Der Schritt ins Beherbergungsgewerbe ist mit einer kleinen Unternehmensgründung zu vergleichen. „Er muss von jedem Betrieb gut überlegt und von der Familie getragen sein“, präzisiert Oliver von Allmen, Geschäftsführer von Agrotourismus Schweiz, aus seinen Kontakten und Erfahrungen.
Neueinsteiger brauchen eine ganze Menge Ausdauer und Geduld – und wohl auch den Willen, diese Nische zum Erwerbszweig auszubauen. Jeder Aufbau eines Geschäfts gelingt nur durch den Aufbau eines Beziehungsnetzes zu Kunden – bevor der Betriebszweig zum Selbstläufer wird. Allerdings streben nicht wenige Betriebe trotz mässiger Belegung ihrer Zimmer und Wohnungen keine höhere Auslastung an, um den zusätzlichen Arbeitsaufwand in Grenzen zu halten.
In vielen Fällen wird der Wert der eigenen Leistung zu wenig in Rechnung gestellt. Oliver von Allmen weiss von einigen Übernachtungsangeboten auf Höfen, die im Verhältnis zum qualitativ hohen Angebot eindeutig zu günstig seien. Auf der anderen Seite soll es auch Appartements bei Bauernhöfen in mondänen Lagen des Berner Oberlands geben, die für ortsübliche Preise zu buchen sind.
2.1. Fortschritte beim Marketing
Mittlerweile ist die Notwendigkeit erkannt worden, dem Agrotourismus auch auf strategischer Ebene mehr Beachtung zu schenken. Die seit zwei Jahren bestehende Dachorganisation Agrotourismus Schweiz entstand aus der Initiative, die bisher bestehenden Anbietergruppierungen Schlaf im Stroh!, Ferien auf dem Bauernhof und tourisme rural zu einer gemeinsamen Vermarktungsplattform zusammenzuschliessen – mit rund 600 Einzelmitgliedern. Gemeinsam bieten die drei Anbietergruppierungen 270’000 bis 300’000 Logiernächte pro Jahr an. Mit der Bündelung der Mittel soll ein nachhaltiges und effizienteres Marketing ermöglicht werden. Ebenso wichtig ist der Aufbau längerfristiger Projekte mit Kooperationspartnern wie beispielsweise Schweiz-Tourismus, Railaway (der Bahnen) oder Schweiz-Mobil (siehe Kapitel 4).
In den vergangenen Jahren hat sich die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) für die Förderung des Agrotourismus eingesetzt und vor fünf Jahren zum Thema eine grössere Studie zur Entwicklung dieses Erwerbszweigs – als Hoffnungsträger der Berglandwirtschaft – verfasst. „Die eingeschlagene Richtung stimmt“, sagt SAB-Direktor Thomas Egger. „Wir brauchen in der Schweiz eine einheitliche Marke, an die klare Qualitätsanforderungen gestellt sein müssen.“ Er verweist auf die über Jahre erfolgreiche Vermarktungsanstrengungen der Zieldestination Südtirol unter der Marke „Roter Hahn“. Ein einheitlicher Marktauftritt vereinfache auch Kooperationen mit anderen Marketingorganisationen des Tourismus.
2.2. Ausbildungsoffensive stärkt Attraktivität
An kantonalen landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentren steigt der Bedarf nach Beratungsdienstleistungen zu Nebenerwerbsfragen, gerade im Bereich Direktvermarktung und Agrotourismus. Bei der Beherbergung und Restauration von Gästen gilt es u.a. das Lebensmittelhygienerecht, Fragen zur Raumplanung bei Umbauten sowie zur Haftpflichtversicherung und Unfallverhütung zu beachten. Bis anhin verfasste jeder Landwirtschaftsberater individuell kleine Handbücher, Flyer oder einfache Unterrichts- und Kalkulationsunterlagen rund ums Thema Agrotourismus selber. Die Vielfalt an Ausbildungs- und Beratungsangeboten kennt aber gravierende Nachteile: Die Qualität der Weiterbildungskurse ist je nach Schule und Region sehr unterschiedlich. Die Anforderungen an eine Ausbildung sind bis anhin nie national definiert worden. Es fehlt zudem an einem Rahmenlehrplan für die Weiterbildung, der dem Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Ausbildungsinstituten förderlich wäre: National definierte Lernziele könnten das Wahlfach Agrotourismus/ländlicher Tourismus bei den Lernenden allenfalls attraktiver machen.
Zur Professionalisierungsstrategie im Marketing gesellt sich deshalb eine Ausbildungsoffensive. Die nationale Beratungsorganisation Agridea ist beauftragt worden, zusammen mit dem Beratungsforum Schweiz ein Leitbild zu minimalen Kompetenzen auszuarbeiten. Projektleiterin Michèle Zufferey erhofft sich von der Initiative vergleichbare Anforderungen für Weiterbildungsinteressierte, mehr Zusammenarbeit zwischen den Bildungsinstituten und attraktivere Bildungsangebote für junge Landwirte als auch für langjährige Praktiker. Wichtig scheint ihr auch, dass Weiterbildungszertifikate, die im Bereich Agrotourismus noch geschaffen werden müssen, dank garantiertem Qualitätsniveau bei Kunden, aber auch bei der Tourismusbranche und bei anderen Bildungsanbietern (Marketing, Fremdsprachen) anerkannt werden.
Analog zu den Erfahrungen im Ausland ist zu erwarten, dass sich auch in der Schweiz der Anbietermarkt bipolar entwickeln wird: Anbieter werden mit den Jahren professioneller oder geben – auch aus mangelnder Rentabilität – den agrotouristischen Nebenerwerb wieder auf.
