
Die Schweiz nimmt zur Produktion von landwirtschaftlichen Produkten weitaus mehr Flächen in Anspruch als in der Schweiz zur Verfügung stehen. Nach Studien des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) fallen über 70 Prozent der durch den Schweizer Konsum verursachten Umweltbelastungen im Ausland an. Der Selbstversorgungsgrad liegt netto bei rund 50 Prozent, die Bevölkerung verzehrt also rund zur Hälfte Lebensmittel, die im Ausland wuchsen.
Auch nicht-landwirtschaftliche Unternehmen beanspruchen teilweise grosse Flächen im Ausland. Aus einer Studie des SECO ist z.B. bekannt, dass die Schweizer Wirtschaft 30 Prozent der exportierten Waren als Vorleistungen im Ausland einkauft – und nicht nur 15% wie die Schweizer Nutztierhalter. Es ist deshalb wichtig, dass sich die Schweiz an internationalen Gremien zum Bodenschutz beteiligt und versucht, den Bodenschutz auch im Ausland zu thematisieren.
Bodenkompensation in Europa
Auch auf europäischer Ebene wird eine Kompensation für überbaute Flächen mit Einbezug der Bodenqualität thematisiert. Dabei geht es nicht nur um Umzonungen von Boden gleicher Qualität, sondern auch um eine reale Kompensationsmassnahmen: Wird Boden verbaut, soll an einem anderen Ort Boden aufgewertet, rekultiviert oder renaturiert werden. Dadurch sollte sich die Bodenqualität an einem anderen Ort verbessern und die Nettoversiegelung von Böden bis zum Jahr 2050 stagnieren. Umstritten ist jedoch, ob derartige Aufwertungen mit vertretbaren Kosten, in ausreichendem Masse und in ausreichender Qualität überhaupt möglich sind.
Quelle: NFP68, Bodenpolitik
Landgrabbern auf die Finger schauen
Weltweit werden immer mehr landwirtschaftliche Nutzflächen von Ländern oder Firmen gekauft oder gepachtet. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms Boden wurden beispielhaft die Auswirkungen einer grossflächigen Landinvestition durch die "Addax Bioenergy" (ABSL) untersucht. Die ABSL, eine Tochtergesellschaft der in der Schweiz ansässigen Erdölfirma Addax Oryx Group (AOG) Energy, pachtete 2008 in Sierra Leone für eine Dauer von 50 Jahren 54‘000 ha Land.
Auf 10‘000 Hektar liess die ABSL Zuckerrohr in Monokultur für die Bioethanol-Produktion anbauen, 4'300 ha dienten dem Reisanbau und als ökologische Ausgleichsfläche. Das Zuckerrohrprojekt erfüllte damit die Richtlinien des «Roundtable on Sustainable Biofuels (RSB)» und damit die EU-Kriterien in Bezug auf Landnutzung sowie Treibhausgasemissionen für Biotreibstoffe. Es wurde folglich offiziell als nachhaltig beurteilt.
Das Projekt hat die Landwirtschaft in der Region grundlegend verändert. Die Selbstversorger-Landwirtschaft wurde aufgegeben, ein Grossteil der betroffenen Bevölkerung wurde zu Lohnarbeitern. Das Einkommen der betroffenen Haushalte verbesserte sich dadurch deutlich. Doch die Mehreinnahmen von 18% gingen praktisch vollständig für den Kauf von Lebensmitteln drauf, zuvor selbst angebaut worden waren.
Dass die Familien nach der Landnahme fast kein eigenes Land mehr besassen, erwies sich im Nachhinein als besonders tragisch. Die Bioethanol-Produktion wurde nämlich wegen mangelnder Rentabilität eingestellt. Die temporären Mitarbeiter verloren ihren Job und hatten danach weder Einkommen, noch Land, um sich selbst ernähren.
Damit sich solche Beispiele nicht wiederholen, müsste bei aus der Schweiz stammenden Investitionen in Ländern des globalen Südens die Sorgfaltspflicht um einige – bisher unberücksichtigte – Aspekte ergänzt werden. Z.B. sollten bei grossflächigen Landinvestitionen wirksame Massnahmen geplant und durchgeführt werden, die verhindern, dass Einnahmen aus Leasing-Verträgen und anderen Abgaben nur einer beschränkten Elite zukommen (Verhinderung von «elite capture»).
Die Schweizer Politik sollte darauf pochen, dass eine faire Beteiligung von landbesitzenden und landbesitzlosen Familien garantiert wird, weil sonst die nur mit Landbesitzenden ausgehandelte Verträge bestehende soziale Spannungen verstärken oder sogar neue schaffen. Ausserdem bräuchte es für jedes Projekt eine Risikoanalyse und einen verbindlichen Notfallplan sowie zahlreiche andere Massnahmen mehr. Ansonsten ist Landgrabbing nichts anderes als eine moderne Form der Ausbeutung.