
Boden ist mehr als nur eine Ansammlung von Dreck. Böden erfüllen eine Vielzahl verschiedener Funktionen.
- Produktionsfunktion: z.B. Bodenfruchtbarkeit und Produktion von Biomasse
- Lebensraumfunktion: z.B. Lebensraum für Bodenmikroorganismen
- Regulierungsfunktion: z.B. Regulierung des Wasser- und Nährstoffkreislaufs
- Archivfunktion: z.B. Erhalt von archäologischen Kulturschätzen
- Trägerfunktion: z.B. Basis für Infrastrukturen und Gebäude
- Rohstoff-Funktion: z.B. Quelle für Kies, seltene Erden oder Trinkwasser.
Der Boden ist das Kapital der Bauern. Was nützen bestes Saatgut, gezielte Düngung und Pflanzenschutzmassnahmen, wenn die Produktionsgrundlage Boden fehlt oder geschädigt ist? Ohne Boden gibt es keine Nahrung. Und nicht nur für die Lebensmittelproduktion sind Böden wichtig: Sie filtern auch Regenwasser und sorgen damit für sauberes Trinkwasser. Sie regulieren das Klima, weil sie mehr Kohlenstoff speichern als alle Wälder der Welt zusammen.
Böden sind voller Vielfalt: In einer Handvoll Erde leben mehr Organismen als Menschen auf unserem Planeten. Zwei Drittel aller Arten von Lebewesen haben ihre Heimat unter der Erdoberfläche. Doch trotz der lebenswichtigen Funktionen und zentralen Bedeutung wurde und wird der Boden manchmal wie der letzte Dreck behandelt. Heute ist der Boden gefährdet wie vielleicht noch nie zuvor.
Für diese Gefährdung gibt es 2 Gründe: Naturgefahren und der Mensch. Zu den Naturgefahren zählen Lawinenniedergänge, Erdrutsche, Brände, Hochwasser etc., die es schon immer gab und immer geben wird. Viel schlimmer ist jedoch die Bodengefährdung durch den Menschen, ob direkt via Überbauung, Schadstoffeintrag, Übernutzung oder indirekt zum Beispiel über den Klimawandel.
Mehr Menschen, weniger Fläche
Die Weltbevölkerung wächst - doch der Boden wächst nicht mit. Die Oberfläche der Erde umfasst nach wie vor 13,6 Milliarden Hektar. Die Hälfte davon ist mit Wald bestückt, oder es handelt sich um - vom landwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus gesehen - unproduktive Fläche wie Gebirge oder Wüsten. Nur 10 Prozent der Erdoberfläche können ackerbaulich genutzt werden.
Rund ein Viertel der Erdoberfläche dient als Dauergrünland indirekt ebenfalls der menschlichen Ernährung und auf einem sehr kleinen Teil (1 Prozent der Erdoberfläche) werden Spezialkulturen wie Obst und Reben angebaut. Wenn die heutige Nachfrage nach Agrarprodukten unverändert weiterwächst, müsste bis zum Jahr 2050 zusätzliches Landwirtschaftsland in der Grösse zwischen 320 und 850 Millionen Hektar erschlossen werden. Der niedrigere Wert entspricht der Fläche Indiens, der höhere der Fläche Brasiliens. Das ist unmöglich.
Die FAO (Food and Agriculture Organization oft the United Nations) schätzt zwar, dass in Afrika und der südlichen Sahara noch Potenzial für zusätzliches Ackerland besteht. Laut Expertenschätzungen können aber höchstens noch 120 Mio. Hektar Ackerland zusätzlich erschlossen werden. Das ist gerade Mal 1 Prozent mehr als heute. Weil gleichzeitig jedes Jahr eine Fläche von etwa 3 bis 4 Mio. Hektar land- und forstwirtschaftlich nutzbarer Böden verloren geht, nimmt die nutzbare Fläche nicht zu. Überweidung macht Weiden unfruchtbar, Erosion und Klimawandel machen aus Äckern Wüsten, während gute landwirtschaftliche Flächen unter Häusern und Strassen verschwinden.
Nutzfläche sinkt
Dass immer mehr Fläche verbaut wird, ist augenfällig. Wo vor zehn Jahren noch Kühe weideten, stehen heute Lagerhallen. Die Wiesen, auf denen früher Fussball gespielt wurde, sind Wohnbauten gewichen. Pro Sekunde gehen in der Schweiz 1,1 Quadratmeter Landwirtschaftsland verloren, in der Talfläche ist es sogar noch mehr. Gebaut wird zudem oft dort, wo der Boden auch ideal für die landwirtschaftliche Produktion ist.
Die Siedlungsfläche der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten stark ausgedehnt. Zwischen 1985 und 2009 hat sie pro Einwohner und Arbeitsplatz um 6,5 Prozent zugenommen. Zwar geht das Siedlungswachstum zumindest in der Westschweiz zurück, es bleibt aber auf einem hohen Niveau. 60 Prozent der Flächen in Siedlungsgebieten sind versiegelt und haben keine ökologischen Bodenfunktionen mehr. Ein vorrangiges Ziel muss deshalb sein, das Siedlungswachstum zu bremsen.

Die verbliebene Nutzfläche wird von immer weniger Betrieben bewirtschaftet, ohne dass deren Einkommen wesentlich gestiegen sind. Die Direktzahlungspolitik ändert daran nicht viel. In den 3 Jahren seit dem Inkrafttreten der neuen Agrarpolitik, der AP14-17, hat sich die Nutzfläche der direktzahlungsberechtigen Betriebe um 3'700 Hektar verringert.
Die Bauern reagieren auf Flächenvergrösserung mit Rationalisierung und vermehrtem Maschineneinsatz. Der Anteil der landwirtschaftlichen Traktoren mit einem Gesamtgewicht über 5 Tonnen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Jeder dritte Traktor gehört heute in diese Kategorie. Oder sie versuchen den Kostendruck mit Spezialisierung abzufangen.
Eine Vereinfachung der Anbausysteme oder der Fruchtfolge erhöhen die Verdichtungsgefahr des Bodens. Bei grossen, viehlosen Ackerbaubetrieben ist eine Tendenz zum Humusverlust festzustellen. Das liegt am Abtransport von Ernterückständen und der fehlenden Zufuhr von organischen Düngern von Viehhaltungsbetrieben.
Der Tausch "Stroh gegen Gülle" findet zu wenig statt. Auf diesen Betrieben ist die Phosphorbilanz häufig negativ. Auf Tierhaltungsbetrieben gewinnt dagegen der Zukauf von Futtermitteln an Bedeutung. Das sorgt in Regionen mit hoher Viehdichte für eine überhöhte Phosphorbelastung, selbst wenn die Düngebilanz eingehalten wird. Der Einsatz von Futtermittelergänzungsmitteln kann zudem zu Schwermetalleinträgen in den Boden führen (Kupfer und Zink).
Vierfache Bedrohung
Der Boden ist eine begrenzte, mittelfristig nicht erneuerbare Ressource. Er ist in der landwirtschaftlichen Produktion in viererlei Hinsicht bedroht: Von Bodenverdichtung, dem Verlust organischer Bodensubstanz, der Erosion und dem Verlust an Bodenbiodiversität. Im Nationalen Forschungsprogramm Nr. 68 über die "Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden" gingen zahlreiche Autoren der Frage nach, wie eine standortgerechte Landwirtschaft aussehen könnte, die sich am Potenzial des Bodens orientiert und durch den minimierten Einsatz von Hilfsstoffen und Maschineneinsatz auszeichnet. Sie stellen fest, dass es für deren Realisierung nicht nur die Bauern, sondern die ganze Wertschöpfungskette braucht. Im Rahmen der verschiedenen Vermarktungslinien und Labels besteht noch erhebliches Potenzial, eine bodenschonende Bewirtschaftung zu fördern.
Laut NFP 68 ist etwa ein Drittel aller Schweizer Böden von Bodenverdichtung betroffen. Sie entsteht durch den Einsatz immer schwererer Maschinen oder Bodenarbeiten, die trotz zu nasser Verhältnisse durchgeführt werden. Sie kann auch Folge einer reduzierten strukturellen Stabilität des Bodens sein. Zu einem Verlust an Organischer Bodensubstanz kommt es wegen der verminderten Verfügbarkeit von Hofdünger und Kompost, dem Abtransport von Ernterückständen oder dem Fehlen von Kunstwiesen in der Fruchtfolge.
Die Erosion nach Niederschlägen, Hangrutschungen etc. führt zu irreversiblen Verlusten. Mehrere Studien warnen zudem vor einem Verlust an Biodiversität, weil Bodenlebewesen für zahlreiche Bodenfunktionen eine zentrale Rolle spielen. Dieser Verlust lässt sich allerdings bis anhin nur schwer abschätzen.


Bodenverdichtung
Bodenverdichtung tritt auf, wenn das Gewicht landwirtschaftlicher Maschinen die Tragfähigkeit des Bodens übersteigt. Schätzungen gehen davon aus, dass beispielsweise in der Zentralschweiz ein Drittel der Böden stark verdichtet sind. Das sind nicht nur Böden, auf denen Gemüse angebaut wird, sondern immer öfter auch Böden, die für den Ackerbau oder als Wiesen genutzt werden. Die Bodenverdichtung ist primär eine Folge der immer schwereren Maschinen sowie des zunehmenden Zeitdrucks und der vereinfachten Fruchtfolgen als Folge von wirtschaftlichen Überlegungen.
Die Bodenstruktur kann in wenigen Minuten zerstört werden. Bis sie wieder aufgebaut werden kann dauert es dagegen Jahre - wenn überhaupt. Pflanzen und Regenwürmer spielen bei der Wiederherstellung der Porosität des Boden eine entscheidende Rolle, wobei Pflanzen die besseren Helfer sind. Sie besitzen ein höheres Durchdringungsvermögen als Regenwürmer und benötigen dazu auch weniger Energie. Trotzdem dauert es nach einer Verdichtung rund zehn Jahre bis der Boden wieder einigermassen so ist, wie er einmal war.
Schnell verdichtet, langsam gelockert
2014 wurde bei Agroscope Reckenholz eine Versuchsanlage zur Beobachtung der Bodenstruktur eingerichtet. Damit soll die Entwicklung der Bodenfunktionen nach einer Verdichtung langfristig untersucht und verschiedene Praktiken zur Wiederherstellung der Struktur und der Funktionen des Bodens getestet werden.
Es werden vier Bewirtschaftungsverfahren untersucht: Schwarzbrache, Dauerwiese sowie Fruchtfolge mit und Fruchtfolge ohne Bearbeitung (Triticale, Silomais, Winterweizen, Herbstraps). Bei der Schwarzbrache und der Dauerwiese wird der Boden nicht bearbeitet und es werden keine landwirtschaftlichen Maschinen eingesetzt. Bei den Parzellen mit Fruchtfolge lässt sich das Potenzial einer rein biologischen Regeneration (durch Pflanzen und Regenwürmer, ohne Bodenbearbeitung) vergleichen mit dem in der Praxis üblichen Verfahren einer physischen Wiederherstellung durch Bodenbearbeitung (Pflügen), gefolgt vom Anbau einer Kulturpflanze (biologische Regeneration).
Die Versuchsanlage hat gezeigt, dass Veränderungen der physischen Bodeneigenschaften bis in eine Tiefe von etwa einem halben Meter zu beobachten sind. Dabei wird das Transportvermögen für Flüssigkeiten und Gase sowie die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens beeinträchtigt. Gleichzeitig wurde der Durchdringungswiderstand in den obersten 30 Zentimetern bereits nach einmaligem Befahren im Vergleich zu einem nicht verdichteten Bereich der Parzelle verdoppelt. Ein erhöhter Widerstand vermindert das Wurzelwachstum von Kulturpflanzen.
Die Verfügbarkeit von Nährstoffen wird ebenfalls beeinflusst, weil weniger Luft in den Boden kommt was die Bedingungen für die aeroben Bodenorganismen verschlechtert. Der Versuch in Reckenholz ergab zudem, dass sich die Regenwurmpopulation innerhalb von 2 Monaten nach der Verdichtung halbiert und der Ertrag im ersten Jahr nach der Verdichtung um 20 bis 80 Prozent sinkt.
Quelle: NFP 68, Boden und Nahrungsmittelproduktion
Humusverlust
Organische Bodensubstanz (Humus) entsteht aus frischer organischer Substanz, also pflanzlichen und tierischen Abfällen, die auf dem Boden ausgebracht und dort vor allem durch Bodenmikroorganismen zersetzt und umgewandelt werden. Humus spielt im Boden eine zentrale Rolle: Er trägt zur Speicherung von Nährstoffen und Wasser bei, fördert die Strukturierung des Bodens und nährt die Bodenorganismen. In vielen landwirtschaftlichen Böden ist tendenziell eine Humusabnahme zu beobachten, was die landwirtschaftliche Produktion langfristig gefährden könnte.
Der Humusverlust hat mehrere Gründe: Spezialisierung führt in der Regel zu einer Trennung von Ackerbau und Viehwirtschaft. Wenn Mist und Gülle fehlen wird oft nur noch mineralisch gedüngt. Auch der systematische Abtransport von Getreidestroh oder das Fehlen von Wiesen in der Fruchtfolge verstärken den Humusverlust. Im Projekt "Sol Vaud" wurde festgestellt, dass 86 Prozent der viehlosen Betriebe ihr Stroh exportieren und nur jeder Dritte diesen Verlust durch die Rücknahme von Mist ausgleicht.
Auf der anderen Seite importiert jeder zweite Viehhaltungsbetrieb Stroh. Dazu kommt, dass die intensive Bodenbearbeitung im Ackerbau den Humusabbau beschleunigt und moderne (Getreide-) Sorten kurzstrohiger sind als alte Sorten. Dadurch wird weniger Biomasse erzeugt und die Pflanzen wurzeln weniger tief. Ein weiterer Faktor ist der Klimawandel: Bei Temperaturanstieg ändern sich die Bodenprozesse und die Pflanzen wachsen anders. Auch das kann dazu führen, dass vermehrt organische Bodensubstanz verloren geht.
Humusentwicklung in Schweizer Langzeitversuchen
Ort | Tongehalt des Bodens | Fruchtfolge in Jahren | Bodenbearbeitung | Humusgehalt am Anfang der Messungen | Humusgehalt am Ende der Messungen | Jahre zwischen Anfang und Ende |
Changins | 48% | 4 | Pflügen | 4,8 % | 3,9% | 44 |
Changins | 25% | 4 | Pflügen | 2,6% | 2,1% | 44 |
Changins | 14% | 5 | Plfügen | 2,0% | 1,3% | 33 |
Therwil, DOK-Versuch | k.A. | 7 | k.A. | 2,6% | 2,2% | 20 |
Reckenholz | 14% | 8 | Pflügen | 2,7% | 2,1% | 60 |
Quelle: NFP 68, Thematische Synthese 1 , Boden und Nahrungsmittelproduktion
Erosion
Der Verlust an Humus fördert die Erosion zusätzlich. Je weniger humos ein Boden ist, desto eher kann er erodieren. Unter Erosion versteht man den Abtrag von Boden durch Wasser oder Wind. Erosion findet nicht nur in Hanglagen statt. Intensive Bodenbearbeitung, Parzellenvergrösserung, Umwandlung von Naturwiesen in Kulturland, lange Brache, späte Aussaaten im Herbst und ein steigender Anteil früher Sommerkulturen, die den Boden erst spät bedecken, tragen zu dem Problem bei. Weltweit sind die Verluste riesig: Pro Jahr werden etwa 23 bis 26 Milliarden Tonnen Boden abgetragen - das entspricht einem jährlichen Verlust von fast einem Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Böden weltweit.
Gemäss Schätzungen verliert auch das Schweizer Ackerland durchschnittlich 2 Tonnen Boden pro Hektare und Jahr durch Erosion. Die Forschungsanstalt Agroscope hat eine Erosionsrisikokarte für die Schweiz erstellt. Dabei werden Standortfaktoren wie Relief, Bodeneigenschaften und Niederschlag berücksichtigt. Laut dieser Karte sind mehr als 44 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Talzone von Erosion bedroht. Auch Berg- und Alpweiden können betroffen sein. Vor allem wenn sie gedüngt oder intensiv beweidet werden. Zu viel Stickstoff reduziert das Wurzelwachstum und die Artenvielfalt der Mykorrhiza. Zudem werden standortangepasste Arten verdrängt. Bodenverdichtung beeinträchtigt die Wurzelentwicklung und somit die Wurzelverstärkung - alles Faktoren, die das Risiko von flachgründigen Hangrutschungen erhöhen.
Wenn Boden verlustig geht, gehen die Nährstoffe mit. Die Wasserspeicherfähigkeit wird reduziert und wenn es dumm geht, verursacht der abgetragene Boden auch Schäden an Infrastrukturen für die der Bodenbewirtschafter haften muss.
Vorerst noch keine Kürzungen
Die Direktzahlungsverordnung sieht vor, dass direktzahlungsberechtigte Betriebe mit mehr als 3 ha offener Ackerfläche den Nachweis eines geeigneten Bodenschutzes erbringen müssen. Das betrifft die Bodenbedeckung und den Erosionsschutz. Grundsätzlich dürfen keine relevanten "bewirtschaftungsbedingten Bodenabträge" auf der Ackerfläche des Betriebs auftreten.
Als bewirtschaftungsbedingt gilt alles, was weder auf eine ausschliesslich naturbedingte noch auf eine ausschliesslich infrastrukturbedingte Ursache oder auf eine Kombination dieser beiden Ursachen zurückführen ist. Das klingt kompliziert und ist es in der Praxis auch, vor allem weil der Bauer fallweise beweisen muss, dass er genügend Massnahmen ergriffen hat, um eine Erosion abzuwenden.
Ursprünglich war vorgesehen, dass bereits das erstmalige Auftreten relevanter, bewirtschaftungsbedingter Erosion als Verstoss gegen die ÖLN-Richtlinien gilt, das wäre bei einem Bodenabtrag von mehr als 2 Tonnen pro Hektar. Ab 2017 waren sogar Kürzungen der Direktzahlungen vorgesehen. Die blieben bislang aber aus, wie das BLW auf Anfrage mitteilt: "Aufgrund der Acontrol-Daten 2017 gab es nur einen festgestellten Verstoss im Kanton Zürich."
Also alles halb so wild? Das BLW relativiert: "Die Daten in Acontrol sind noch nicht vollständig. Die Kantone sind bei der Einführung dieser speziellen Kontrollen nach starken Niederschlägen noch in Verzug." Da die Starkniederschläge tendenziell zunehmen, könnten sich in Zukunft auch die entsprechenden Kürzungen der Direktzahlungen häufen.
Quelle: BLW und Direktzahlungsverordnung
Boden-Biodiversität
Die Boden-Biodiversität wurde bislang noch kaum erforscht. Die Vorgänge unter der Erde sind zu komplex um sie mit wenigen Parametern zu erfassen. Ein Gramm Boden enthält schätzungsweise bis zu einer Milliarde Bakterien, tausende Arten von Bakterien und Würmern und bis zu 200 Meter Pilzhyphen (fadenförmige Zellen der Pilze). Das Gewicht aller Lebewesen im Boden einer Hektare Land kann bis zu 15 Tonnen betragen, was dem Gewicht von rund 20 Kühen oder 200 Schafen entspricht. Auch Pflanzenwurzeln sind von tausenden Arten von Mikroorganismen kolonisiert; darunter befinden sich viele Nützlinge wie Mykorrhiza-Pilze und stickstofffixierende Bakterien. Zusammen bilden diese Mikroorganismen hochentwickelte und komplexe Gemeinschaften, sogenannte Mikrobiome. Die Bodenorganismen interagieren miteinander, durch Fressen und Gefressenwerden oder durch Konkurrenz stellt sich ein standortspezifisches Gleichgewicht ein.
Der Boden lebt
Geschätzte Vielfalt von einigen Zielgruppen Bodenlebewesen in Schweizer Landwirtschaftsböden
Lebewesen |
|
Mykorrhizapilze | 10-25 Arten pro Feld/Parzelle |
Regenwürmer | 50-350 g/qm |
Bakterien | 800-1500 Arten pro 0,5 g Boden |
Pilze | 350-900 Arten pro 0,5 g Boden |
Mikrobielle Biomasse | 200-1000 mg/g Boden |
Die Artendichte und -vielfalt variiert sehr stark. Sie ist abhängig vom Anbausystem, Bodentyp, Düngungsart, Bodenbearbeitung und Fruchtfolge. Biologisch bewirtschaftete Böden haben generell mehr Mykorrhiza-Pilze, höhere mikrobielle Biomasse und mehr Regenwürmer.
Quelle: Agrarbericht 2017
Bodenorganismen zersetzen auch Aas und zerstören Sporen und Bakterien. Der Boden kann aber auch Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter verbreiten oder antibiotische Resistenzgene beherbergen, die theoretisch auf den Menschen übertragen werden können. Zwar liegen in Schweizer Böden von Natur aus verschiedene antibiotikaresistente Gene vor. Sie sind jedoch weder klinisch relevant noch in grosser Zahl anzutreffen.
Auch durch Gülle und Mist werden Resistenzgene eingebracht. Dieser Effekt ist jedoch nur vorübergehend, da die Gene bereits innert weniger Tage aus dem System ausgewaschen werden und ihre Anzahl danach wieder auf das übliche Mass sinkt. Zudem zeigte sich, dass es sich bei den antibiotischen Resistenzgenen in Schweizer Böden mehrheitlich um allgemeine Resistenzmechanismen handelt, von denen keine reelle Gefahr der Übertragung im Rahmen der landwirtschaftlichen Bodennutzung ausgeht.
Damit widersprechen die Ergebnisse - zumindest für die untersuchten Fälle - der weitverbreiteten Meinung, dass landwirtschaftliche Aktivitäten für die Verbreitung von antimikrobiellen Resistenzen generell problematisch sind. Der Einfluss der Bodenbewirtschaftung auf antibiotikaresistente Gene oder auf die für die zentralen Bodenfunktionen wichtigen mikrobiellen Gemeinschaften ist gemäss heutigem Wissenstand gering. Allerdings wurden für den Zusammenhang von Antibiotikaresistenzen in Böden und der Volksgesundheit nur wenige Standorte untersucht, die nicht für alle Bodenarten in der Schweiz repräsentativ sind. Die Zusammenhänge sind jedenfalls sehr komplex.
Das NFP-68-Projekt "Bodenbakterien" hat gezeigt, dass der Einsatz von Bodenbakterien im Getreideanbau zu einem gesunden Boden betragen kann. Bestimmte Bodenbakterien können die Verbreitung von Krankheitserregern verhindern, die über den Boden übertragen werden und die Wurzeln der Pflanze angreifen. Die Bakterien können Anti-Pilzstoffe bilden und Abwehrmechanismen der Pflanzen in Gang setzen. Ob und wie sich diese "natürlichen Polizisten" für einen grossflächigen und ökonomischen Einsatz nutzen lassen, ist allerdings noch nicht erforscht. Manche Fadenwürmer (Nematoden) bewähren sich schon heute im Kampf gegen schädliche Bodeninsekten. Für eine effektive Schädlingsbekämpfung ist die Ausbringung der Fadenwürmer jedoch noch zu teuer.
Nicht auf jedem Boden tritt derselbe Effekt auf. So steigert eine Impfung des Bodens mit Mykorrhizapilzen die Erträge von Ackerkulturen nur dann, wenn wenig Phosphor vorhanden ist. Bei diesen arbuskulären Mykorrhizapilzen handelt es sich um eine weitverbreitete Gruppe von Bodenpilzen, die symbiotische Gesellschaften mit vielen (Kultur-) Pflanzen bilden. In intensiv bewirtschafteten Böden, die gut gedüngt und regelmässig gepflügt werden, nimmt ihre Anzahl ab. Sie steigt, wenn beispielsweise aufs Pflügen verzichtet wird und Zwischenkulturen, Strohmulch oder Pflanzenkohle zum Einsatz kommen.