Eigentlich gingen Landwirtschaft und Tourismus schon immer Hand in Hand: Die Vermarktung von Ferien in der Schweiz ist nicht denkbar, ohne Sehnsucht nach Bergen, satten Wiesen oder Kühen auf einem Alpaufzug. Urlaub in der Schweiz findet in einem seit Generationen gepflegten, eher ländlichen Lebensraum in unseren Talschaften und Höhen statt, sieht man vom Städte-, Kultur- und Shopping-Tourismus ab.
Die Sehnsucht nach dem scheinbar friedlichen Landleben ist sehr beständig. Auf Träume kann man bauen – vor allem im Tourismus. Die Bedürfnisse brauchen bloss geweckt und zu Angeboten kanalisiert zu werden. Niemand weiss das besser als die Grossverteiler Coop und Migros, die mit ihren Frischland-Werbebotschaften und Geschichten mit Hühnern, die ihr frisches Ei noch persönlich in den Laden bringen, Sicherheit und Heimatgefühle suggerieren. Auch die bunte Schweiz-Tourismus-Website lockt mit Outdoor-Aktivitäten und setzt wie selbstverständlich die gepflegte Kulturlandschaft als Hintergrundszene ins Bild: Hier rastet ein wanderndes Paar unter einem Obstbaum, dort geniesst man Velofahrten entlang gepflegter Rebberge.
Vielfalt der Parahotellerie
Die beiden Erwerbszweige Agrikultur und Landschaftspflege auf der einen Seite und Fremdenverkehr andererseits gingen bis vor wenigen Jahren ihre eigenen Wege, obwohl das Wohlergehen beider Branchen auch voneinander abhängt. In der Schweiz existiert zwar ein sehr breites Angebot der Parahotellerie und es wird auch in Anspruch genommen: Jugendherbergen, Campingplätze, Privatzimmer, Ferienhäuser von Vereinen und vieles mehr. Diese Anbieter treten am Tourismusmarkt meist individuell auf, vertrauen auf Mund-zu-Mund-Propaganda und haben keine grossen Marketingbudgets. Ähnlich ver-zettelt war bis vor Kurzem das Angebot an touristischen Dienstleistungen, die auf Bauernhöfen in Anspruch genommen werden können.
Eine strategische Option
Die Ausgangslage ist klar: Der fortschreitende Strukturwandel zwingt die Landwirte, nach Möglichkeiten zu suchen, ihr Einkommen durch Diversifizierung der Tätigkeiten zu verbessern. Eine dieser Möglichkeiten ist der Agrotourismus.
Übernachten beim Bauern: Was in Österreich, in Deutschland und auch im Südtirol schon seit Jahrzehnten von Zehntausenden von Landwirtschaftsbetrieben praktiziert wird, um sich ein Zusatzeinkommen zu sichern, muss sich in der Schweiz in der Breite noch verankern. Es gibt zwar eine Perspektive, dass dies auf lange Frist gelingen könnte. Doch die Hindernisse und Widerstände, diese Diversifikationsstrategie umzusetzen, sind nicht zu übersehen.
Die Chancen sind aber intakt: Die kurzfristige Bleibe in ruhiger Umgebung entspricht einem Bedürfnis des Grossstadtmenschen, der dem Stress durch allzu viel Technikabhängigkeit und Erreichbarkeit auch einmal entfliehen will.
