
Die Agrarpolitik wird immer wieder neu definiert. Der Artikel 104 BV und der 2017 angenommene Zusatz für die Ernährungssicherheit Art. 104a BV dienen als Basis für die Massnahmen der Agrarpolitik. Mit Blick auf veränderte Markt- oder Umweltsituationen wird jeweils festgehalten, welche Aufgaben die Landwirtschaft in den nächsten Jahren erfüllen soll. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, die die Landwirtschaft in der Schweiz erbringt, werden mit Direktzahlungen abgegolten. Im Jahr 2019 betrugen diese 2,809 Milliarden Schweizer Franken.
Unterstützt werden verschiedene landwirtschaftliche Leistungen. 2019 machten den mit Abstand grössten Anteil die Versorgungssicherheitsbeiträge aus (39%), gefolgt von Kulturlandschaftsbeiträgen und Produktionssystembeiträgen (beide knapp 20%), sowie Biodiversitätsbeiträgen (15%). Landschaftsqualitätsbeiträge (5%), Übergangsbeiträge (4%) und Ressourceneffizienzbeiträge (1%) machten einen kleineren Teil aus.
Die Direktzahlungen
Damit ein Landwirtschaftsbetrieb Direktzahlungen erhält, muss der oder die Bewirtschafterin eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich vorweisen können und nebst ein paar weiteren Voraussetzungen (wie etwa das Maximalalter des Betriebsleitenden: 65 Jahre) den Ökologischen Leistungsnachweis ÖLN erfüllen. Die Direktzahlungen sind unterteilt in die folgenden Beiträge:
- Kulturlandschaftsbeiträge: bspw. Förderung der Alpsömmerung
- Versorgungssicherheitsbeiträge: bspw. Förderung von Ackerbau
- Biodiversitätsbeiträge: bspw. die Kultivierung einer Buntbrache
- Landschaftsqualitätsbeiträge: bspw. die Erhaltung vielfältiger Landschaften
- Produktionssystembeiträge: bspw. Beitrag für die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion
- Ressourceneffizienzbeiträge: bspw. Einsatz eines Schleppschlauchs

Die Bevölkerung regelmässig befragt
Erwartungen an die Landwirtschaft können sich sowohl auf private Güter beziehen als auch auf spezifische öffentliche Leistungen der Landwirtschaft. Der Kaufentscheid einer Kundin im Laden beeinflusst die Produkteigenschaften direkt, während bei spezifischen öffentlichen Leistungen wie der Erhaltung von Biodiversität die Erwartungen durch politische Prozesse formuliert werden. Es ist daher wichtig, zu wissen, was die Bevölkerung von der Landwirtschaft erwartet. Im Auftrag des BLW führte das Forschungsprogramm Univox 2018 nach 2009, 2012 und 2015 zum vierten Mal 700 Befragungen durch. Wo vorhanden werden die Ergebnisse sogar mit Zahlen aus 1996 verglichen.
Erwartungstypen
Natürlich handelt es sich bei den erwähnten Erwartungen in der Studie um eine Pauschalisierung. Die Studie bricht die Erwartungshaltung der schweizerischen Bevölkerung (bewusst zugespitzt) auf drei Erwartungstypen herunter:
- Bewahrer/innen: empfinden die sozio-ökonomische und sozio-kulturelle Bedeutung der traditionellen Landwirtschaft als sehr wichtig
- Ökolog/innen: messen ökologisch nachhaltigen Produktionsprozessen und entsprechenden Produkten die höchste Bedeutung zu; haben starke ökologische, landschaftspflegerische und ethische Überzeugungen
- Ökonom/innen: denken, dass landwirtschaftliche Betriebe dieselbe Wettbewerbsfähigkeit an den Tag legen sollten wie andere Unternehmen; sehen die Aufgabe der Landwirtschaft in der Versorgung der Bevölkerung mit den nachgefragten Produkten zu wettbewerbsfähigen Bedingungen
Tierfreundlich und produzierend
Im Vergleich zu 1996 wurden 2018 alle Aufgabenbereiche der Landwirtschaft als weniger wichtig eingestuft. Die Landwirtschaft allgemein verlor also an Wichtigkeit innerhalb der Bevölkerung. Nach wie vor wünschen sich die befragten Schweizerinnen und Schweizer am meisten eine «tierfreundliche» und «produzierende» Landwirtschaft. Insbesondere weibliche Befragte aus städtischen Gebieten befürworteten das erhöhte Tierwohl. Dabei war es den Befragten weniger wichtig, aus welcher Region der Schweiz die Produkte stammen. Die Befragten befürworteten den Einsatz der grössten Geldsummen in den Bereichen tierfreundliche Haltung und umweltfreundliche Bewirtschaftung.
Direktzahlungsgelder widerspiegeln Erwartungen
Die Bevölkerung wünscht sich also insbesondere eine naturnahe Produktion, die die Umwelt schont. Dieses Anliegen wird mit den Direktzahlungsbeiträgen für Kulturlandschaft, Biodiversität, Produktionssysteme und Landschaftsqualität gefördert, und macht zusammengezählt mehr als die Hälfte der Kosten aus. Der zweitgrösste Teil der Direktzahlungsbeiträge fliesst in die Versorgungssicherheit. Diese Kosten sind zusammengesetzt aus einem Basisbeitrag, der die Produktionskapazität erhalten soll. Erschwerte Produktionsbedingungen wie beispielsweise in der Bergzone, und die allgemeine Kultivierung von Ackerfläche oder Dauerkulturen, werden zusätzlich honoriert.
Zukunft? Die Meinungen gehen auseinander
Bei der Frage, wie die Schweizer Landwirtschaft in Zukunft aussehen soll, gehen die Meinungen auseinander. Die Szenarien «Vielseitigkeit», «Spezialisierung» und «Fokus auf die Nahrungsmittelproduktion» wurden 2018 insgesamt fast gleich stark von der Bevölkerung befürwortet. Die Unterstützung ist in der Romandie jeweils tiefer, insbesondere bei «Fokus Nahrungsmittelproduktion». Laut Esther Grossenbacher vom BLW zeigt dies, dass es nicht eine allgemeingültige Schweizer Landwirtschaft gibt, sondern dass es gut ist, eine Palette an unterschiedlichen Betriebstypen zu haben. Im Frühling 2022 soll laut Grossenbacher die nächste Befragung stattfinden. Sie ist gespannt, welche Einflüsse die Coronakrise auf die Erwartungen der Landwirtschaft hatte.