Wie würden Sie einem Feriensuchenden die Vorzüge des Agrotourismus erklären?
Oliver von Allmen: Agrotourismus hat einen Erlebniswert, der nicht alltäglich ist: Man begegnet Tieren, schöner Landschaft und Blumen. Es ist ein qualitativ hochwertiges Bündel an Angeboten in Swissness-Qualität. Unter dem Begriff Agrotourismus ist zuerst eine grosse Vielfalt an Übernachtungsmöglichkeiten zu verstehen: Schlafen im Stroh, einzelne Zimmer, aber auch Ferienwohnungen. Ausserdem gibt es auf vielen Höfen ein gastronomisches Ange-bot – vom Frühstücksservice bis zum professionellen Catering. Auch Events gehören dazu: von Animationen für Kinder bis zu Seminaren für Erwachsene ist vieles denkbar.
Agrotourismus Schweiz ist erst seit zwei Jahren operativ tätig. Was waren die Gründe dafür, dass man die bereits bestehenden Angebote bündelte?
Es war offensichtlich, dass sehr viele Synergien zwischen den Anbietern einfach nicht genutzt wurden. Man buhlte um dieselben Zielgruppen und betrachtete sich fast ein wenig als Konkurrenten. Jeder Anbieterpool hatte zwar ein Budget. Die Mittel waren zu bescheiden, um grössere Marketingprojekte mit nachhaltiger Wirkung und effizient umzusetzen. Mit der Konzentration der Kräfte unter einem Dach gelang es, Gelder der öffentlichen Hand zu sichern, um den Aufbau unserer Marketingorganisation zu gewährleisten. Wir sind zudem auch eine Kooperationsplattform; zusammen mit unseren Partnerorganisationen realisieren wir neue Marketingprojekte, die teilweise auch von unseren Partnern mitfinanziert werden. Ein ganz wichtiger Partner ist beispielsweise die Informationsplattform Schweiz-Mobil, die sehr oft von Velofahrern, Inlineskatern, Wanderern bei der Planung ihrer Routen aufgesucht wird. Unsere Übernachtungsangebote wie Schlafen im Stroh oder Ferien auf dem Bauernhof werden auf den Online-Kartenausschnitten mit allen wichtigen Koordinaten eingeblendet; so können Reisende Buchungen vornehmen. Auch gegenüber Schweiz Tourismus werden wir nun als gewichtiger Mitspieler der Feriendestination Schweiz mit über 600 einzelnen Adressen vermehrt wahrgenommen.
Wie stehen die Anbieter des klassischen Tourismus wie Verkehrsbüros, Hotellerie- und Gastronomieverbände zum Phänomen Agrotourismus?
Sie äussern sich distanziert freundlich. Aber wenn ich mit dem einen oder andern Exponenten der Tourismusbranche diskutiere, hört man schon auch Argumente, die nicht neu sind, etwa dass bei uns angeblich die Lebensmittelkontrollen weniger streng gehandhabt würden oder wir als Billigkonkurrenz gelten. Wir gehören vom Angebotssegment her ins weite Feld der Parahotellerie, dort, wo Campingplätze, Jugendherbergen, Bed & Breakfast anzusiedeln sind. Diese Form von Tourismus wurde von den offiziellen Tourismusorganen lange stiefmütterlich behandelt. Da findet momentan aber ein gewaltiger Wandel statt. Denn der vielfältige Outdoor-Tourismus ist ein Wachstumsmarkt. Hier gilt es, gemeinsam aufzutreten. Erst kürzlich konnten wir mit anderen Partnern unter dem Dach von Schweiz Tourismus an einer Medienkonferenz teilnehmen, um eben diese Vielfalt zu präsentieren. Ich sage immer: Kein Produkt ist momentan so trendy wie unseres. Man muss sich nur mal die Werbekampagnen der Migros angucken. Ich erinnere an das Huhn, das vom Bauernhof in die Stadt eilt und ein ganz frisches Ei legt.
Auf regionaler Ebene ist aber die Kooperation zwischen den Verkehrsbüros und Agrotourismus-Anbietern noch Neuland?
Es gibt sicherlich noch viel Überzeugungsarbeit in den Regionen zu leisten. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, aufzuzeigen, dass es noch sehr viel ungenutztes Kooperationspotenzial zwischen den Branchen gibt. So offerieren ja viele Bauern nur ein Zimmerfrühstück. Feriengäste kaufen also im Dorfladen Produkte aus der Region ein, verpflegen sich in Restaurants mit warmen Mahlzeiten und nutzen Freizeitangebote in der Umgebung. Nicht zu vergessen: Restaurateure können sich mit regionalen und saisonalen Produkten profilieren. Die Leute suchen das und bezahlen auch den Mehrwert. Immerhin gibt es regionale Buchungsplattformen wie www.graubünden.ch, die den Agrotourismus in seiner Vielfalt auf vorbildliche Weise visualisieren.
Vor der Gründung der neuen Dachorganisation wurde in verschiedenen Studien bemängelt, dass es kein Qualitätsmanagement im Agrotourismus gäbe. Was tut sich nun in diesem Bereich?
Qualitätssicherung und -förderung war schon zu Beginn an ein strategisches Projekt. Wir haben jetzt in einer ersten Phase zwei Labels geschaffen, die vergeben werden, wenn gewisse Grundanforderungen und Sollkriterien erfüllt werden. Die Labels werden in der Öffentlichkeit erst dann sichtbar, wenn erste Betriebe zertifiziert worden sind. Wir unterscheiden zwischen einem Kuhsymbol für Landwirtschaftsbetriebe, die touristische Leistungen anbieten, und einer stilisierten Blume für Akteure des ländlichen Tourismus, also für Herbergsleistungen in abgelegenen ländlichen Gebieten, die aber nicht von Bauern erbracht werden. Mittelfristig wollen wir aber auch eine Qualitätsabstufung erreichen, was für unsere Mitglieder den Ansporn gibt, sich mit Mehrleistungen zu profilieren. Dies wird dann eben mit zwei oder drei Blumen beziehungsweise Kuhsymbolen ausgezeichnet.
