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Mediendienst Nr. 3306 vom 13. Januar 2017
Bauernverband fordert "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung wie im Ausland
Die Schweizer Bauern setzen auf GVO-freies Futter. Strenge Gesetze verhindern jedoch eine Auslobung auf den Produkten. Der Bauernverband fordert deshalb eine Regelung wie in Deutschland.

Ab diesem Jahr dürfen Schweizer Milchprodukte, die in Deutschland und Österreich unter der Dachmarke "Suisse Garantie" verkauft werden, neu mit dem Zusatz "Ohne Gentechnik" ausgelobt werden. Das hat die Agro-Marketing Suisse (AMS), die Inhaberin von "Suisse Garantie", kürzlich beschlossen.
"In Deutschland und Österreich ist ‘Ohne Gentechnik’ ein wichtiges Verkaufsargument", begründet AMS-Präsident Urs Schneider den Entscheid. Das neue Logo erlaube es, sich zu differenzieren und bei Gentechnik-kritischen Konsumenten zu punkten.
In der Schweiz kommt das neue Logo jedoch nicht zur Anwendung. Denn im Gegensatz zu Deutschland und Österreich ist es in der Schweiz schwieriger, Lebensmittel als "GVO-frei" auszuloben. Zwar erlaubt die Gesetzgebung grundsätzlich eine solche Kennzeichnung. Allerdings nur, wenn lückenlos dokumentiert werden kann, dass im Herstellungsprozess vollständig auf GVO verzichtet wurde.
Ein solcher Nachweis sei sehr aufwendig und schwierig zu erbringen, sagt Thomas Reinhard vom Dachverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Das Problem sind Futtermittelzusätze wie etwa Enzyme oder Vitamine, welche oft mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden und eine Auslobung unmöglich machen (siehe Textbox).
GVO-freie Fütterung ausloben
Dass in der Schweiz strengere Regeln bei der "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung gelten als im Ausland, sei ein Wettbewerbsnachteil, beklagt der Schweizer Bauernverband. Die hiesige Landwirtschaft verzichte wie kaum eine andere auf Gentechnik. So landet in hiesigen Futtertrögen ausschliesslich konventionelle Soja. Diese ist deutlich teurer als GVO-Soja, weil sie weltweit kaum noch angebaut wird. Laut Bauernverband führt die GVO-freie Fütterung zu Mehrkosten von jährlich rund 35 Mio. Franken. Gerne würde man diesen Mehrwert auch kommunizieren. "Wir fordern, dass die GVO-freie Produktion endlich auch in der Schweiz direkt auf den Lebensmitteln ausgelobt werden darf", sagt Martin Rufer vom Bauernverband. Die Landwirtschaft sieht darin ein Verkaufsargument, um bei der Gentechnik-kritischen Bevölkerung zu punkten und ein Instrument, um sich von ausländischen Produkten abzuheben.
Bald schon "Ohne Gentechnik"-Produkte?
Die Chancen stehen gut, dass die "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung in der Schweiz bald schon neu geregelt wird. Jacques Bourgeois, FDP-Nationalrat und Bauernverbandsdirektor, hat im Dezember 2015 eine Motion eingereicht, worin er eine Regelung wie in Deutschland fordert (siehe Textbox). Der Nationalrat und der Bundesrat haben dem Vorstoss bereits zugestimmt.
Der Konsumentenschutz hat zwar Verständnis, dass die Schweizer Landwirtschaft die GVO-freie Fütterung ausloben will. "Aus unserer Sicht ist es jedoch täuschend, wenn man Produkte als explizit gentechfrei auslobt, welche eben doch mit Gentechnik in Berührung kamen – etwa die Futtermittelzusätze", erklärt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz. Bei der "Ohne Gentechnik"-Deklaration gelte es einen Ansatz zu finden, der aussagekräftig und verständlich, aber dennoch nicht täuschend sei, so Walpen.
Auch Coop betont, dass eine "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung glaubwürdig sein müsse. "Am einfachsten wäre die Beschränkung der Anforderungen an eine Auslobung, die sich auf die verwendeten Rohstoffe beschränkt", sagt Coop-Sprecher Ramón Gander. Die Eins-zu-eins-Übernahme einer Regelung eines Nachbarstaates erachtet Coop als nicht sinnvoll.
Emmi sieht derzeit keinen Handlungsbedarf bei der "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung. "Erstens, weil GVO-frei für die meisten Schweizer Konsumenten bei Milchprodukten eine Selbstverständlichkeit ist und zweitens, weil das Sortiment an Milchprodukten noch von Schweizer Produkten dominiert ist", sagt Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker. Sollte inskünftig der Anteil an ausländischen Milchprodukten in den Schweizer Regalen zunehmen, wäre aber die GVO-Freiheit wohl ein mögliches Differenzierungskriterium für Schweizer Milchprodukte. In diesem Fall sei es sinnvoll, die GVO-Freiheit auf Branchenstufe zu kommunizieren, so Umiker.
Futtermittelzusätze: GVO-Einsatz weit verbreitet
Futtermitteln werden Zusätze wie beispielsweise Vitamine oder Aminosäuren beigemischt, die für die Tiergesundheit wichtig sind. Produziert werden diese Zusatzstoffe verbreitet mit gentechnisch optimierten Mikroorganismen. "Dies ermöglicht es, aufwendige chemische Synthesen über mehrere Zwischenstufen durch einen einfachen Biotech-Prozesss zu ersetzen", erklärt Jan Lucht vom Chemie- und Pharmaverband Scienceindustries.
Die Vorteile davon: Deutlich tiefere Herstellungskosten, geringerer Ressourcenverbrauch und eine kleinere Umweltbelastung. "Aufgrund der klaren wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile hat sich in vielen Fällen die biotechnologische Produktion von Futtermittel-Zusatzstoffen mit Hilfe von GVO durchgesetzt und die herkömmlichen Verfahren weitgehend verdrängt", so Lucht. Auch wenn GVO bei der Produktion von Vitaminen, Enzymen und Aminosäuren zum Einsatz kämen, seien die Futtermittelzusätze frei von GVO, betont Biotechnologie-Experte Lucht weiter.
Emmi wirbt im Ausland mit "GVO-frei"
Der Schweizer Milchverarbeiter Emmi lobt seit 2013 in Deutschland, Österreich, Belgien und den Niederlanden seine Produkte als GVO-frei aus. "Marktforschungsstudien zeigen, dass die Auszeichnung von Produkten mit Lebensmittelzertifikaten immer mehr Bedeutung für Konsumenten bekommen. Sie kann sogar die Kaufentscheidung positiv beeinflussen", sagt Emmi-Sprecherin Sibylle Umiker.
Deutschland: Weniger strenge Regeln bei "Ohne Gentechnik"
Anders als in der Schweiz sind in Deutschland Lebensmittel mit dem Etikett "Ohne Gentechnik" allgegenwärtig. Möglich macht dies eine etwas weniger strenge Gesetzgebung. Das Label "Ohne Gentechnik" verbietet zwar gentechnisch veränderte Pflanzen; Vitamine, Enzyme und Aminosäuren, die mit Hilfe von GVO produziert wurden, dürfen dem Futter aber beigemischt werden.
Die "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung wurde in Deutschland im Jahr 2008 geregelt. Zwei Jahre später haben Akteure aus Handel, Verarbeitung und Produktion den "Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e. V. (VLOG)" ins Leben gerufen. Dieser vergibt das Siegel "Ohne Gentechnik". Der Verband zählt im Jahr 2015 über 300 Mitglieder und Lizenznehmer mit einem Gesamtjahresumsatz von 153 Milliarden Euro. Über 2'000 Lebensmittel tragen derzeit das "Ohne Gentechnik"-Logo.