. Die Kantone würden die maximalen jährlichen Verbrauchsraten an Bodenindexpunkten pro Gemeinde bestimmen und die Bodenindexpunkte verteilen. Die Berücksichtigung der Bodenqualität in der Interessenabwägung würde damit erheblich gestärkt, der Ermessensspielraum der Planungsbehörden jedoch eingeschränkt. Eine Kontingentierung der FFF, wie sie der heutige Sachplan vorsieht, wäre in diesem Fall hinfällig.
- Bei der Einführung von Bodenindexpunkten besteht die Gefahr, dass den Kantonen neue Indexpunkte zugewiesen werden, wenn sie einmal aufgebraucht sind, sodass das Potenzial an Bodenqualität irgendwann in Zukunft ausgeschöpft ist. Langfristig ist es daher unerlässlich allgemeingültige Grenzwerte für den Verlust an Bodenqualität festzulegen. Man müsste definieren ab welchem Punkt keine zusätzlichen Verluste an Bodenqualität mehr toleriert werden, ohne dass diese kompensiert werden, oder um wie viel die Bodenqualität verbessert werden müsste.
- Als Voraussetzung für Bodenindexpunkte müssen die notwendigen Bodeninformationen durch Bodenkartierungen erhoben, Bodenfunktionen bewertet und in einem Bodenindex zusammengefasst werden.
- Eine entscheidende Rolle für eine nachhaltige Nutzung der Ressource Boden in der Schweiz spielt das Bauen ausserhalb der Bauzone. Der fortschreitende Verlust qualitativ hochwertiger Böden durch Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone ist zu begrenzen. Ausserdem ist für landwirtschafts-fremde Nutzungen ausserhalb der Bauzone ein Mehrwertausgleich vorzusehen. Dabei soll die Bodenqualität, in Verbindung mit einem Bodenindex, künftig eine wichtige Rolle im Abstimmungsprozess spielen. Um die Aufsicht über den Vollzug zu verstärken, ist die Datenbasis zu verbessern und ein flächendeckendes Monitoring aufzubauen.
- Der Druck zur Innenentwicklung muss aufrechterhalten werden. Ein konsequentes Flächen-Management (Rückzonungen, Abtausch von Bauzonen, Baulandumlegungen und Bekämpfung der Baulandhortung) als wichtiger Bestandteil einer haushälterischen Bodennutzung ist unumgänglich. Dabei ist vermehrt auf die Bodenqualität innerhalb der Bauzonen zu achten. Böden sollen so wenig wie möglich versiegelt werden.
- Um Bodendaten informativ darzustellen und das Verständnis der Akteurinnen und Ak- teure für Auswirkungen von Planungsentscheidungen auf die Bodenqualität zu fördern, sind vermehrt Simulationsmodelle und Visualisierungsplattformen einzusetzen.
- Die Forschung im Bereich "Bodenqualität und Raumentwicklung" ist weiter zu fördern.