
Ein Interview mit André Aschwanden, Mediensprecher von Schweiz Tourismus (ST)
LID: Eine Schweiz ohne Kühe und Bergkäse wäre unvorstellbar: inwiefern und warum ist die Landwirtschaft für den Tourismus in der Schweiz wichtig?
ST: Die Natur ist traditionell zentrale Reisemotivation für Touristen und Touristinnen, die in der Schweiz Ferien machen und reisen möchten. Die Bauern und gerade auch die Bergbäuerinnen leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Sorge und zur Pflege der Landschaft. Darüber hinaus sind die Landwirtschaft und das bäuerliche Leben ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Kultur und Tradition.
«Bauern leisten wichtigen Beitrag zur Sorge und Pflege der Landschaft»
Hat die Bedeutung der Landwirtschaft in den letzten Jahren zuabgenommen?
Im Rahmen eines weltweiten touristischen Trends sind Reisende nachweislich und immer stärker daran interessiert, lokales und authentisches Brauchtum und Leben, z.B. Kulinarik, kennenzulernen. Ein weiterer Trend, der sich bereits seit einigen Jahren immer mehr abzeichnet, ist das Bedürfnis nach nachhaltigen Reisen und Ferien. Gemeint ist hier sowohl die ökologische als auch die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Die Schweizer Landwirtschaft bietet dem Tourismus in beiden Bereichen bereits sehr viel.
«Reisende interessieren sich immer mehr für Brauchtum»
Gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen bei Reisenden aus den unterschiedlichen Ländern?
Die Natur und die Landschaft sind Interessen von Gästen aus nah und fern. Besonders in den Metropolen in Übersee spielen auch Punkte wie frische und saubere Luft sowie saubere und «bebadbare» Gewässer eine grosse Rolle. Die Schweiz ist mit ihren touristischen Angeboten hier somit bestens positioniert und nachgefragt.
«Saubere Luft und Gewässer spielen eine grosse Rolle»
Sehen Sie eine Gefahr in der Vermittlung eines „Heidi-Images“, das insbesondere der Realität von Talbetrieben nicht unbedingt entspricht?
Je weiter ein Tourist oder eine Touristin von der Schweiz weg lebt, desto mehr spielen Klischees und Stereotypen eine Rolle. Die Schweiz wird vor allem in Übersee nach wie vor sehr mit den altbekannten Bildern assoziiert. Entsprechend wichtig sind diese Bilder in der Tourismuspromotion. Trotzdem muss man beachten, dass solche Klischees längst nicht mehr für alle Segmente von Fernreisenden von Bedeutung sind. Eine junge, outdoor-affine und weit gereiste Koreanerin hat ganz andere Vorstellungen, Schweiz-Bilder und somit auch Bedürfnisse als etwa Pensionäre aus Indien auf ihrer ersten Auslandreise.
Gibt es eine aktive Zusammenarbeit von landwirtschaftlichen Verbänden und Schweiz Tourismus?
Die Tourismuswerbung arbeitet mit den vorhanden touristischen Angeboten. Im Rahmen dieser Angebote und auch der Entwicklung und Weiterentwicklung von Dienstleistungen bestehen zahlreiche Kooperationen mit Anbietern im bäuerlichen und landwirtschaftlichen Bereich.
Wo können Touristinnen und Touristen Schweizer erleben?
Ich denke da an originelle und naturnahe Unterkünfte, wie Ferien auf dem Bauernhof, oder Ferien in der Alphütte wobei ein Teil dieser Hütten zu Bauernbetrieben gehört. Der Gast entscheidet dort selbst, ob und wie er / sie am landwirtschaftlichen Leben im Betrieb teilhaben möchte. Die «Million Stars Hotels» - Übernachten mit Blick auf Sternenhimmel zum Beispiel in Alpbetrieben, Berghütten oder in Obstgärten – sind ebenso originell und oft naturnah oder gar in der Nähe der Landwirtschaft. Die Swiss Tavolata bietet ursprüngliche Kulinarik im Ambiente nah an der Bauernfamilie und der Landwirtschaft. Und wer gerne Erlebnisse mit Wildtieren oder Hoftieren hat, findet auch viele solche Angebote.

Schweizer Käse ist Vertrauen
Um Schweizer Käse im Ausland zu vermarkten, setzt auch Switzerland Cheese Marketing auf authentische Stimmungsbilder der Schweizer Landschaften. In ihrer Basiskampagne und den 9 Werbespots greift die international tätige Non-Profit-Organisation die verschiedenen Kernwerte von Schweizer Käse auf. Die Slogans lauten z.B. «Schweizer Käse ist Gewissheit», oder «Schweizer Käse ist Handwerk». Dabei stehen Milchbauern, Käsermeister aber auch Konsumenten und die Käseproduktion im Zentrum, ergänzt werden die Situationen mit Landschaftsbildern.
Bilder wirken im Ausland
Das für die Spots gedrehte Filmmaterial steht allen SCM-Länderniederlassungen zur Verfügung. In den Niederlassungen wird daraus Werbung kreiert, die genau auf das jeweilige Zielpublikum ausgerichtet ist. Ein Werbespot zu Schweizer Käse sieht dann also in Frankreich anders aus als in Italien. «Allgemein gesagt liegt der Marketing-Fokus im Ausland verglichen mit der Schweiz noch stärker auf der Produktion von Käse. Das Handwerk und die Qualität werden mehr hervorgehoben, aber natürlich sind auch da Landschaftsbilder die Stimmungsträger», sagt Christa Wettstein, PR-Verantworliche bei SCM. In der Schweiz wird aktuell mit dem Schweizer Käse Pass der Besuch von fünf grossen Schaukäsereien gefördert und so zusammen mit Schweiz Tourismus gleichzeitig die Landschaft den einheimischen Touristinnen und Touristen nähergebracht.
Das Marketing profitiert also nebst der Vermarktung eines einzigartigen Schweizer Produkts von der Landschaftspflege durch Landwirtinnen und Landwirte. «Wenn die Landschaft nicht gepflegt würde, wären beispielsweise keine Kühe auf der Weide und wir könnten so insbesondere im Ausland nicht zeigen, wie der Käse seinen Anfang nimmt», sagt Wettstein.

Grenzen überschreiten, nicht kreieren
Schweiz Tourismus ist die nationale Marketing- und Verkaufsorganisation für das Reiseland Schweiz. Demgegenüber bildet der Schweizer Tourismus-Verband den politischen Verband von Schweizer Tourismus. Ihm untergeordnet gibt es 13 verschiedene touristische Regionen. Einerseits sind dies städtische Regionen wie Zürich, Genf, Basel, andererseits alpine Regionen wie Wallis und Graubünden.
Damian Constantin ist Leiter der Promotion für das Wallis und Präsident der Konferenz der regionalen Tourismusdirektoren der Schweiz. Er glaubt, dass in Zukunft noch mehr ganzheitliche Erlebnisse nachgefragt werden. «Wir sind als kantonale Promotionsorganisation dafür verantwortlich, Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe und Tourismus zu bewerben», sagt Constantin. Vor 2013 wurden diese drei Branchen separat beworben. «Seit etwa fünf Jahren bieten wir Erlebnisse an, die alle drei Branchen beinhalten. So erleben unsere Gäste den Kanton Wallis in seiner ganzheitlichen Form.» Die Landwirtschaft bringe zwar nicht in erster Linie eine hohe Wertschöpfung. «Aber sie bringt dank dem Ansprechen an alle Sinne eine hohe emotionale Verbindung, ein gesellschaftliches Element», sagt Constantin.
Natürlicher Kontakt mit der Landwirtschaft
Ein Themenschwerpunkt ist das «Genussland Wallis», wo beispielsweise der Walliser Weinweg dazugehört, oder Erlebnisse rund um die berühmten Walliser Aprikosen. «Natürlich ist für solche Gästeerlebnisse die Landwirtschaft sehr wichtig. Unser Kanton ist nicht zuletzt für landwirtschaftliche Produkte wie Wein, Raclette und Aprikosen bekannt. Damit können wir uns differenzieren», sagt der CEO von Valais Wallis Promotion.
Bei den Erlebnissen kommen die Gäste ganz natürlich mit der Landwirtschaft in Kontakt, beispielsweise mit den im Wallis emblematischen Schwarznasenschafen oder den Eringer-Kühen. «Wer eine Genusswanderung unternimmt, sieht die Tiere auf den Bergweiden. Wenn ein Gast eine Radtour unternimmt und den Weinterrassen entlangfährt und beim Winzer eine Degustation macht, dann schätzt er beim Abendessen im Hotel den regionalen Wein umso mehr.» Im Endeffekt sei das Ziel eine grösstmögliche Wertschöpfung im Kanton zu schaffen. Constantin erklärt: «Es ist eine Verbundlogik, die Grenzen überschreitet und nicht Grenzen kreiert.»