Da im Unterschied zu unseren Nachbarländern die Beherbergung auf dem Bauernhof immer noch wenig entwickelt ist, liegt hierzu – wie auch zur Parahotellerie generell – kaum verlässliches Zahlenmaterial vor. Alle in den letzten fünf Jahren in der Schweiz veröffentlichten Agrotourismus-Studien verweisen stattdessen stellvertretend auf statistische Erfassungen in Österreich oder Deutschland, wenn es um die Beurteilung von Langfristtrends geht.
Einige Erwartungen der Gäste an einen Urlaub auf dem Bauernhof entpuppen sich als jahrzehntelange Dauerbrenner, vergleicht man eine bereits in den 1970er-Jahren durchgeführte Untersuchung zum Thema in Deutschland mit einer Umfrage aus Österreich im Jahr 2007: „Ruhe finden und entspannen“, „Tiere und Natur erleben“, „Kinder können sich frei bewegen“, „idealer Ort für die ganze Familie“. Auf dieses konstante Bündel an Assoziationen, zumindest bei der wichtigen Zielgruppe Familie mit Kindern, können sich die Anbieter nach wie vor verlassen. Allerdings rücken in letzter Zeit auch neue Bedürfnisse nach organisierten Aktivitäten in den Vordergrund. So haben diejenigen Höfe die besseren Karten, welche hofeigene Produkte anbieten, Sportgeräte (wie Fahrräder) zur Verfügung stellen, ein organisiertes Freizeitprogramm für Kinder und Gemeinschaftsaktivitäten für Gäste als Option haben.
Aus Gästebefragungen in Österreich weiss man mehr über die teilweise ein wenig widersprüchlichen Auswahlkriterien bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft. So ist Preisgünstigkeit ein Topkriterium. Dennoch wird ebenfalls ein gewisser Standard in der Qualität bei der Wohnung und den sanitären Anlagen erwartet. Auch bei Fragen rund um die Einbettung in die touristische Infrastruktur einer Region wird eine ruhige Lage des Hofes bevorzugt. Ebenfalls wünscht man aber eine Gastronomie in der Nähe oder Einkaufsmöglichkeiten in erreichbarer Distanz.
1.1. Ruhe, viel Kinderliebe und eine Prise Action
Die Anbieterorganisationen im Agrotourismus haben begonnen, sich nicht mehr nur auf die ursprüngliche Zielgruppe Familien mit Kindern zu verlassen. Den nach wie vor boomenden Outdoor-Tourismus im Visier gelang Agrotourismus Schweiz jüngst eine Kooperation mit Schweiz Mobil, der Onlineplattform für alle Formen des Langsamverkehrs. Gruppen wie auch Individualreisende, die per Velo, zu Fuss oder gar auf den Rollerblades durch die Schweiz unterwegs sind, gelangen so bei der Suche nach Übernachtungen auch auf agrotouristische Angebote. Der in Konstanz ansässige Ferienanbieter Strohtour unternimmt organisierte Velotouren im Grenzgebiet zwischen Deutschland und der Schweiz – quasi die agrarische Variante der hierzulande noch bekannteren SlowUp-Events. Schlafen in Jurten, Herumturnen auf Seilparks, Riesenlabyrinthe in einem Maisfeld, Sommerkino auf dem Bauernhof – an der Kreativität einzelner Höfe mangelt es in den letzten Jahren nicht, um den Durst nach Erlebnissen zu stillen.
1.2. Familiäres Ambiente – kommerzielles Kalkül
Es bleibt ein Charakteristikum in Familienbetrieben: Das Bereitstellen von Übernachtungsmöglichkeiten sowie der Verpflegung gehört in aller Regel in den Aufgabenbereich der Bäuerinnen. Sie sind aber auch die Touristikmanagerinnen des Hauses, welche die Initiative ergreifen und sich von der Familiengemeinschaft in dieser Tätigkeit gestützt fühlen müssen. Das Motiv, zusätzlich Geld zu verdienen, war schon immer stark. Aus einer bereits 1974 im Auftrag des deutschen Landwirtschaftsministeriums durchgeführten Umfrage „Urlaub auf dem Bauernhof – eine psychologische Untersuchung der Einstellung der Bauern zu ihren Gästen“ geht aber auch hervor, dass die Erweiterung des Horizonts, der Erfahrungsaustausch und der Moment der Abwechslung ebenso wichtige Motive waren. Der Entscheid, ins Gastgewerbe einzusteigen, fiel häufig auch durch spontane Anfragen von Urlaubern auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit oder durch positive Feedbacks von Nachbarn, die bereits den Schritt gewagt hatten. Zusätzlich wurde damals nach den Entscheidungsimpulsen innerhalb der Familie gefragt. Daraus ging hervor, dass in 47 Prozent der Fälle die Frauen und nur in 10 Prozent der Fälle die Männer den Wunsch äusserten, Beherbergungen anzubieten; in 43 Prozent der Fälle war es die ganze Familie. Bemerkenswert an der vierzig Jahre zurückliegenden Motivationsforschung ist, dass die befragten Bäuerinnen und Bauern das ideale – und wohl zeitlos aktuelle – Eignungsprofil für den Gastgeber auf dem Hof gleich selbst skizzierten: Kontaktfreudigkeit, Freundlichkeit zu Kindern, Aufgeschlossenheit, Liebe zur Sache waren häufig genannte Attribute.
Es ist anzunehmen, dass die Ansprüche (auch in Österreich und Deutschland) an die Beherbergung in früheren Jahrzehnten bescheidener waren: Das Vermieten von Zimmern war vorherrschend, abschliessbare Ferienwohnungen noch eher selten. Bereits die 1974er-Publikation des deutschen Bundeslandwirtschaftsministeriums gibt aufschlussreiche Einblicke in die Einstellung mancher Gastgeber: „Aus den Spontanreaktionen der Bäuerinnen kommt immer wieder zum Ausdruck, dass weder die Eigenleistung – Arbeit – noch die Eigenerzeugnisse entsprechend in die Kalkulation mit einbezogen werden.“ Der Weg vom familiären Zu-Gast-Sein zum professionell-distanzierten Zu-Gast-Sein – eine heikle Gratwanderung.
