2.1 Produktion von Bioethanol
2007 produzierten die USA 48 Prozent des weltweit hergestellten Biothanols von 52 Milliarden Litern, gefolgt von Brasilien mit 31 Prozent der Weltproduktion. Mit 18,6 Mrd. Litern Bioethanol überholten 2006 die USA Brasilien mit einer Produktion von 18 Mrd. zum ersten Mal. Die USA brauchen vor allem Mais für die Bioethanolproduktion, Brasilien hauptsächlich Zuckerrohr. In Brasilien liegt der Anteil von Bioethanol am gesamten Treibstoffverbrauch auf Strassen bei fast 21 Prozent. (1)
In der Schweiz produziert die Borregaard AG in Attisholz SO Bioethanol für das Pilotprojekt etha+ der Alcosuisse aus Nebenprodukten ihrer Zellulose-Produktion. Alcosuisse ist das Profitcenter der Eidgenössischen Alkoholverwaltung und hat in der Schweiz das Monopol für den Handel von hochgradigem Alkohol (Ethanol). Alcosuisse verkauft Alkoholprodukte vorwiegend an die chemische, kosmetische und pharmazeutische Industrie. Der grösste Teil davon wird durch Denaturierung ungeniessbar gemacht, um so den Markt für unversteuerten Industriealkohol vom Markt für besteuertes Ethanol zu Trinkzwecken zu trennen.
Borregaard AG, bis anhin einzige Produzentin von Bioethanol in der Schweiz, begann 2004 mit der Produktion von Bioethanol in einem Pilotbetrieb und produzierte 2007 3,2 Millionen Liter Treibstoff. Dies entspricht einem Anteil von 0,7 Promille am gesamten Benzinverbrauch in der Schweiz (ohne Flugbenzin). (2) Bis anhin wurde kein Bioethanol in die Schweiz importiert. Mit dem Inkrafttreten des revidierten Mineralölsteuergesetzes am 1. Juli 2008 ist auch das Importmonopol des Bundes für Bioethanol gefallen. Allerdings können Private Bioethanol nur unter strengen Auflagen importieren (Details siehe Kapitel 6).
2.2 Rohstoffe und Herstellung von Bioethanol
Bioethanol lässt sich aus landwirtschaftlichen Kulturpflanzen mit einem hohen Zuckergehalt (Zuckerrohr, Zuckerrüben) oder einem hohen Stärkegehalt wie Cassava oder Getreide (Weizen, Triticale, Zuckerhirse, Mais) gewinnen und wird deshalb auch als Agraralkohol bezeichnet. Vor allem früher nannte man Bioethanol auch Spiritus, Kartoffelsprit oder Weingeist. Stellt man Bioethanol aus pflanzlichen Abfällen, Holz, Stroh oder ganzen "Energie"-Pflanzen wie Rutenhirse, Chinaschilf oder Switchgras her, so spricht man auch von Zellulose-Ethanol. Energie-Pflanzen wachsen auch auf minderwertigen Böden gut und brauchen keine speziellen landwirtschaftlichen Pflegemassnahmen.
Im Prinzip wird Bioethanol wie herkömmlicher Alkohl durch alkoholische Gärung aus Zucker (Glucose) mit Hilfe von Mikroorganismen hergestellt. Je nach Rohstoff wird die Glucose darin auf unterschiedliche Art herausgelöst:
- stärkehaltige Rohstoffe werden zermahlen und hydrolysiert. Mit Hilfe von Enzymen ird die Stärke in Zucker umgewandelt.
- zuckerhaltige Rohstoffe wie Melasse können direkt vergoren werden.
- zellulosehaltige Rohstoffe lassen sich durch Säuren und Enzyme aufspalten.
Es entsteht nun eine zuckerhaltige Masse, die so genannte Maische, die mit Hefe versetzt und vergoren wird. Diese alkoholische Maische enthält etwa 12 Prozent Ethanol. Durch Destillation und weitere Verfahren erfolgt die Reinigung bis zur Stufe Rohalkohol mit einer Reinheit von 94,5 Prozent. Nach der Entfernung des restlichen Wassers von 5 Prozent mit Hilfe eines Molekularsiebs bleibt das Endprodukt mit einer Reinheit von 99,95 Prozent zurück.
Bei der Gewinnung von Bioethanol entstehen als Nebenprodukte Schlempe, Vinasse und Bagasse. Getreideschlempe wird getrocknet als Futtermittel mit hohem Nährstoffgehalt, insbesondere an Protein, vermarktet. Schlempe wird auch häufig für die Energiegewinnung der Ethanolanlage eingesetzt. Bei der Melassevergärung bleibt Vinasse zurück, die als Tierfutterzusatz oder Düngemittel verwendet wird. Bagasse, die bei der Zuckerrohrvergärung zurückbleibt, besteht vor allem aus Faserstoffen und eignet sich wegen des geringen Nährstoffgehalts nicht als Futtermittel. Bagasse wird deshalb häufig über eine mehrstufige Methanvergärung in den Energiekreislauf der Destillerie zurückgeführt.
2.3 Vorteile von Bioethanol
2007 publizierte die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) die Studie "Ökologische Bewertung von Biotreibstoffen" publiziert; in Auftrag gegeben worden ist sie von den Bundesämter für Energie, für Umwelt und für Landwirtschaft. (3) Die Studie dämpfte die Euphorie in Bezug auf die positiven Umweltauswirkungen von Biotreibstoffen im Vergleich mit Erdölprodukten gewaltig. Die meisten Biotreibstoffe stehen in dieser Studie unter Berücksichtigung der gesamten Umweltbelastung schlechter da als die fossilen Treibstoffe.
Aus Altstoffen produzierte Biotreibstoffe schneiden in der Empa-Studie aber deutlich besser ab als Treibstoffe aus fossiler Energie. Bioethanol, das aus dem Reststoff Molke hergestellt wird, schnitt viel besser ab als schwefelarmes Benzin, aus Holz und Gras hergestelltes Bioethanol etwas besser.
Alcosuisse kritisiert auf seiner Internet-Seite die Empa-Studie, weil "die vorgestellten Ergebnisse und der angeblich objektive Ansatz der Analyse einer tiefer greifenden Analyse nicht standhalten können". Alcosuisse kritisiert insbesondere, dass die Autoren der Empa-Studie so tun würden, als ob es eine Wahl zwischen Erdölprodukten und Biotreibstoffen gäbe. Aber weil die Erdölvorräte zu Ende gingen, gäbe es keine Wahl mehr. Zudem würden in der Gesamtbeurteilung die Probleme im Zusammenhang mit Erdölprodukten, wie ihre Nichterneuerbarkeit (Bewahrung für andere Zwecke), das Freisetzen von Treibhausgasen, die starke Energieabhängigkeit und das hohe Risiko einer grösseren unfallbedingten Umweltverschmutzung laut Alcosuisse nicht berücksichtigt.
Nach Alcosuisse ersetzt Bioethanol im Benzin enthaltene giftige und umweltschädliche Substanzen und steigert den Wirkungsgrad des Motors. Dies führe zu einem geringeren Treibstoffverbrauch oder kompensiere zumindest den im Vergleich zu Benzin geringeren Brennwert von Ethanol.
Geringere Treibhausgas-Emissionen
Gemäss der Empa-Studie weisen alle untersuchten Bioethanol-Treibstoffe bei den Treibhausgasemissionen bessere Werte auf als konventionelles Benzin. Je nach verwendetem biogenen Ausgangsmaterial bewegt sich der Wert zwischen 70 Prozent (Molke) und 5 Prozent (Kartoffeln Schweiz) weniger Treibhausgasemissionen.
2.4 Nachteile von Bioethanol
Aus den landwirtschaftlichen Produkten Zuckerrohr (Brasilien), Zuckerrüben (Schweiz) und Zuckerhirse (Kanada) produziertes Bioethanol hatte beim Empa-Vergleich schlechtere Gesamt-Umweltresultate als schwefelarmes Benzin. Und in den USA hergestelltes Bioethanol aus Mais schnitt massiv schlechter ab als schwefelarmes Benzin.
Ein weiterer Nachteil ist, dass Benzin-Ethanol-Mischungen mit wenig Ethanol zu einer Erhöhung des Dampfdrucks und damit zu einer erhöhten Verdunstung des Treibstoffs führen. Mischungen mit einem hohen Anteil an Ethanol führen zu einem Abfall des Dampfdruckes und zu Problemen bei niedrigen Temperaturen in den Bergen.
2.5 Flexi-Fuel-Fahrzeuge für E85
Gebräuchliche Treibstoff-Mischungen aus Bioethanol und Benzin werden E2, E5, E10, E15, E25, E50, E 85 und E100 genannt. Die Zahl nach dem "E" gibt dabei den Prozentanteil des Bioethanols an, das dem Benzin beigemischt ist. E85 setzt sich folglich zu 85 Prozent aus wasserfreiem Bioethanol und zu 15 Prozent aus Benzin zusammen. Da Bioethanol eine höhere Klopffestigkeit hat als normales Benzin, kann E85 die Motorleistung deutlich steigern. Die europäische Norm DIN EN 228 erlaubt eine Beimischung von bis zu 5 Prozent Bioethanol (E5) zum normalen Benzin ohne entsprechende Kennzeichnung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen laufen auch normale Benzinmotoren problemlos mit E5. Bei E10 sieht es hingegen anders aus. Vor allem bei älteren Fahrzeugen ist die Umrüstung auf eine E10-Verträglichkeit aufwendig und deshalb teuer.
Generell gilt: je höher der Anteil von Ethanol in einer Benzin-Ethanol-Mischung ist, desto weniger ist er für "normale" benzinbetriebene Motoren geeignet. Ethanol löst Gummi und Kunststoffe wie PVC und darf deshalb nicht in unveränderten Fahrzeugen eingesetzt werden. Mehr als 80 Prozent der in Brasilien verkauften Fahrzeuge sind "Flexible Fuel Vehicles", die wahlweise mit E100 oder einer beliebigen Mischung aus Bioethanol und Benzin fahren können. Auch in den USA, Schweden und in Deutschland ist die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen gross. In der Schweiz bieten sechs Autohersteller (u.a. Saab, Volvo, Ford, Renault) 29 Flexi-Fuel-Modelle zum Verkauf an. Derzeit sind 3'000 Flexi-Fuel-Fahrzeuge in der Schweiz immatrikuliert.
Flamol und Agrola vertreiben an ihren Tankstellen die beiden Benzin-Bioethanolmischungen E5 und E85. Mitte 2006 wurde in Winterthur die erste Tankstelle in der Schweiz eröffnet, die E85 vertreibt. Mitte 2008, zwei Jahre später, kann man an 40 Tankstellen E85 tanken, an über 100 Tankstellen in der Schweiz wird E5 angeboten. Wie schon erwähnt, hält Bioethanol am Benzinmarkt einen Anteil von 0,7 Promille.
2.6 Alcosuisse plant grösseren Produktionsbetrieb
Nach Auskünften von Pierre Schaller, Direktor von Alcosuisse, ist das von Alcosuisse 2004 geplante grössere Biomasse-Kraftwerk mit einer vorgesehenen Kapazität von 100 bis 120 Mio. Litern Bioethanol pro Jahr derzeit aufs Eis gelegt. Die Gründe: Die zurzeit noch ausstehende Verordnung des Eidgenössischen Departements für Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), in der die detaillierten Anforderungen an den Nachweis einer positiven ökologischen Gesamtbilanz geregelt sind. Diese Verordnung bildet zusammen mit der per 1. Juli 2008 in Kraft gesetzten neuen Mineralölsteuer-Verordnung ein Ganzes. Ein weiterer Grund für die vorübergehende Sistierung des Projektes sind die biogenen Abfälle, die 2004 als vorhanden prognostiziert wurden. Mittlerweile dienen diese Abfälle als Futtermittel, ganz nach dem Prinzip "Teller, Trog, Tank". Nur Melasse stünde zurzeit zur Verfügung für die Bioethanol-Produktion. Alcosuisse ist aber nach wir vor im Gespräch mit interessierten ausländischen Investoren. Beim geplanten Projekt soll in einer ersten Phase aus importierten Halbfabrikaten, insbesondere minderwertigem Ethanol, Bioethanol-Treibstoff hergestellt werden. In einer zweiten Etappe könnten auch Schweizer Rohstoffe wie Melasse oder deklassierte landwirtschaftliche Produkte verwendet werden, aber auf keinen Fall Nahrungsmittel.

