Bäuerinnen und Bauern

2.7 Mit Geschichten kommunizieren

Geschichtenerzählen ist eine der ältesten Formen der Kommunikation. Ihr Wert wird heute als „Storytelling“ wiederentdeckt. Storytelling meint viel mehr als am Kaminfeuer sitzen und Ge-schichten erzählen. Es geht um eine Denkweise – man spricht auch von „Storythinking“ –, um die Kunst, die Eigenheiten und Stärken des Geschichtenerzählens in alle Formen der Kommu-nikation einzubinden.

Das bringen Storytelling und Storythinking

Beim Geschichtenerzählen spielen die Emotionen wie Spannung, Freude, Angst, Hoff-nung eine grosse Rolle. Studien zeigen: Sind Informationen in Emotionen verpackt, blei-ben sie 22-mal besser haften als ohne!

Erzähle deine Geschichten (Storytelling)

Auf deinem Betrieb ereignen sich täglich viele Geschichten, die du erzählen kannst. Manche davon erzählst du am Mittagstisch oder beim Znacht. Viele scheinen dir belang-los und selbstverständlich. Aber für Aussenstehende sind sie spannend. Erzähle deshalb kleine Bauernhofalltagsgeschichten und –episoden auf deiner Website oder per Face-book. Einander „durchs Küchen-, Stuben oder Stallfenster schauen“ kommt immer gut an (manche Fernsehserien sind genau darauf angelegt). Diese Geschichten schaffen Bezie-hung, Sympathie, Verständnis. Alles, was du mit PR-Arbeit erreichen willst.

Biete positiven Geschichtsstoff (Storyproviding)

Wie gerne reden wir doch über andere! Und ehrlich: Negatives scheint uns oft spannen-der als Positives. Dass über dich und deinen Betrieb negative Geschichten im Umlauf sind, willst du natürlich nicht. Sorge also dafür, dass in der Gemeinde, bei den Nach-barn, bei Kunden und Gästen oder auch in den Medien immer positiver Erzählstoff vor-handen ist. Das kannst du mit deinem Verhalten steuern, mit Freundlichkeit gegenüber Gästen und Kunden, Offenheit gegenüber der Gesellschaft, Sorgfalt in deiner Arbeit, neuen Betriebsideen und Produkten, einem schön geschmückten Haus, Erlebnisangebo-ten...

Verstehe dich als Teil von Geschichten (Storyliving)

Dein Leben, dein Betrieb und deine Beziehungen sind immer in Entwicklung. Du schreibst damit laufend Geschichte. So betrachtet: Wo sind in diesen Geschichten Wunsch und Defizit? Wo sind die Hindernisse und Durchbrüche, wo die guten Geister und die Böslinge? Wer sind die Heldinnen und Helden? – Wie bist du mit deinen Part-nern und Kundinnen unterwegs? Seid ihr gerade in einer „Prüfung“ oder geht ihr auf eine „Erlösungsphase“ zu? Das Leben als Geschichte verstehen zeigt es in einer neuen Per-spektive.

Denke in Geschichten (Storythinking)

In Geschichten denken heisst, Broschüren, Lehrpfade, Events, Hausordnungen, Medi-entexte oder auch Menus so aufzubauen und zu gestalten, dass sie wie eine Ge-schichte daherkommen, mit der gleichen Spannung und Emotion. Dabei hast du die Elemente und Muster der Heldengeschichte im Hinterkopf und denkst alles von daher an: Was ist das Problem? Wie erfolgt der Ruf / die Einladung? Wer ist die Heldin oder der Held? Wer sind die guten Geister, wer die Widersacher? Welche Hindernisse stel-len sich in den Weg? Was ist die Lösung, die Heldentat, die Belohnung?
Nachfolgend drei Beispiele für „Storythinking“.

Das kann in einer Geschichte vorkommen

Eine alte und verbreitete Form von Geschichten ist die Heldengeschichte. Je nach theoretischem Ansatz umfasst sie bis zu 30 typische Elemente. In manchen Heldengeschichten kommen nur zwei oder drei vor. Hier lernst du sieben davon kennen.

1 das Problem
Ein Defizit, ein Wunsch, ein Ziel, ein Traum, eine Sehnsucht. Ohne das gibt es keine Story. Das Problem erzeugt die Spannung, die die Geschichte in Bewegung bringt.

2 die Lösung
Was gefordert ist, um das Problem zu lösen.

3 der Ruf
Er tritt in Träumen auf oder als alte Frau oder auch mal als Flaschenpost oder verstaubter Gegenstand auf dem Estrich. Er irritiert oder lockt oder befiehlt. Hauptsache, er kann jemanden dazu bewegen, das Problem lösen zu wollen oder sich dafür brauchen zu lassen.

4 die Heldin / der Held
Will am liebsten in Ruhe gelassen werden. Lässt sich dann doch überzeugen, sich auf den Weg zu machen. Stolpert dem Erfolg entgegen. Kommt bei der Heldentat fast um, aber überlebt doch und geht als gereifter Mensch aus dem Abenteuer hervor.

5 der Weg
Die Heldin / der Held macht sich auf einen Weg voller Abenteuer, der immer dramatischer wird; die Spannung nimmt bis zur Heldentat zu.

6 die Hindernisse
Sie stellen sich in den Weg zum Erfolg, bedrohen und entführen, verleiten und verführen, blockieren oder fordern Geschick und Wissen. Aber sie lassen den Helden auch an seiner Aufgabe wachsen und reifen.

7 gute Geister
Helfen dem Helden / der Heldin mit Tipps, Ausrüstungsgegenständen, oder direkte Unterstützung.

8 der Widersacher
Er will Erfolg und Macht für sich, will die Lösung des Problems verhindern und tut alles, um den Helden/die Heldin zu behindern, abzulenken, zu verführen oder gar zu vernichten.

9 die Heldentat
Die Heldentat, der entscheidende Akt, die grosse Wende zum Guten – wenn es eine glückliche Geschichte ist. Wenn nicht, ist die Geschichte eine Tragödie und der Held ein tragischer Held.

10 der Erfolg
Das Problem ist gelöst!

11 die Belohnung
Ehre, Reifung, neuer Status, materieller Gewinn für die Heldin oder den Helden.

Eine Alltagsgeschichte
Der Wasserablauf in der Küche ist verstopft (Problem). Du hast heute tausend Dinge geplant, aber deine Frau fragt dich (Heldin, Held), dich darum zu kümmern (Ruf) und den Siphon zu entstopfen (Lösung). Der Siphon ist total verklemmt und unzugänglich (Hin-dernis), du verlierst fast die Nerven (interner Widersacher). Dein Sohn (guter Geist) bringt dir die Rohrzange. Du bringst den Siphon auf und entstopfst ihn (Heldentat). Dei-ne Frau kocht dafür heute dein Lieblingsmenu (Belohnung).

Eine Hausordnungsgeschichte
Du willst, dass deine Feriengäste zur Wohnung Sorge tragen (Problem). Statt gewöhnli-chen Regel-Zetteln hängst du eingerahmte Karten auf, auf denen dein Hühnchen Putput (guter Geist) die kleinen und grossen Gäste (Helden) auf motivierende Weise anspornt (Ruf), in der Wohnung nicht zu rauchen, nur Hausschuhe zu tragen, keine festen Ge-genstände ins WC zu werfen (Hindernisse / Prüfungen). Zum Abschied erhalten deine Gäste, die alles eingehalten haben (Heldentat) von Putput eine Schachtel Eier (Beloh-nung).

Eine Hoffestgeschichte
Die Kuh Flora ist verschwunden (Problem). Die Gäste (Helden) sind mit einer Wettbe-werbskarte eingeladen (Ruf), sie zu finden und dir ihren Standort zu melden (Lösung). Die Karte führt sie von Infoposten zu Infoposten (Hindernisse), wo sie Wörter in ein Kreuzworträtsel einfüllen, das ein Lösungswort ergibt. Das Lösungswort führt zum Standort von Flora (Lösung). Wer sie findet (Heldentat), bekommt einen Milch-Drink (Belohnung).

Agrotourismus-Angebot als Geschichte
Ferienwohnung mit 6 Betten: Schlafen im Stroh; Hofladen; Milchkühe, Rinder, Hühner, Katze, Kaninchen; Spielplatz; WLAN; zentral gelegen; IP-Suisse-Betrieb; ergibt folgende „Geschichte“:

Unsere 6 Betten warten sehnlichst auf Gäste, die vom Landleben träumen und es ge-niessen. Zwar macht ihnen das Strohlager gerne Gäste abspenstig. Es liebt es, sie mit Strohhalmen zu kitzeln und zu Kissenschlachten anzustiften.
Den Hofladen lässt das Gezänk zwischen Betten und Stroh kalt. Er weiss: Wo auch immer die Gäste schlafen, sie lassen sich von ihm zu Naschkatzen verzaubern.
Naschen? Da können sie von unserer Katze lernen! Auch, wie man sich durch Kuh-, Rinder- und Hühnerherden schleicht und mit den Kaninchen Freundschaft schliesst.
Das interessiert vor allem die Kinder. Und übrigens auch, in welche Geschichten und Abenteuer sie der ausserordentlich ausgestattete Spielplatz hineinzieht, während die Erwachsenen dank unserem WLAN auf ihren Tablets im Internet herumsurfen…
Wobei: Dieses Surfen vergessen Sie bei uns nach und nach in unserem Entspannungs-Paradies. Das werden Sie bald merken, sobald Sie einmal bei uns sind.
Machen Sie sich auf den Weg, es ist keine Weltreise. Und unser Hof ist gut erkennbar, dank dem riesengrossen IP-Suisse-Käfer auf dem Silo. Halten Sie Ausschau nach ihm!