Befragt man die Bäuerinnen und Bauern, was ihnen der ÖLN gebracht hat, dann sind sich in einem Punkt alle einig: deutlich mehr Schreibarbeit und Kontrollen. Nicht alle Bauern führen die Aufzeichnungen mit dem gewünschten Eifer aus, bei ÖLN-Kontrollen entfallen rund 40 Prozent der Beanstandungen auf die Aufzeichnungspflicht. Erst an zweiter Stelle, weit abgeschlagen mit fünf Prozent, folgen Reklamationen wegen der Tierhaltung. Ansonsten halten sich die Beanstandungen in Grenzen, die Bauern erfüllen ihre ökologische Pflicht weitestgehend.
Der Grundsatz der ökologischen Leistungen und deren Abgeltung wird von den wenigsten Bauern in Frage gestellt. Der weit über das geforderte Mindestmass hinausgehende Anteil ökologischer Ausgleichsflächen zeigt zudem auf, dass die meisten Betriebe bereit sind, mehr für die Natur zu leisten als vorgeschrieben. Dennoch verstehen sich die Bauern in erster Linie als Nahrungsproduzenten; und einige haben Mühe damit, der Natur ausgerechnet die produktivsten Äcker zur Verfügung zu stellen.
5.1 Vorschriften ersetzen bäuerlichen Verstand
Eine Doktorarbeit, bei der mehr als 380 Bauernfamilien befragt wurden, kam zum Schluss, dass sich mit der Einführung des obligatorischen ÖLN nicht nur die Bewirtschaftung der Flächen verändert hat, sondern auch das bäuerliche Selbstverständnis in seinen Grundfesten erschüttert wurde. Früher war ein tüchtiger Bauer einer, der viel geerntet hat. Heute wird ein Bauer nicht mehr an seiner Produktion gemessen, sondern daran, wie viel Fläche er – möglichst extensiv – bewirtschaftet. Viele Bauern sagten in den Interviews, dass sie lieber von dem leben möchten, was sie produzieren – und nicht von dem, was man ihnen bezahlt, wenn sie sämtliche Auflagen erfüllen. Auch die bäuerliche Vorstellung von Sauberkeit und Ordnung wurde revidiert. Früher galt ein Bauer, der seine Wiesen nicht rechtzeitig schnitt, als schlechter Bauer. Heute müssen auch die "guten" Bauern ihre Ökowiesen oft braun und dürr werden lassen, bevor sie mit dem Mäher, genau nach vorgeschriebenem Termin, Ordnung schaffen dürfen. Selbst Bauern, die erkannt haben, dass die biodiversitätsfördernden Massnahmen Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffen, fällt es schwer, diese Erkenntnis mit ihren ästhetischen Idealen in Einklang zu bringen: sie finden den "Ökoblätz" hässlich und wünschen sich mehr Flexibilität, vor allem beim Schnittzeitpunkt.
Die detaillierten Vorschriften bei den öko-logischen Ausgleichsflächen betrachten die Bauern auch als Angriff auf ihre Kompetenz, "richtig" zu wirtschaften. Dabei haben sie schon vor Einführung der Ökoausgleichsflächen einen Teil der Flächen extensiv bewirtschaftet und Hochstammbäume gepflegt.
Noch mehr machte den Befragten die wankelmütige Agrarpolitik zu schaffen: In den Sechzigerjahren gab der Bund zum Beispiel Geld, wenn Hochstammbäume gefällt wurden – heute gibt er Geld, um Hochstämme zu erhalten. Viele agrarpolitischen Forderungen erschienen den befragten Bauern widersprüchlich: Da wird Markt, Liberalisierung und Unternehmertum gefordert, während gleichzeitig mehr Vorschriften erlassen werden.
5.2 Gut für die Natur – schlecht fürs Portemonnaie
Die finanzielle Lage der Bauern hat sich seit der Einführung ökologischer Direktzahlungen nicht wirklich verbessert. Der Abstand zum ausserlandwirtschaftlichen Vergleichseinkommen hat sich eher vergrössert. So gesehen brachte der ÖLN den Bauern keinen Gewinn.
Auf ökologische Ausgleichsflächen ernten die Bauern weniger. Auf extensiven Wiesen (ohne Düngung, später Schnitt) bedeutet das weniger Futter und weniger Fläche, um Mist und Gülle auszubringen. Sie müssen also Fläche zupachten oder den Viehbestand verringern. Auch wenn Hecken angebaut werden oder Hochstammbäume auf der Wiese oder Weide stehen, wird weniger Futter geerntet. Wie gross diese Einbussen sind, hängt davon ab, wo sich die Ökoausgleichsfläche befindet: Im Talgebiet gibt die Fläche mehr her, hier sind die Einbussen grösser als am Berg. Die Beiträge für ökologische Ausgleichsflächen sind deshalb nach Zonen gestuft. Berechnungen der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope Tänikon (Brunner, Mack, 2001) über die Wirtschaftlichkeit der ökologischen Ausgleichsflächen kamen zu dem Ergebnis, dass in vielen Fällen die zusätzlichen Kosten der Bauern – unter Berücksichtigung des Arbeitsaufwands – durch die Ökobeiträge nicht gedeckt werden.
Bei Hecken und Hochstammbäumen sind die Unterschiede in allen Zonen frappant, hier müssten die Beiträge massiv nach oben korrigiert werden, um den Aufwand und Nutzenentgang zu decken. Anders sieht es bei den extensiven Wiesen aus: im Talgebiet kann sich diese Bewirtschaftungsweise lohnen – in der Hügel- und Bergzone kann es dagegen durchaus sein, dass die Bauern auch bei diesem Typ von ökologischen Ausgleichsflächen drauflegen. Dass Geld nicht alles ist, zeigt sich am Beispiel Buntbrachen: die wären eigentlich finanziell attraktiv – trotzdem ist die Entwicklung rückläufig, was mit den Unkrautproblemen zusammenhängen dürfte.
Finanziell interessant wird eine ökologischen Ausgleichsflächen eigentlich erst, wenn zusätzliche Ökoqualitäts- oder Vernetzungsbeiträge oder Beiträge nach dem Gesetz über Natur- und Heimatschutz generiert werden können. Dann profitiert nicht nur die Natur am meisten, sondern auch die Bauern kommen auf ihre Kosten.
Doch Geld ist nicht alles, sonst würde die Zusammensetzung der ökologischen Ausgleichsflächen anders aussehen. Abgesehen von den finanziellen Aspekten haben die ökologischen Ausgleichsflächen auch Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört, dass sich darin viele Nützlinge vermehren, die den Bauern helfen, Schädlinge und Krankheiten in Schach zu halten. Allerdings freuen sich nicht nur Nützlinge sondern auch Schädlinge über diese naturnahen Flächen: So können sich Blattläuse, Mäuse und Schnecken darin vermehren. Bei Buntbrachen ist zum Beispiel die Verunkrautung ein grosses Problem, manche Unkräuter machen auch in den nachfolgenden Kulturen noch Schwierigkeiten.
5.3 Naturschutz als Selbstverständlichkeit
Obwohl der Einsatz für mehr Ökologie von der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung begrüsst wird, ist fraglich, ob diese den Wert der ökologischen Massnahmen überhaupt erkennt. Tendenziell sieht es so aus, als ob die öffentliche Akzeptanz für die Direktzahlungen trotz ÖLN sinkt. Der ökologische Leistungsnachweis ist inzwischen selbstverständlich geworden – er wird nicht mehr als besondere Leistung angesehen, entsprechend sinkt die Zahlungsbereitschaft. Auch am Markt ist es schwieriger geworden, höhere Preise für ökologisch produzierte Produkte zu verlangen. Davon sind nicht nur die ÖLN-Betriebe betroffen, sondern auch die Bio-Produzenten. Je ökologischer die Nicht-Biolandwirtschaft wird, desto schwieriger wird es für die Biobäuerinnen und –bauern, ihre Produkte mit höheren Preisen abzusetzen.