Während der Ausbau erneuerbarer Energien in der Schweiz vergleichsweise bescheiden gefördert wird, gibt die EU Vollgas. Sie verfolgt ehrgeizige Ziele und will bis ins Jahr 2020 den Anteil erneuerbarer Energie am Energieverbrauch auf 20 % steigern (aktuell sind es 12 Prozent), sowie den Anteil Agrokraftstoffe auf 10% erhöhen, der derzeit bei gut 4% liegt. Das hat Folgen – nicht zuletzt auch für die Landwirtschaft, wie ein paar Beispiele aus anderen Ländern zeigen.
7.1 Deutschland "vermaist"...
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG) hat in Deutschland ein wahrer Run auf Biogasanlagen eingesetzt, vor allem in Süddeutschland. Von 7'000 Anlagen steht rund jede dritte in Bayern. Anders als in der Schweiz, werden die Biogasanlagen nicht nur mit Abfallstoffen, sondern vor allem mit nachwachsenden Rohstoffen – in erster Linie Mais – beschickt. Die Maisanbaufläche stieg nach Angaben des deutschen Maiskomitees zwischen 2005 und 2010 von 1,7 Mio. Hektar auf 2,5 Mio. Hektar, allein im letzten Jahr wuchs sie um zehn Prozent.
Da in Deutschland keine Fruchtfolge wie in der Schweiz vorgeschrieben ist, "vermaisen" ganze Landstriche zusehends. Bereits werden in einzelnen Regionen bis zu 70% der Landwirtschaftsfläche mit Mais bestellt. Der energiereiche Rohstoff ist so sehr gefragt, dass er in vielen Gegenden teuer geworden ist. Das hat zu steigenden Pachtzinsen für Land geführt, so dass es sich viele Milchbauern inzwischen fast nicht mehr leisten können, Mais als Viehfutter anzubauen. Pachtzinsen bis 1'400 Euro pro Hektar Silomaisfläche lassen sich auch in Deutschland mit der Milchproduktion nicht erwirtschaften.
Wegen des steigenden Bedarfs an Mais für die Biogasproduktion bauen die deutschen Bauern zudem deutlich weniger Futtergetreide an. Diese Lücke wird nun durch vermehrte Importe von Soja kompensiert, was ebenfalls zu steigenden Futterkosten für die Nutztierhalter führt. Neben Mais wird auch das Gras von Naturschutzflächen und sogar von invasiven Neophyten – eingeschleppte Pflanzen – für die Produktion von Biogas eingesetzt.
Weil die Biogasanlagen in Deutschland immer grösser werden, sind längst nicht mehr alle in bäuerlicher Hand. Zunehmend treten Investoren auf, die die Bauern nur noch als Rohstofflieferanten unter Vertrag nehmen. Und die kennen keine Gnade wenn die Lieferpflicht einmal, z.B. witterungsbedingt, nicht erfüllt wird. Der Goldgräberstimmung weicht langsam der Ernüchterung, dass nicht alles Gold ist, was sich in Energie verwandeln lässt.
... und macht windige Geschäfte
Bei Windkraftanlagen sind die Bauern noch viel seltener die Besitzer: Nur an wirklich sehr windköpfigen Standorten kann ein bäuerlicher Landbesitzer eine Windkraftanlage selbst finanzieren. Auch Bürgerwindparks sind noch eine Minderheit. In 95% der Fälle gehören Windkraftanlagen Investoren. Und die treten gestaffelt auf: Vor den eigentlichen Anlagenbetreibern kommen Makler auf den Hof, die erst einmal das Nutzungsrecht für windköpfige Standorte sichern und diese Verträge dann an die Anlagenbauer weitervermitteln.
Oft versprechen diese Makler viel und halten wenig. Auf vielen Flächen wird lange Zeit oder gar nicht gebaut. Wenn dann gebaut wird, stellt sich oft heraus, dass die Bauern auch noch gratis eine Kranstellfläche bereitstellen müssen. Die kann schnell einmal 150 x 30 Meter gross sein, was fast einem halben Hektar entspricht. Wenn eine Anlage nicht mehr dreht (z.B. weil sie trotz der Prognosen nicht mehr rentiert) muss sie rückgebaut werden. Dumm ist, wenn im Vertrag steht, dass der Rückbau zulasten der Bauern geht. Denn das geht ins Geld. Bereits gibt es Rechts¬anwaltsbüros in Deutschland, die sich auf juristische Probleme im Zusammenhang mit Windkraftanlagen spezialisiert haben.
7.2 Österreich: Erst Vollgas, dann Standgas
Unser östlicher Nachbar hat keine Atomkraftwerke wie Deutschland. Deshalb muss er künftig nicht auch noch den Ausstieg aus der Atomenergie kompensieren. Nichtsdestotrotz will auch Österreich den Anteil erneuerbarer Energie auf 34% steigern. Im Jahr 2010 waren es noch 26%, wobei Wasserkraft und Holz den grössten Beitrag leisteten.
Als im Jahr 2002 das erste Ökostromgesetz verabschiedet wurde, löste das zuerst einen Investitionsschub bei Biogasanlagen aus. So vervierfachte sich z.B. die installierte Leistung innerhalb von vier Jahren. Sie liegt heute bei rund 650 Gwh, womit rund ein Prozent des Stromverbrauchs gedeckt werden kann. Wie in Deutschland, werden auch in Österreich Biogasanlagen vor allem in Ackerbaugebieten gebaut und überwiegend mit Mais bzw. Maissilage beschickt. 2006 wurde das Ökostromgesetz revidiert, die Einspeisetarife und Tariflaufzeiten gekürzt und das Förderbudget gedeckelt, d.h. nach oben begrenzt, – was de facto zu einem Ausbaustopp führte. Ein neues Ökostromgesetz sieht nun wieder etwas attraktivere Rahmenbedingungen vor, es trat am 1. Juli 2012 in Kraft. Die Einspeisevergütung beträgt derzeit, je nach Leistung, zwischen 13 und 18,5 Cent pro kWh. Da sich die Kosten jedoch zwischen 19 und 29 Cent bewegen, werden trotzdem keine neuen Anlagen mehr realisiert.
Auch die Stromnetzbetreiber wirken bremsend: Sie müssen zwar von Gesetzes wegen jedem Anlagenbetreiber den Strom abkaufen. Sie können aber Netzzugangsgebühren erheben. Und die erscheinen zum Teil willkürlich hoch. Mindestens ein Fall ist bekannt, bei dem die Gebühren ohne Begründung von 100'000 Euro auf 180'000 Euro erhöht wurden. Es sieht ganz so aus, als wären die Netzverteiler nicht daran interessiert, ihre Leitungskapazitäten auszubauen.
7.3 Es brennt in Dänemark
Für die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen werden nicht nur Mais oder Getreide verwendet, sondern auch sogenannte "Reststoffe". In Dänemark wird bereits eine Million Tonnen Stroh energetisch genutzt, sprich: verbrannt. Auch Grossbritannien, Spanien, Ungarn und andere Länder betreiben Demonstrationsanlagen, um Stroh in Wärme und Strom umzuwandeln. In der Schweiz ist Stroh noch immer als Einstreumaterial in der Tierhaltung begehrt. Oder es wird gleich auf dem Acker gelassen, wo es dazu dient, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Denn das kann die Asche nicht. Ob und wann das Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit hat, wird sich zeigen.
Die Schweiz kann von den Erfahrungen dieser Länder profitieren – sofern sie die richtigen Schlüsse daraus zieht.




